MedienHat Belgien von einer luxemburgischen  Briefkastenfirma giftige Masken erhalten?

Medien / Hat Belgien von einer luxemburgischen  Briefkastenfirma giftige Masken erhalten?
Alles im Kasten: Ein belgischer TV-Journalist auf Spurensuche in Luxemburg Foto: Screenshot RTBF

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Eine junge Firma aus Luxemburg, der man das vielleicht nicht auf den ersten Blick zugetraut hätte, durfte 2020 den belgischen Staat mit Alltagsmasken für dessen Bürger versorgen. Was seinerzeit schon kontrovers diskutiert wurde, kocht jetzt wieder hoch: Der aus Vietnam stammende Schutz fürs Gesicht soll Schadstoffe enthalten. 

Der Deal war ohnehin umstritten: Als die belgische Regierung kurz nach Beginn der Pandemie 2020 einen Lieferanten für Masken suchte, die man der Bevölkerung zur Verfügung stellen wollte, gewann die Ausschreibung ausgerechnet ein Unternehmen aus Luxemburg, das sich bis dahin auch hierzulande kaum profiliert hatte – schon gar nicht als Hersteller oder Lieferant für Medizinprodukte. Der erste Geschäftszweck, für den „Avrox“ im März 2017 begründet wurde, war vielmehr „Vermietung und Leasing von Autos und leichten Kraftfahrzeugen“.

Abgesehen davon war auch rätselhaft, wie das junge Unternehmen, das in seiner ersten Bilanz gerade einmal etwas mehr als 60.000 Euro auswies, die zum größten Teil aus Anlagevermögen stammten, überhaupt die Vorgaben des belgischen Staates erfüllen konnte, die in der Ausschreibung formuliert waren. Unter anderem sollte belegt werden, dass man in der Vergangenheit eine Lieferung über 250.000 Atemmasken bewerkstelligt hatte.

Die Berichte, die etwa der öffentlich-rechtliche Sender RTBF und Le Figaro erstellten, sind voller grotesker Details, die nahelegen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht: Etablierte Lieferanten von medizinischen Masken zeigen wütend ihre gescheiterten Bewerbungen um den Auftrag, samt einwandfreier Referenzen – während Laurent Hericord, einer der Gesellschafter von Avrox, vor der Kamera seine bisherigen Erfahrungen im Maskenwesen kurzerhand zum Geschäftsgeheimnis erklärt. Auch bei der belgischen Armee, die die gesamte Operation beheimatet, erhalten die Reporter keine Auskünfte: „Nur weil das ein öffentlicher Auftrag ist, heißt das nicht, dass alle Details öffentlich werden“, wird den Journalisten aus Gesichtern beschieden, die durchaus nervöse Mienen tragen.

Briefkasten für 40 Firmen

Ein Reporter, der sich die Niederlassung von Avrox genauer ansehen will, staunt nicht schlecht, als er in dörflicher Umgebung erst vor einer Kuh und dann vor einem dieser Briefkästen steht, wie man sie so oft sieht in dem Land, das angeblich keine Steueroase ist: Da steht „Avrox“ nur als eine von 40 Namen auf ein und demselben Kasten. Das erwähnte Interview, in dem ein Reporter Hericord nicht entlocken kann, wem er bereits eine Viertelmillion Masken geliefert haben will, muss in einem Café stattfinden.

„Wir sind kein Lagerhalter, sondern ein Lieferant“, beantwortet die Firma auf ihrer Website, die immerhin keine Leihwagen abbildet, die wie eine luxemburgische Kuh im Raum stehende Frage nach diesen Zuständen. Und immerhin: 15 Millionen Masken, die nicht einmal besonders günstig waren, treffen dann auch tatsächlich in Belgien ein, wenn auch verspätet. Zwölf Millionen Stück werden an die Apotheken verteilt, doch bis heute liegen dort offenbar immer noch mehrere Millionen Exemplare – obwohl sie doch kostenlos an die Bürger abgegeben werden.

Wischiwaschi: In dieser Gebrauchsanweisung heißt es weiterhin klar: „Keine Maschinen-Wäsche“
Wischiwaschi: In dieser Gebrauchsanweisung heißt es weiterhin klar: „Keine Maschinen-Wäsche“ Foto: Screenshot

Allerdings scheinen diese kein so großes Vertrauen in das Produkt zu haben – schließlich gab es weitere Merkwürdigkeiten: So sollte die Maske laut Ausschreibung bis 60 Grad in der Maschine zu waschen sein, während bekannt wurde, dass die „Avrox“-Maske aus Vietnam (Modell M-DOX-A1) nur bei 30 Grad per Hand zu waschen sei. Später wandelten sich sowohl Ausschreibung als auch Beipackzettel derart, dass es doch passte: Die Maske könne auch in der Maschine gewaschen werden, versicherte man vonseiten der Firma Avrox, das sei auch nie anders gewesen, nur habe man nicht danach gefragt. (Eine immer noch im Netz befindliche Gebrauchsanweisung sagt nach wie vor: nur Handwäsche.)

