Covid-Taskforce„Kinder und Jugendliche sind scheinbar nicht weniger gefährdet als Erwachsene“

Covid-Taskforce / „Kinder und Jugendliche sind scheinbar nicht weniger gefährdet als Erwachsene“
Paul Wilmes in einem Labor des „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“ (LCSB) der Universität Luxemburg Foto: Editpress/Alain Rischard

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Die Aussage, die wir vor zwei, drei Monaten gemacht haben, dass Kinder bei der Übertragung von Covid-19 keine Rolle spielen, sei nicht akkurat, sagt Prof. Paul Wilmes von der Covid-19-Taskforce im Tageblatt-Gespräch. Auch bei der Ansteckungsgefahr scheint es keinen großen Unterschied zwischen Minderjährigen und Erwachsenen zu geben. Wilmes hat an dem Bericht „L’Ecole face à la Covid-19 au Luxembourg“ mitgewirkt, der als Grundlage für die neuen schulischen Maßnahmen zur „Rentrée“ fungiert.

„Scheinbar gibt es keinen großen Unterschied zwischen Kindern beziehungsweise Jugendlichen und Erwachsenen bei der Ansteckungsgefährdung durch Covid-19“, schlussfolgert Paul Wilmes aus dem Bericht „L’Ecole face à la Covid-19 au Luxembourg“. „Unserer Analyse nach sind Kinder und Jugendliche in dieser Hinsicht vergleichbar mit Erwachsenen“, sagt er. Paul Wilmes ist Professor am „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“ (LCSB) der Universität Luxemburg und Mitverantwortlicher der „Research Luxembourg Covid-19 Taskforce“. Er hat am Bericht „L’Ecole face à la Covid-19 au Luxembourg“, der im August publiziert wurde, mitgearbeitet.

Wilmes führt diese Aussage auf zwei Punkte zurück. Er sagt, dass Kinder und Jugendliche, hauptsächlich in der zweiten Welle, ein Spiegelbild von dem sind, was insgesamt in der Gesellschaft los ist. „Wir haben eine ähnliche Prävalenz bei den Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung.“ Auf diesem ersten Punkt aufbauend müsse man ganz klar davon ausgehen, dass sich Kinder und Jugendliche insbesondere während der zweiten Welle im Haushalt, in dem sie wohnen, angesteckt haben. Dies gehe aus den Daten der „Inspection sanitaire“ hervor, die aus dem Contact Tracing stammen.

Wir haben eine ähnliche Prävalenz bei den Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung

Prof. Paul Wilmes, Wissenschaftler und Taskforce-Mitverantwortlicher

Wieso die Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen in der zweiten Welle in die Höhe schnellten, gehe hauptsächlich auf das vermehrte Testen durch das Large Scale Testing zurück, so Wilmes. Dies sei aber nicht der einzige Grund. In der ersten Welle seien vor allem symptomatische Personen getestet worden. „Kinder und Jugendliche sind aber hauptsächlich asymptomatisch“, sagt der Professor. Da das Large Scale Testing gerade darauf abziele, die asymptomatischen Menschen zu finden, seien eben viele Kinder und Jugendliche positiv getestet worden. „In diesem Sinne sieht man, dass das Large Scale Testing in Bezug auf die Schulen gut gegriffen hat.“

Kinder und Jugendliche sind also nicht weniger ansteckungsgefährdet als Erwachsene. Doch welche Rolle spielen Kinder und Jugendliche bei der Übertragung von Covid-19? International werde diese Frage noch heftigst debattiert, sagt Wilmes. Man könne sich nicht darauf einigen, ob es nun Vektoren sind oder nicht. Auch der Bericht „L’Ecole face à la Covid-19 au Luxembourg“, der auf den in Luxemburg erhobenen Daten basiert, könne diese Frage nicht beantworten. Um dies zu verstehen, unterscheidet Wilmes zwischen Index- und Sekundärfällen.

