Frauen sind keine Kriegswaffen: Zweitägiges Forum sucht nach Lösungen

Frauen sind keine Kriegswaffen: Zweitägiges Forum sucht nach Lösungen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Forum Stand Speak Rise Up! ist etwas ganz Besonderes. Es ist nicht nur das erste seiner Art. Es behandelt vor allem ein sehr sensibles Thema: sexuelle Gewalt als Kriegswaffe. Luxemburgs Großherzogin Maria Teresa sieht sich dazu berufen, sich dem Kampf gegen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe anzuschließen. Sie hat ein zweitägiges Forum mit hochkarätiger Gästeliste organisiert.

Gleich drei Friedensnobelpreisträger(innen), Nadia Murad, Dr. Denis Mukwege und Muhammad Yunus, sind eingeladen. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen die „Survivors“, also jene Frauen, die als Kriegswaffe missbraucht wurden. „Ich habe diese Konferenz mit ihnen und für sie organisiert“, sagt Großherzogin Maria Teresa. Die „Survivors“ erzählen vor mehreren hundert Menschen im European Convention Center auf Kirchberg ihre Geschichte. Es sind Aussagen von brutalen Vergewaltigungen und ihren Folgen, die die Frauen bis heute mit sich tragen müssen.

Laut Maria Teresa gibt es einen hohen Anstieg von sexuellen Übergriffen als Kriegswaffe in Konfliktzonen. „Sie breiten sich wie eine Epidemie in allen Kriegen und fragilen Zonen auf der Welt aus.“ Die sexuelle Gewalt ist Teil einer Kriegsstrategie und gilt als Massenvernichtungswaffe. Sie ist programmiert wie eine Bombardierung mit einem einzigen Ziel: terrorisieren und erniedrigen. Die Großherzogin sagt, dass diese Kriege oft unsichtbar sind. Weil die Opfer in ihrer Scham schweigen. Aus Angst vor Vergeltung oder aus Furcht vor der Stigmatisierung ihrer Familie.

Nadia Murad, Friedensnobelpreisträgerin von 2018, sagt, dass ihre Peiniger immer noch frei herumlaufen. Und dass sie andere jesidische Frauen immer noch gefangen halten. Sie ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, Gerechtigkeit einzufordern und den Tätern den Prozess zu machen. Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel formuliert es so: „Die Tatsache, dass viele Täter niemals verurteilt werden, bestraft das Opfer ein zweites Mal.“ Im gleichen Zuge erinnert Bettel daran, dass Luxemburg sich durch zahlreiche internationale Konventionen für die Rechte der Frauen und juristische Gerechtigkeit einsetzt.

Wieso lache ich?

Eine andere „Survivor“, eine Frau aus Irak, sagt: „Wieso lache ich? Weil ihr mir ein Gefühl von Menschlichkeit vermittelt.“ Applaus aus dem Saal. Sie war Opfer der Terrormiliz Islamischer Staat. Sie sieht sich als Repräsentantin der Iraker und sagt, dass 3.000 Menschen verschwunden seien. Ihr Anliegen ist es, die Kinder, die ihnen abgenommen wurden und jetzt in IS-Familien leben, dort wieder herauszuholen. „Wenn ich von euch eine Genehmigung bekomme, dies zu tun, dann habe ich keine Angst, und werde die Kinder da rausholen.“ In ihrer Stimme hört man die Verzweiflung, aber vor allem die Wut auf die Ungerechtigkeit. Sie sagt, dass 1.700 Menschen dort psychische und physische Hilfe brauchen. Und Wohnraum. Jesidinnen leben in Zeltlagern. „Jedes Mal, wenn ein Zelt brennt, stirbt ein Kind, eine Frau oder ein junger Mann. Wie lange noch?“ Sie sagt, dass sie nicht genug Worte hat, um den Schmerz zu beschreiben. „Eure Menschlichkeit ist unsere Hoffnung.“

Dr. Denis Mukwege, der im selben Jahr wie Nadia Murad den Friedensnobelpreis bekam, sieht die sexuelle Gewalt in Konflikten als einen Ausdruck von Macht, Dominanz, Diskriminierung und Demütigung im patriarchalischen System, das seit Jahrhunderten währt. Jene, die solche Straftaten begehen, seien nur eine Minderheit in unserer Gesellschaft, sagt Mukwege. „Männer, die wirklich lieben können und ihre Familie beschützen, schweigen oft gegenüber der Barbarei der Minderheit, was sie zu Komplizen macht. Erziehung ist deshalb das Allerwichtigste. Wir sollten unsere Kinder zur positiven Männlichkeit initiieren, von der Wiege bis zum Erwachsenenalter.“

Mukwege macht einen Appell an die Staaten und die internationale Gemeinschaft. Sie sollen eine rote Linie ziehen gegen die Anwendung von sexueller Gewalt als Kriegswaffe. Beim Überschreiten dieser roten Linie sollten den Staaten wirtschaftliche und politische Sanktionen blühen und den Tätern eine Strafverfolgung. „Wir können das verhindern, aber wir müssen dafür kämpfen.“

