Kampf um Denkmalschutz: Eine positive Bilanz täuscht nicht über die fehlende Reform hinweg

Kampf um Denkmalschutz: Eine positive Bilanz täuscht nicht über die fehlende Reform hinweg
Die Villa Louvigny: ein prominentes Gebäude, das seit diesem Jahr unter Denkmalschutz steht

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Das Kulturministerium widerspricht einem Tageblatt Artikel, wonach der Denkmalschutz in der aktuellen Legislaturperiode schlechter gehandhabt wurde als in der Legislatur zuvor, und schickt neueste Zahlen. Allerdings ist auch die bessere Bilanz ohne neuen Denkmalschutz von geringem nachhaltigen Wert.

In der Tageblatt-Ausgabe vom 10. September stellte der Vizepräsident von „Sauvegarde du patrimoine“, Jochen Zenthöfer, der aktuellen Regierung eine niederschmetternde Bilanz in Sachen Denkmalschutz aus. Das angekündigte neue Kulturschutzgesetz sei ausgebremst worden – unter der DP-Führung seien weniger Gebäude unter nationalen Schutz gestellt worden als in der Legislaturperiode zuvor.

232 gegen 411 Gebäude

Das Kulturministerium zeigte sich von diesen Aussagen überrascht. Die Beamten haben jetzt noch einmal nachgerechnet und dem Tageblatt die aktuellen Zahlen zur Verfügung gestellt. Tatsächlich sind unter Kulturministerin Octavie Modert (CSV) im Zeitraum von Juni 2009 bis Oktober 2013 insgesamt 232 Gebäude unter Schutz gestellt worden – davon 88 als „Monument national“ und 144 als „Inventaire supplémentaire“. Die Gebäude mit „Monument national“-Schutz dürfen nur mit Genehmigung des Kulturministeriums baulich verändert werden.

„Inventaire supplémentaire“ bedeutet hingegen, dass das Kulturministerium lediglich über etwaige Modernisierungspläne oder sonstige Transformationen bis 30 Tage vor Baubeginn informiert werden muss. Sollten die Eigentümer ein solches Gebäude abreißen wollen, müsste der Kulturminister es innerhalb dieser 30-Tage-Frist als „monument national“ schützen – andernfalls könnte es tatsächlich zerstört werden.

Unter den beiden DP-Kulturministern Maggy Nagel und Xavier Bettel sind im Zeitraum von Oktober 2013 bis September 2018 hingegen 411 Gebäude unter Denkmalschutz gesetzt worden. Davon 148 Gebäude als „Monument national“ und 263 als „Inventaire supplémentaire“. Demnach sind es deutlich mehr als in der Legislaturperiode zuvor.

Jochen Zenthöfer nimmt diese Zahlen zur Kenntnis und verweist auf den letzten Stand der Daten des „Service des sites et monuments nationaux“, die für die „Sauvegarde du patrimoine“ verfügbar waren. Tatsächlich sind rund die Hälfte der Gebäude erst 2018 unter Schutz gestellt worden, was durch die rezente Zählung des Kulturministeriums erst ersichtlich wird. Zudem werden seit dieser Legislaturperiode Gebäude auf der Liste des „Service des sites et monuments nationaux“ vermerkt, die vorher noch anders geschützt waren. Das gilt etwa für 17 archäologische Objekte, aber auch für rund 20 Kirchen. So waren unter Modert die christlichen Bauwerke noch kirchenrechtlich geschützt. Seit der Trennung von Staat und Kirche sind sie nun auf der Liste des „Sites et monuments nationaux“ vermerkt. Zudem relativiert Zenthöfer seine eigene Vergleichsebene, da durch die vorgezogenen Neuwahlen von 2013 der Zeitraum der aktuellen Legislatur ein halbes Jahr länger war.

Jenseits der Faktenlage

Am qualitativen Problem eines fehlenden modernen Denkmalschutzgesetzes ändern diese Zahlen hingegen nichts. Denn entgegen der Ankündigung der Regierung ist bis heute kein Denkmalschutz bzw. Kulturschutzgesetz verabschiedet worden. Auf Nachfrage hin bleibt das Kulturministerium bei der Version, dass die Reform ins Stocken geriet, weil man nachträglich noch das immaterielle Kulturerbe unter Schutz stellen wollte. Aus einem reinen Denkmalschutzgesetz sollte also ein Kulturschutzgesetz werden.

Diese Deutung hält der Faktenlage jedoch nicht stand: Im Abschlussprotokoll der Arbeitsgruppe vom Juli 2015, das dem Tageblatt vorliegt, geht ausdrücklich bereits die Rede von einem „Patrimoine culturel immatériel“. Damit sind laut Dokument tradierte Bräuche gemeint wie etwa die „Oktav“, der „Hämmelsmarsch“, die „Éimaischen“ oder auch das „Buergbrennen“. Es handelt sich also um ein immaterielles Erbe, das gesetzlich unter Schutz gestellt werden soll.

Und im Abschlussprotokoll hält das Ministerium auch ein klares Zeitfenster für das Gesetz fest: „Le ministère de la Culture a l’intention de déposer avant la fin de cette année le projet de la nouvelle loi concernant la protection du patrimoine culturel.“

Das ist jedoch nicht geschehen – bis heute nicht. Aus dem Umfeld des Kulturministeriums heißt es, dass das Gesetz bewusst ausgebremst wurde – nicht nur von der DP, sondern von der gesamten Regierung. Auch das Innenministerium soll mit dem Argument der Gemeindeautonomie blockiert haben. Zudem ist von der Immobilienbranche, die strikt gegen die schützende Hand des Staates ist, weiter Druck aufgebaut worden. Und nachdem Maggy Nagel im Dezember 2015 abgesetzt und durch Xavier Bettel und Guy Arendt ersetzt wurde, habe ein Verfechter des neuen Gesetzes gefehlt. Das Fazit einer gut informierten Quelle lautet: Maggy Nagel hätte das Gesetz wohl durchgeboxt.