Infektionsvermeidung hat gut geklappt

Eine Person, bei der man eine primäre Infektion feststellt, nennt man Indexfall. Jene Menschen, die mit dem Indexfall in Kontakt waren, sind die Sekundärfälle. Die Aufgabe der „Inspection sanitaire“ ist es, nach dem positiven Test des Indexfalls all jene Menschen ausfindig zu machen, die mit diesem Kontakt hatten. Diese Sekundärfälle werden sofort in Quarantäne gesetzt. „Dieses Vorgehen hat in Luxemburg sehr gut funktioniert“, sagt Wilmes.

Dies habe im Sinne der Infektionsvermeidung in der zweiten Welle gut geklappt. Das Problem für die Wissenschaft sei allerdings, dass sich durch das gute Gelingen des Contact Tracing die meisten Kinder und Jugendlichen, bei denen festgestellt wurde, dass es sich um Sekundärfälle handelt, bereits in Quarantäne waren. „Dort konnten sie also niemand anderen mehr anstecken, weil es in der Quarantäne eigentlich keine Infektionsketten gibt.“ Deshalb sei es nun schwierig festzustellen, ob Kinder und Jugendliche eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Covid-19 spielen oder nicht. Insgesamt gab es unter Kindern, Jugendlichen und Lehrern 179 Indexfälle. Davon waren 49 Sekundärfälle an den Schulen.

Auch wenn der Luxemburger Bericht wenig Aufschluss darüber gibt, welche Rolle Kinder und Jugendliche bei der Übertragung von Covid-19 spielen, so wurde Anfang September eine neue Studie aus Südkorea publiziert, die, so Wilmes, interessante Ansätze aufzeigt. In Südkorea müssen Leute, die eine Covid-19-Infektion haben, so lange im Krankenhaus bleiben, bis ein negativer Test vorliegt. Forscher konnten demnach das Virus bei Kindern genauer beobachten und feststellen, wie lange sie das Virus noch ausscheiden.

Das, was wir vor zwei bis drei Monaten gesagt haben, nämlich dass Kinder bei der Übertragung keine Rolle spielen, so eine Aussage kann man, basierend auf der aktuellen Datenlage, nicht mehr machen

Prof. Paul Wilmes, Wissenschaftler und Taskforce-Mitverantwortlicher

Unklar sei hier allerdings, so Wilmes, ob es sich dabei um noch infektiöse Viren oder nur um das RNS des Virus handele, das nicht ansteckend sei. „Interessant ist die Tatsache, dass bei einem Fünftel der asymptomatischen Kinder und bei der Hälfte der symptomatischen Kinder das Virus noch drei Wochen lang nachweisbar ist“, sagt Wilmes. „Wenn das alles stimmt, dann würde dies bedeuten, vorausgesetzt die Viren sind noch ansteckend, dass die Rolle der Kinder bei der Übertragung von Covid-19 nicht unerheblich wäre.“

Kinder spielen doch eine Rolle bei Übertragung

Wilmes schlussfolgert: „Das, was wir vor zwei bis drei Monaten gesagt haben, nämlich dass Kinder bei der Übertragung keine Rolle spielen, so eine Aussage kann man, basierend auf der aktuellen Datenlage, nicht mehr machen. Auch, weil es in Luxemburg Sekundärinfektionen gab, die auf Schulen zurückzuführen sind. So eine Aussage, dass Kinder keine Rolle spielen, ist nicht akkurat.“

In wenigen Tagen steht die „Rentrée“ an und das Bildungsministerium hat einen Maßnahmenkatalog aufgestellt, um das Schuljahr, wie Bildungsminister Claude Meisch sagt, so normal und so sicher wie möglich zu gestalten. Doch wie sicher kann man sein, angesichts vieler Unklarheiten in der Forschung, dass diese Maßnahmen die richtigen sind?

Man muss dazu sagen, dass diese Infektionen nicht unbedingt innerhalb der Schulen stattgefunden haben. Es könnte auch sein, dass Kinder, die zusammen in einer Klasse sind, sich beim Spielen bei dem anderen zu Hause angesteckt haben.

