ÖsterreichGrüne machen Weg für Koalition mit ÖVP frei

Österreich / Grüne machen Weg für Koalition mit ÖVP frei
Parteichef Werner Kogler und (auf dem Foto im Hintergrund) Ulrike Lunacek, Alma Zadic, Leonore Gewessler und Rudolf Anschober bilden die grüne Ministerriege in der neuen Koalition in Wien Foto: Barbara Gindl/APA/AFP

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Der Angelobung der ÖVP-Grünen-Regierung in Wien am Mittwoch steht nichts mehr im Weg: Beide Parteien haben den Pakt abgesegnet.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Was bei der ihrem Messias Sebastian Kurz zu Füßen liegenden ÖVP nur eine vom Parteivorstand am Freitag einstimmig erledigte Formsache war, sorgte bei den Grünen doch für einige Nervosität. Zwar galt eine Ablehnung des Koalitionspaktes durch den Grünen-Bundeskongress in Salzburg am Samstag als ausgeschlossen, aber auf einigen Gegenwind hatte sich Parteichef Werner Kogler schon eingestellt.

Denn ungeachtet durchaus ambitionierter Klimaschutzziele enthält das Abkommen mit der ÖVP in den Bereichen Sicherheit und Migration einige für Grüne schwer verdauliche Kröten. Da zudem Parteidisziplin keine grüne Tugend ist, baute Kogler dem erwarteten Widerstand mit dem Hinweis vor, kein „nordkoreanisches Ergebnis“ zu erwarten. Umso überraschender dann das tatsächlich fast nordkoreanische Ergebnis: 93,2 Prozent der Delegierten votierten für den Koalitionsvertrag, gar 99,2 Prozent gaben dem grünen Regierungsteam ihren Sanktus.

Das grellgrüne Licht für das Bündnis mit den Türkisen ist jedoch alles andere als Ausdruck heller Begeisterung. Die der Abstimmung vorangegangene Debatte war nämlich nicht gerade von Euphorie geprägt. Mehrere Delegierte machten deutlich, nur aus pragmatischen Gründen zustimmen zu wollen. So verband die Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EU-Parlament, Monika Vana, ihr Ja zum Regierungsabkommen mit dem Bekenntnis, „keine Freundin dieser türkis-grünen Koalition“ zu sein.

Auch Parteichef Kogler räumte mit aufgekrempelten Hemdsärmeln auf der Bühne ein, dass der angestrebte Weg ein „Risiko“ sei, aber „es geht um Realpolitik und Verantwortung“.

Ja zu einem „Blender“?

Dieses realpolitische Verantwortungsbewusstsein bedingt allerdings viele Opfer. Als Preis für tatsächlich ehrgeizige Klimaschutzziele und eine Art Umwelt-Superministerium müssen die Grünen bis vor Kurzem noch scharf attackierte Projekte mittragen. Die Präventivhaft, eine Idee des früheren FPÖ-Innenministers Herbert Kickl, soll nun ebenso kommen wie eine Ausweitung des Kopftuchverbotes in Schulen auf Mädchen von derzeit 10 auf 14 Jahre. Im Fall eines neuen Flüchtlingsansturms darf sich die ÖVP sogar Mehrheiten mit anderen Parteien, also der FPÖ, suchen.

Und wer hier im Salzburger Congress-Zentrum ist schon glücklich darüber, Kurz zum Kanzler-Comeback zu verhelfen: Der ÖVP-Chef sei ein „Blender“ und „autoritärer Machtpolitiker“, begründet Flora Lebloch von der Grünen Jugend ihr Nein. So hatte das auch Kogler früher gesehen. Wahrscheinlich sieht er es auch heute noch so. Nur sagt es der Vizekanzler in spe nun nicht mehr, sondern konzentriert sich auf sein Hauptargument: „Es macht einen Unterschied, ob Türkis mit Grün regiert oder mit Blau.“ Es geht also darum, dass die Grünen eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition verhindern müssen.

Ein ur-grünes Projekt

Das ist der kleinste gemeinsame Nenner, mit dem die Grünen sogar irgendwie zu ihren Wurzeln zurückkehren: Sie sind entstanden aus einer Vielzahl von Initiativen, die irgendetwas verhindern wollten. Früher ging es gegen ein Atomkraftwerk, gegen Autobahnprojekte oder gegen die Zerstörung von Donauauen. Jetzt geht es um die Verhinderung eines Triumphs der Ibiza-Skandalpartei. Nur 18 der 274 Delegierten konnten dieser Logik nicht folgen. Ihr Bauchweh war größer als der neue grüne Pragmatismus.

J.Scholer
6. Januar 2020 - 14.22

Eine politische Konstellation , die so in der Gründerzeit wie allerdings auch ein grüner Armeeminister, unvorstellbar gewesen wären.Solche Kehrtwendungen braucht man nicht zu kommentieren, „ ass den Ruff ruinéiert, liewt et sech ongenéiert. »