Österreich / Ibiza-Ausschuss endet als Farce – ÖVP-Verzögerungstaktik ging auf

„Nur Unterstellungen“: Kanzler Kurz (r.) und Anwalt Suppan bei einer Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses (Foto: dpa/Helmut Fohringer)
Eineinhalb Jahre nach dem Start findet der Ibiza-Untersuchungsausschuss heute ein unrühmliches Ende: Die letzte Sitzung muss ohne Auskunftspersonen auskommen, weil alle Geladenen kurzfristig abgesagt haben.
Eigentlich sollte ja die FPÖ im Zentrum dieser parlamentarischen Ermittlungen stehen. Schließlich hatte die heimlich auf Video gebannte Besprechung des im Mai 2019 zurückgetretenen FPÖ-Chefs und Vizekanzlers Heinz-Christian Strache mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin über Korruptionsmöglichkeiten in Österreich den Anstoß für den Ausschuss gegeben. Dieser firmierte dann auch in allen Medien als „Ibiza-Untersuchungsausschuss“.
Die offizielle Bezeichnung lautete freilich „Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“, was der Realität auch näher kam. Denn nicht der mittlerweile auf die Oppositionsbank verdrängten FPÖ galt das Hauptinteresse, sondern der Kanzlerpartei ÖVP. Den Unmut darüber versuchten die Christdemokraten nicht zu verbergen. Sie beklagten eine Wandlung des Ausschusses in ein Tribunal gegen die ÖVP und schreckten auch nicht vor Attacken auf die gegen mehrere Verdächtige mit ÖVP-Hintergrund ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zurück.
Papierene E-Mail-Flut
Aus türkiser Perspektive war die Gegenstrategie durchaus erfolgreich: Die monatelang hinausgezögerte Anlieferung von Akten aus dem Finanzministerium des Kanzler-Vertrauten Gernot Blümel trug zwar nicht zur Imagepolitur der ÖVP bei, erschwerte aber die Arbeit der oppositionellen Abgeordneten im Ausschuss massiv. In einem beispiellosen Vorgang machte der Verfassungsgerichtshof Bundespräsident Alexander van der Bellen zum Exekutor, der die Aktenlieferung durch den selbst unter dem Verdacht der Bestechlichkeit stehenden Finanzminister erzwingen musste. Geliefert wurden dann im Mai zwar tausende E-Mails, allerdings nicht digital, sondern ausgedruckt auf Papier. Das erschwerte die Suche nach Trigger-Wörtern, weil ohne elektronisches Textscreening alle Dokumente gelesen werden mussten.
Letztlich stelle sich heraus, dass trotz Einsatz des Bundespräsidenten die Aktenlieferung noch immer unvollständig war. Van der Bellen musste noch mal ran und eine Richterin ins Finanzministerium schicken. Diese übergab dem Untersuchungsausschuss kurz vor dessen Ende ein weiteres Aktenkonvolut, aus denen SPÖ-Fraktionsführer Jan Kai Krainer eine Erhärtung von Verdachtslagen herauslas. Es gäbe Hunderte bisher noch nicht bekannte E-Mails, Kalendereinträge und Konzepte, die Blümel dem Ausschuss vorenthalten hatte, so Krainer.
Auch dazu sollten heute fünf Auskunftspersonen befragt werden. Alle haben jedoch so kurzfristig abgesagt, dass keine Ersatzpersonen mehr eingeladen werden konnten. Ex-FPÖ-Chef Strache, der schon seinen für 1. Juli vorgesehenen Auftritt wegen eines Bootsunfalles in Kroatien platzen ließ, wurde plötzlich krank. Der wegen ebenso entlarvender wie peinlicher Chats bereits als Chef der Staatsholding ÖBAG zurückgetretene Thomas Schmid ist untergetaucht. Ein Top-Manager war auch mit bis 3.500 Euro Beugestrafe nicht vor den Ausschuss zu bringen.
FPÖler löst Corona-Cluster aus
Damit wird die heutige Schlusssitzung zur Farce: Der Ausschuss tagt zwar, kann aber niemanden mehr befragen. Zudem ist die Zahl der Ausschussmitglieder geschrumpft. Der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker war vorvorigen Freitag positiv auf Corona getestet worden, teilte dies der Parlamentsdirektion aber erst am Montag mit. 39 Abgeordnete und Parlamentsmitarbeiter mussten daraufhin in zweiwöchige Quarantäne.
Die verhinderten Befragungen können nicht nachgeholt werden. Denn Bundeskanzler Sebastian Kurz hat eine Verlängerung des Ausschusses abgelehnt, weil man dort seiner Ansicht nach nur „mit Untergriffen und Unterstellungen konfrontiert“ werde. Der grüne Koalitionspartner erwies sich einmal mehr als koalitionstreu bis zur Selbstverleugnung. Die einst als knallharte Kontrolleure der Mächtigen angetretenen Grünen blockierten gemeinsam mit den Türkisen eine Verlängerung des Ausschusses. Zwar könnte die Opposition im Herbst ihr Minderheitenrecht auf Einsetzung eines neuen Ibiza-Ausschusses nutzen, doch das Spiel würde dann von vorn beginnen. Alle bisher mühsam erstrittenen Dokumente müssen nämlich nun geschreddert und für einen Nachfolgeausschuss erneut angefordert werden.
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