Serie / Historisches und architektonisches Esch: Turm des Berwart-Schlosses
Der Schlassgoart genannte Ort, der Turm mit der Inschrift 1721 und einige seltene Skulpturen erinnern heute an die ehemalige Burganlage von Esch/Alzette. Die Geschichte des Turms wird auf einigen wenigen Tafeln entlang des Teiches hinter den neuen Gebäuden von ArcelorMittal dargestellt.
Die erste hier errichtete Burg (Berwart I) wäre aus dem 13. Jahrhundert. Als befestigte Wasserburg, umgeben von breiten Wassergräben, in der Nähe der Alzette, und als Beobachtungsposten an der strategisch wichtigen Grenzstraße Luxemburg-Bar konzipiert, wurde das Anwesen von den Herren von Berwart, adligen Vasallen der Grafen von Luxemburg, angelegt. Die Berwart-Dynastie verschwand am Ende des 14. Jahrhunderts.
Im 16. Jahrhundert gingen die Herrschaft und die (zerfallene) Burg in die Hände der Grafen von Schauwenburg über, einer Familie des alten Militäradels aus dem Elsass, die im Dienste der Habsburger stand. Die von Schauwenburg hatten Herrschaften in Preisch, Bertrange und Schüttburg und waren Pröpste in Diedenhofen (Thionville). Mehrere Mitglieder der Familie Schauwenburg bekleideten in Abwesenheit des Gouverneurs auch das Amt des stellvertretenden Gouverneurs des Herzogtums Luxemburg, Provinz der Niederlande. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde das Anwesen von der Familie Schauwenburg wiederhergestellt und in ein modernes Schloss (Berwart II) umgewandelt. Eine weitere Restaurationskampagne wird um 1721-1724 bescheinigt, als der einzige heute noch existierende Turm des Schlosses restauriert wurde.
Der Turm ist jedoch älter und wurde, so der Historiker René Klein, auf den Fundamenten des Wachturms, der so genannten „tour carrée“ (eckiger Turm), aus dem 14. Jahrhundert erbaut. 1763 wurde das Schloss unter der Leitung von Anton-Joseph von Schauwenburg und seiner Frau Marie-Antoinette-Elisabeth von Zuckmantel erneut restauriert und der Schlosspark neu gestaltet (Berwart III). Das Schloss und seine Nebengebäude bildeten einen Komplex, der von einem Wassergraben umgeben war. Die Ferraris-Karte (1771-1778) vermittelt einen guten Eindruck vom Schloss und seiner Umgebung, einschließlich der herrschaftlichen Mühle. Zu diesem Gelände hatte der Ort Esch weder Zugangs- noch verfügte er über andere Rechte. Das barocke Schloss überblickte den Innenhof und bestand aus einem zentralen Gebäude, das von zwei Vorbauten flankiert wurde.
Im Jahr 1794 wurde die Burg von französischen Truppen geplündert und anschließend wieder restauriert. Charles de Schauwenbourg verkaufte das Schloss um 1808 an den Grafen von Avieuville aus dem französischen Nachbarort Villerupt. Nach der Übernahme des Guts durch verschiedene Eigentümer begann ein neues Kapitel seiner Geschichte, als 1869 das Eisenhüttenunternehmen Metz et Cie, Forges d’Eich das Schloss mitsamt 23 Hektar Land, dem ganzen Schlassgoart, erwarb. Das Schloss wurde restauriert und die Familien der Hüttenbesitzer Léon Metz und Hubert Müller-Tesch zogen in das prestigeträchtige Gebäude ein: Die Industrieunternehmer lösten die Feudalherren ab. Die Nebengebäude wurden in Wohnungen für Arbeiter umgewandelt. Sie waren in Schlafsälen mit 130 Betten untergebracht, was ihnen den Namen „Metzekasären“ (Metz-Kasernen) einbrachte.