Prof. Paul Wilmes, Wissenschaftler und Taskforce-Mitverantwortlicher

„Ich glaube, dass die Maßnahmen, die nun vorgestellt wurden, im größten Sinne auch auf den Hauptergebnissen aus dem Bericht ,L’Ecole face à la Covid-19‘ basieren“, sagt Wilmes. „Man muss sagen, dass das eigentlich ziemlich gut über die Bühne ging, als die Schulen nach dem Lockdown wieder geöffnet haben.“ Als das Splitting in A- und B-Gruppen aufgehoben wurde und die Klassen wieder vollzählig waren, habe man anhand der erhobenen Daten nicht unbedingt ein Signal gesehen, dass dies zu häufigeren Infektionen geführt habe, so der Forscher. Die Daten besagen, dass sich 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen zu Hause angesteckt haben. Das stehe dann im Gegensatz zu den 10 Prozent in den Schulen. „Man muss dazu sagen, dass diese Infektionen nicht unbedingt innerhalb der Schulen stattgefunden haben. Es könnte auch sein, dass Kinder, die zusammen in einer Klasse sind, sich beim Spielen bei dem anderen zu Hause angesteckt haben.“ Dies sei eine Information, die aus den Daten des Contact Tracing nicht ersichtlich sei. „Wir wissen nur, dass die Kinder in der gleichen Klasse sind. Dann müssen wir davon ausgehen, dass die Infektion in der Schule stattgefunden hat.“

Die „gestes barrières“ sowie allgemeine Hygieneregeln gehören zu den Maßnahmen in den Schulen. Dadurch habe man weniger Übertragung, sagt Wilmes. Eine weitere Maßnahme sei das Lüften. Dies sei vom Ministerium als wichtig bezeichnet worden. Dem stimmt Wilmes zu und verweist auf die Frage zur Übertragung durch Aerosole, also Partikel, die sich in der Luft befinden. Diese Frage stünde zwar in der internationalen Forschung im Raum, doch gebe es Indizien, dass dies zu einer Übertragung von Covid-19 führen könnte. Eine zusätzliche Maßnahme, die nun eingeführt wird, ist die Schnelleingreiftruppe, die eingesetzt werden kann, wenn Fälle in einer Schule auftreten, und die bei Bedarf einzelne Schüler, eine Klasse oder wenn nötig die ganze Schule vor Ort testen kann. „Das ist eine der zusätzlichen Maßnahmen, die mir durchaus sinnvoll erscheint“, so Wilmes.

Jede neue Maßnahme wird einen Einfluss haben

Trotz aller Regelungen könne aber keine hundertprozentige Sicherheit an den Schulen gewährleistet werden. „Aber man sieht, dass das Ganze irgendwie vertretbar ist, basierend auf den Daten, die wir haben. In Ländern, wo die Schulen gar nicht richtig geöffnet hatten, da wird es nun viel schwieriger werden, Maßnahmen für die ,Rentrée‘ zu definieren.“

Der Lockdown habe einen Einfluss auf die Kinder gehabt. Das habe er auch an seinen eigenen Kindern gesehen. Sie durften nicht mit Gleichaltrigen spielen. „Das wird natürlich schon Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder haben. Wir müssen schauen, dass wir am Ende nicht von einer verlorenen Generation reden.“

Der Bericht soll, so die Ankündigung von Claude Meisch, laufend mit neuen Zahlen aktualisiert werden. Wilmes erwartet sich durch diese Aktualisierungen auch neue Erkenntnisse. „Jede neue Maßnahme, die jetzt ergriffen wird, wird auch einen Einfluss haben. Bei der nun neu aufgestellten Eingreiftruppe wird man feststellen, wie schnell das greift“, so der Professor. Durch diese Intervention sollen Infektionsherde sehr frühzeitig erkannt werden und eventuelle Infektionsketten, die dadurch entstehen könnten, frühzeitig unterbrochen werden. Laut Wilmes spielt hier die Schnelligkeit eine essenzielle Rolle.

