EditorialKeine Superhelden: Sportler können gesellschaftlichen Diskurs beeinflussen

Editorial / Keine Superhelden: Sportler können gesellschaftlichen Diskurs beeinflussen
Die luxemburgische Tennisspielerin Mandy Minella ist sich ihrer Vorbildfunktion offenbar bewusst. Foto: Le Quotidien/Luis Mangorrinha

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die luxemburgische Tennisspielerin Mandy Minella scheint sich ihrer Vorbildfunktion als Sportlerin bewusst zu sein. Nun kann man darüber diskutieren, wieso Profisportler als Vorbild dienen sollen. Fakt ist jedenfalls, dass viele Menschen – vor allem junge – zu ihnen aufschauen. Und deswegen ist es durchaus von Bedeutung, dass Sportler zu wichtigen Themen Stellung beziehen.

Vor knapp drei Wochen, am 12. Juni, warb das Tageblatt für einen offeneren Umgang mit dem Thema Schmerzmittel. Grund war eine Recherche der ARD in Zusammenarbeit mit correctiv.org über den Gebrauch von Schmerzmitteln im deutschen Fußball. Von der ersten Bundesliga bis in die Kreisliga scheint gerne mal zur Pille gegriffen zu werden, manchmal auch exzessiv. Mandy Minella hat sich vergangene Woche im Tageblatt offen zum Thema geäußert, was alles andere als selbstverständlich ist. Oftmals wird gemauert, sobald versucht wird, einen Blick hinter die perfekte Fassade des Spitzensports zu werfen. Vor allem Verbände und Organisationen haben meist kein Interesse daran. Umso wichtiger ist es, dass Athleten und Athletinnen wie Minella sich zu Wort melden. Die Luxemburgerin erklärte, dass es ohne Schmerzmittel im Profi-Tennis nicht geht, sie mit dem Gebrauch aber sehr vorsichtig ist und sich der teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen bewusst ist. Es ist genau diese Offenheit von Sportlern, die das Potenzial hat, auch einen gesellschaftlichen Diskurs zu prägen und nebenbei Präventionsarbeit zu leisten.

Zu oft werden Sportler noch als unverwundbare Superhelden gesehen. Spielt ein Fußballer trotz Verletzung weiter, dann wird er für seinen vorbildlichen Einsatz gelobt, dass er seine Gesundheit aufs Spiel setzt, wird meist ignoriert. Darauf hat zuletzt auch Dr. Axel Urhausen im Tageblatt hingewiesen. Diese Heldengeschichten lassen sich gut vermarkten und da spielen auch die Medien eine wichtige Rolle. Wer will, dass der Hochleistungssport junge Leute inspirieren und quasi als Zugpferd für die gesamte Sportbewegung dienen soll, der kann ein solches Narrativ eigentlich nicht gutheißen.

Es braucht unbedingt ein differenzierteres Bild des Hochleistungssports. Die Athleten bringen viele Opfer, um es bis an die Spitze zu schaffen, auch gesundheitlicher Natur, wie unter anderem im Tageblatt-Gespräch mit Minella deutlich wird. So wie die luxemburgische Nummer eins im Tennis reden auch vermehrt andere Sportler über Themen, die vor nicht allzu langer Zeit noch als Tabu galten. Dabei zeigt sich, dass der Spitzensport einmal mehr ein Spiegelbild der Gesellschaft ist. Denn Themen wie Medikamentenmissbrauch, genau wie zum Beispiel sexualisierte Gewalt, betreffen eben nicht ausschließlich den Sport. Athleten, die diese Probleme ansprechen, erfüllen somit eine wichtige gesellschaftliche Rolle und werden den eigentlich übertrieben hohen Ansprüchen, die an sie gestellt werden, gerecht – auch abseits des Spielfeldes.