Philip Grant, Direktor von der NGO Trial, sagt, dass die rote Linie, juristisch gesehen, in Wirklichkeit bereits existiere. Sie sei manchmal sehr dünn und kaum wahrnehmbar. Aber sie existiere. Man sollte einen großen Marker herausnehmen und genau einzeichnen, was akzeptiert wird und was nicht. Darum schlägt er eine starke internationale Initiative vor, die wenig kostet. „Wieso nimmt nicht ein Staat, wie zum Beispiel Luxemburg, die Initiative? Oder eine Gruppe von Staaten?“ Dieser Staat sollte bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen den internationalen Gerichtshof ansuchen, dass diese ein vollständiges konsultatives Urteil zu den Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf Prävention, Repression und Wiedergutmachung von sexueller Gewalt als Kriegswaffe fällen. Das Gericht könnte einschreiten, wenn eine Stigmatisierung vorliegt. Wie zum Beispiel die Gesetze aufzuheben, die die „Survivors“ als Ehebrecherinnen darstellen. Oder solche Gesetze, die besagen, dass die Aussage einer Frau im Zeugenstand nicht den gleichen Wert hat wie jene eines Mannes. Auch in Sachen Wiedergutmachung könnte das Gericht festlegen, welches Minimum die Staaten bereitstellen müssen. „Wäre es nicht faszinierend, wenn das Oberste Gericht auf der Welt endlich eine Definition festlegen würde, was die Staaten dürfen und was nicht?“

Im Laufe des Workshops zu Justizfragen wurde klar, dass sich einige Sachen bewegen. Grant sagt, dass viele NGO engagiert sind, die Mentalitäten sich ändern, starke Gespräche geführt werden und Gerichtsverfahren laufen. „Verurteilungen finden manchmal statt. Aber die Staaten tun noch nicht genug.“ Deshalb will Grant die Strukturen stärken, um die sexuelle Gewalt in Konflikten zu verfolgen. Er fordert eine „War Crimes Unit“. Diese soll aus Staatsanwälten, Ermittlern, Polizei und anderen Experten bestehen.

Unsere Hypokrisie

„Wir müssen auch vor unserer eigenen Tür fegen“, sagt Grant. Die Hypokrisie bestehe darin, dass wir sagen, dass man diese Gewalttaten verurteilen sollte, aber andererseits Waffen in diese Konfliktregionen exportiere. Daneben plündere der Westen Bodenschätze. „Das muss aufhören“, so Grant. Positives Beispiel: „Meine Organisation unterstützt den Fall einer Survivor aus Bosnien, die im Alter von 16 Jahren vergewaltigt wurde, seit Jahren. Einer der Täter wurde vergangenen Freitag in Sarajevo vor Gericht zu zwölf Jahren Haft verurteilt.“

Der luxemburgisch-französische Professor François Heisbourg macht den Vergleich mit dem Krieg von Troja vor 3.000 Jahren. Und zieht die Schlussfolgerung: Die Rolle und der Platz der sexuellen Gewalt im Krieg ist so alt wie die Geschichte. Die rezenten Änderungen lassen Hoffnung schöpfen und öffnen die Tür für effiziente Aktionen, von denen die Frauen in Troja und anderswo nur träumen konnten.

Bei dem Forum sollen vor allem Lösungswege erörtert werden. Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger von 2006, sagt, dass das über Jahre gesammelte Wissen nun hier zusammenläuft. Eine Route wird definiert und präzise Fragen werden formuliert. Spätere Foren dieser Art sollten folgen. Und spezifischer werden. Es muss nicht immer Luxemburg sein. Es könnte auch in anderen Städten stattfinden, und immer wieder auch in Luxemburg. Da das Großherzogtum ein Finanzplatz ist, schlägt Yunus vor, einen „sozialen Business-Fonds“ für „Survivors“ einzurichten. Auch hält er die Möglichkeit eines Bankenzentrums mit speziellen Paketen für „Survivors“ für sinnvoll.

Lob für Maria Teresa kommt von Jean Asselborn: „Madame, Sie haben gezeigt, dass Luxemburg nicht nur der Platz der Finanzen (auch wenn uns das Geld nicht gehört) ist, sondern Luxemburg auch ein Herz hat. Sie haben gezeigt, dass wir fähig sind, etwas Gutes zu tun.“

Luxemburg ist eines der Länder, das sich eingesetzt hat, damit die Straflosigkeit aufhört. Asselborn erzählt von seinen zahlreichen Besuchen in Flüchtlingscamps, wo ihm immer wieder die Augen der Frauen und Kinder aufgefallen sind. „Die Augen der Kinder strahlen eine enorme Traurigkeit aus, in jenen der Frauen sieht man, dass sie verletzt sind, aber auch, dass sie nicht aufgeben wollen, für ihre Kinder. Wir haben aus Europa eine Festung gemacht, aber keine Möglichkeit für legale Migration gelassen. Das ist die große Herausforderung. Wir müssen alles tun, damit der internationale Strafgerichtshof ohne Druck funktionieren kann.“

Das Rote Kreuz Luxemburg unterstützt die Entwicklung der Aktivitäten des Panzi Hospital, in dem Dr. Mukwege arbeitet. Am Mittwoch wurde eine Absichtserklärung zwischen dem Roten Kreuz Luxemburg und Dr. Mukwege zur Erweiterung und Modernisierung des Spitals unterschrieben.

Jean Bodry
29. März 2019 - 12.03

Pappen an Kanner och net.