Von 1873 bis 1912 waren in den Nebengebäuden auch das Werkslabor und von 1875 bis 1907 Grundschulklassen untergebracht. Um den Bedürfnissen der beiden bürgerlichen Familien gerecht zu werden, wurde das Hauptgebäude um ein Stockwerk erhöht und der Graben zugeschüttet. Der zentrale, leicht vorstehende Teil der Fassade war von einem dreieckigen Giebel gekrönt und mit Kartuschen und Wappen verziert. Nach einem Brand im Jahr 1905 verlieh der Architekt Paul Flesch dem Schloss ein Mansardendach. Das Haus blieb bis zum Tod von Léon Metz im Jahr 1928 bewohnt.
Danach erfuhr das Gebäude zahlreiche Beschädigungen und Umbauten. Während des Zweiten Weltkriegs waren in den Baulichkeiten Zwangsarbeiter, die vom Nazi-Regime deportiert worden waren, die sogenannten „Ostarbeiter“, untergebracht.
Im Jahr 1956 wurde das Herrenhaus des Schlosses abgerissen. Die Nebengebäude beherbergten weiterhin die Familien der für die ARBED tätigen Arbeiter. 1972 wurden die restlichen Gebäude beim Bau des neuen ARBED-Forschungszentrums, das 1973 eingeweiht wurde, mit Ausnahme des Turms, dem Erdboden gleichgemacht. 1994 wurde der Turm, der dank des Engagements des Kunstlehrers am Escher Lycée des Garçons Ad Deville gerettet werden konnte, restauriert und in die Architektur des neuen Verwaltungsgebäudes der ARBED des deutschen Architekten Gottfried Böhm integriert. Der Turm stellt das letzte Überbleibsel der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte der Stadt Esch/Alzette dar.
Die Serie
Von April bis Juli 2020 lädt das Tageblatt seine Leser zu einem Spaziergang durch die Geschichte einer außergewöhnlichen Stadt ein: Esch/Alzette, Hauptstadt des luxemburgischen Erzbeckens. Als Vorschau auf die Veröffentlichung des „Guide historique et architectural Esch-sur-Alzette“ im Juli 2020 stellt das Tageblatt jeden Tag eines der rund 150 für das Buch ausgewählten Gebäude vor. Georges Büchler, Jean Goedert, Antoinette Lorang, Antoinette Reuter und Denis Scuto sind die Autoren. Die Fotos stammen von Christof Weber. Der Stadtführer wird vom Luxembourg Centre for Contemporary History (C2DH) und der Gemeinde Esch herausgegeben und vom Verlag capybarabooks veröffentlicht. Die Texte und Fotos stellen nicht nur die verschiedenen Architekturstile vor, sondern gehen auch auf den historischen Kontext der Wohn- und Geschäftshäuser, Verwaltungs-, Industrie-, Sakral- und Kulturbauten ein. Die Herangehensweise ist chronologisch: Gezeigt werden Gebäude aus dem 18. Jahrhundert bis heute, vom Turm des Berwart-Schlosses zur Cité des Sciences, von Al Esch zu den Nonnewisen, vom Friedhof Sankt Joseph zum Café Pitcher. Der Führer beschreibt die Entwicklung der Stadt Esch und ihres Kulturerbes nicht nur aus der Perspektive der Kunst-, Architektur- und Urbanismusgeschichte, sondern auch aus jener der Sozial- und Industriegeschichte.
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Dieser geschichtsträchtige Turm ist natürlich auch ein altes Bauwerk und gehörte, der Logik verschiedener Kommentatoren zufolge abgerissen. So ist nun einmal die Mentalität diverser Leute, die sich fortschrittlich geben wollen und das Kind mit dem Bade ausschütten. Es gibt nichts, das nicht vergänglich wäre, aber historisch relevante und interessante Bauzeugen sollten so lange wie nur möglich erhalten bleiben. Sie sind Geschichte, Kunst und Kultur in einem.