Das sind Erfahrungen, die andere Länder nicht sammeln konnten

Prof. Paul Wilmes, Wissenschaftler und Taskforce-Mitverantwortlicher

Wenn Schnelligkeit so wichtig ist, wieso werden dann die doch eher langsamen PCR-Tests in Luxemburg eingesetzt? „In Phase 2 des Large Scale Testing wird es sich immer noch um RTQ-PCR-Tests handeln.“ Es gebe zwar auch Schnelltests, wie sie beispielsweise im Bundesstaat New York eingesetzt würden, doch fehle es diesen Tests an Sensitivität, also Zuverlässigkeit. Die Diskussionen zu falsch-negativen oder falsch-positiven Tests seien bekannt und wurden auch hierzulande geführt. „Ich bin froh, dass wir uns bei der Konzeption des Large Scale Testing auf die spezifischste und sensitivste Methode geeinigt haben.“ Dass dies nun etwas länger dauert, müsse man hinnehmen.

Zurzeit bereitet Wilmes zusammen mit anderen Wissenschaftlern eine wissenschaftliche Publikation vor, die auf den Daten des Luxemburger Berichts basiert. „Ich bin gerade dabei, die Publikation zu überlesen.“ Wilmes erklärt, dass Luxemburg international gesehen einmalige Erfahrungswerte habe, da es diese frühe zweite Welle bereits im Sommer hatte und man die Situation stets im Griff hatte. „Das sind Erfahrungen, die andere Länder nicht sammeln konnten.“ Daraus schließt der Forscher, dass die Maßnahmen, die Luxemburg in den Schulen anwendet, auch etwas mehr angepasst sein werden. „Wir haben aus dieser zweiten Welle, und das betrifft nicht nur die Schulen, insgesamt viel gelernt.“

Dany
12. September 2020 - 8.32

Wier emol schéin en Artikel mat Fakten ze liesen an net nëmmen Wahrscheinlechkeeten. Mee daat as wuel ze vill verlaangt vun eisen lëtzebuergesche Medien. Zitéiert emol onofhängeg Spezialisten déi net beaflosst sin. Daat as wuel net erwënscht

zyniker
10. September 2020 - 18.45

"Kinder und Jugendliche sind scheinbar nicht weniger gefährdet als Erwachsene" Dieser Titel schlägt vor daß der Virus bei Kindern genau so gefährlich ist als bei sehr alten und kranken Personen. Dem ist nicht so, deswegen ist er irreführend. Daß Kinder und Jugendliche im gleichen Masse angesteckt werden können ist seit 3 Monaten gewußt. Da gibt es eine Menge Artikel. Die Aussage “im Haushalt, in dem sie wohnen, angesteckt haben“ gilt auch für jedermann, der Grund ist einfach. In einem Haushalt hat sich einer angesteckt und zeigt wenig oder womöglich keine Symptome, danach können sich auch andere anstecken ohne daß es einer merkt. Die Taskforce hat nie erklären können wer sich zuerst angesteckt hat und das wäre wichtig gewesen denn nur so hätte man feststellen können welche Menschengruppen sich “einfacher“ infizieren und wo, die Viruslast ist sehr wichtig. Es ist abscheulich wie dieser Herr mit Kindern umzugehen droht. Panik mache ist eine Sache aber die Kinder die nicht einmal einen Husten davon bekommen in Mitleidenschaft zu ziehen ist unverzeilich.

Gross
10. September 2020 - 13.26

Ja, die haben auch Herzen, Adern und Venen die zerstört werden.

Jimbo
10. September 2020 - 9.58

Froen mech souwisou, wei een op dei dämlech Theorie komm ass? War dat just vir dLeit ze verarschen? Oder vir keng Panik ze verbreeden?

HTK
10. September 2020 - 9.21

Ich kann mir nicht helfen,aber irgendwie wußte man das doch.Wann war man früher "verschnupft" oder hatte gar eine Grippe? Sobald die Kinder aus den Schulen nach hause kamen.Wieso sollten sie das Virus nicht übertragen? Es geht doch darum,dass Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene weniger bis gar nicht krank werden.Das Durchschnittsalter bei den Todesfällen ist ebenfalls bekannt. Es gelten also die drei Hauptregeln,auch bei Kindern.Wobei das mit dem Abstand bei spielenden Kindern eher schwierig ist.Aber wenn wir den Kindern das Spielen verbieten müssen dann können wir uns auch gleich aufhängen. Wo bleibt der Impfstoff Jungs.Nun macht mal.....