Geheimer Bericht geleakt

Was nun aber dafür gesorgt haben dürfte, dass nach wie vor Millionen der Masken, die immerhin umsonst herausgegeben werden, in belgischen Apotheken weiter auf Abholung warten, sind mögliche Schadstoffe darin. Entsprechende Berichte gab es schon früher, doch am Mittwoch erhielten sie neuen Auftrieb. Da zitierte RTBF aus einem vertraulichen Bericht des Gesundheitsinstituts Sciensano: Demzufolge enthalten die Masken aus Luxemburg, beziehungsweise Vietnam, Nanopartikel aus Silber und Titandioxid, die negative Auswirkungen auf die Atemwege haben können. Die Silberpartikel werden wegen ihrer bioziden Eigenschaften genutzt, das Titandioxid zum Färben. Als Weißpigment ist es sogar in Lebensmitteln zulässig (E171). Sciensano kommentiert den Leak ihres vertraulichen Berichts lieber zurückhaltend: „Die aktuellen Ergebnisse lassen keine Beurteilung zu, ob diese Nanopartikel tatsächlich aus den Masken freigesetzt werden und in welchem Umfang die Anwender ihnen ausgesetzt sind. Dies sind die ersten Ergebnisse der ersten Phase der Studie und es ist wichtig, diese mit Vorsicht zu interpretieren.“

So anrüchig das Zustandekommen des Deals mit der jungen Firma aus Luxemburg auch sein mag, die Diskussion darum dürfte in Belgien noch nicht vorbei sein, so fraglich ist es doch, ob das mögliche Vorhandensein von Schadstoffen in Atemmasken überhaupt ungewöhnlich wäre.

Experte: „Gift in Masken ganz normal“

In Deutschland befasst sich der deutsche Verfahrenstechniker und Chemiker Prof. Dr. Michael Braungart seit Jahrzehnten mit Schadstoffen – und hat sich auch die allgegenwärtigen Masken längst genauer angesehen. „Wir mussten schon feststellen, dass viele giftige Desinfektionsmittel auf dem Markt sind, die etwa Formaldehyd enthalten“, erklärt der wissenschaftliche Leiter des Hamburger Umweltinstituts. Bei den Masken sei zuerst aufgefallen, dass diese „ganz beträchtliche Mengen an Mikroplastik abgeben“. 

Prof. Dr. Michael Braungart
Prof. Dr. Michael Braungart Foto: DPA

Die inzwischen immer häufiger zu sehenden FFP2-Masken seien niemals für den Gesundheitsbereich entwickelt worden, sondern seien ja im Prinzip „Baumarktmaterial“ – und gesundheitsschädliche Substanzen in Masken eher die Regel: „Sie kriegen auch beim Discounter Masken, die mit Silber getränkt sind!“ Trotz persönlicher Versuche habe er die Märkte nicht davon abbringen können, die Masken zu verkaufen.

Die unangebrachte Nutzung von Titandioxid ärgere ihn besonders: „Viele Leute können bei Hüftoperationen nicht mehr das richtige Material bekommen, weil sie eine Titan-Allergie entwickeln dadurch“, ist Braungart überzeugt.

Viele der enthaltenen Substanzen seien jedenfalls hoch-reaktiv – und mutagen: „Wir züchten uns die Virus-Mutationen damit förmlich heran“, ärgert sich Braungart – und dass es im Westen praktisch keine Qualitätssicherung gebe. „Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir plädieren natürlich auf jeden Fall dafür, Masken zu tragen gegen die Pandemie“, stellt der Wissenschaftler klar. Allerdings sei der Markt völlig unübersichtlich, alleine in Asien gebe es zweieinhalbtausend Hersteller von Masken – aber eine umfassende Umwelt- und Gesundheitsdiskussion sei dort kaum bekannt. „Das ist denen auch nicht vorzuwerfen, aber wir reden doch seit Jahrzehnten über den Weltuntergang.“ Weil er der Industrie zeigen wollte, dass es geht, hat Braungart mit Studenten eine gemeinnützige Firma gegründet, deren Beratung inzwischen zur Entwicklung einer schadstofffreien Maske geführt hat – die sogar komplett biologisch abbaubar ist.

Eine schriftliche Anfrage an die Firma Avrox SA blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Grober J-P.
25. Februar 2021 - 11.33

Briefkastenfirma, Autovermietung und dann Maskenverkauf. Was macht der Herr Hericord denn noch, etwa Fastfood? Histoire belge oder mafiöse Geschäfte? Es wird wieder spannend.

Leila
25. Februar 2021 - 10.01

Das sind dann jene, die als glorreiche Gewinner (und Millionäre wenn nicht mehr) aus der Pandemie hervor gehen und von Unwissenden und Naiven bewundert werden! Ein Glück für die Welt, dass es Journalisten gibt, ohne sie würden große Betrügereien noch mehr überhand nehmen, als es schon der Fall ist. Das Impressum habe ich auf ihrer Website (Papier ist geduldig) vergebens gesucht oder glatt übersehen.