HandelskammerFirmen haben große Erwartungen an die neue Regierung

Handelskammer / Firmen haben große Erwartungen an die neue Regierung
Carlo Thelen will die Unternehmen fördern und so den allgemeinen Wohlstand im Land mehren Foto: Chambre de commerce

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Trotz einer angespannten Wirtschaftslage blickt die Luxemburger Handelskammer mit großen Erwartungen auf das kommende Jahr. Die Pläne und Versprechen der neuen Regierung gegenüber Unternehmen und Wirtschaft stimmen sie optimistisch. Nun hofft die Kammer auf eine schnelle Umsetzung, warnt jedoch gleichzeitig, dass die Solidität der Staatsfinanzen gewahrt bleiben muss.

„Wie wir wissen, befindet sich das Land in einer Rezession“, begann Carlo Thelen, Direktor der Handelskammer, am Mittwoch vor Journalisten. „Vielen Wirtschaftssektoren geht es nicht gut. Es war ein schwieriges Jahr für viele Betriebe.“

Weltweit sei die Lage derzeit nicht gerade einfach, so der Sprecher der Unternehmen weiter. Die Folgen des Klimawandels seien mittlerweile für Menschen und Firmen zu spüren, der Krieg in der Ukraine riskiere länger zu dauern, sowohl in China als auch in den USA werde mehr nach innen geschaut und „wirtschaftspatriotisch“ gedacht und der weltweite politische Diskurs habe sich immer weiter polarisiert. „Das alles merken wir in unserem Geldbeutel“, so Thelen.

Nach den Corona-bedingten Produktionsstopps hatte es Probleme in den Lieferketten gegeben. Das hat die Preise nach oben getrieben – eine Tendenz, die mit dem Überfall der Ukraine und den gestiegenen Energiepreisen noch weiter angeheizt wurde. In der Folge mussten die Zentralbanken die Zinsen erhöhen, um die Preissteigerungen zu bremsen. Das wiederum hat die Kaufkraft der Menschen gedrückt. „Aus einer Krise auf Angebotsseite wurde eine Krise der Nachfrage und es folgte eine Rezession in Luxemburg“, fasste Thelen das Geschehen der letzten Jahre zusammen.

„Endlich wieder über Wachstum reden“

Die internationale Lage bleibt weiterhin unruhig. Thelen wies darauf hin, dass beispielsweise die Verschuldung der Staaten mit der Pandemie enorm angestiegen seien. „Das ist gefährlich für das internationale Finanzsystem, welches aber benötigt wird, um alle Investitionen zu finanzieren.“ Nicht hilfreich sei derweil auch der verstärkte Populismus, der Versprechen macht, aber nicht hält. Sorgen bereitet ihm ebenfalls die Tatsache, dass „Europa sich im Wachstumsstillstand befindet“ und die Wirtschaftsleistung beim wichtigsten Handelspartner Deutschland sogar am Schrumpfen ist. Mit Unsicherheit, Spannung und Angst blickt er bereits auf die Wahlen Ende kommenden Jahres in den USA.

Von dieser Stimmung bleibt Luxemburg nicht ausgenommen. „Die Zuversicht der Unternehmenslenker ist derzeit Umfragen zufolge nicht gut. Sogar schlechter als zu Covid-Zeiten.“ Und in Sachen Verbrauchervertrauen wurden in den vergangenen Monaten ebenfalls keine Verbesserungen festgestellt.

Trotzdem ist Carlo Thelen positiv gestimmt. In einigen Branchen laufen die Geschäfte gut. Die meisten Betriebe seien widerstandsfähig aufgestellt. Zudem hofft er auf eine baldige Besserung hierzulande: „Vor den Wahlen haben wir unsere Empfehlungen abgegeben.“ Jetzt geht er davon aus, dass diese Ratschläge gehört werden und dass „das Land 2024 einen starken wirtschaftlichen Wiederaufschwung erlebt“. Immerhin kenne der neue Premierminister, als ehemaliger Präsident der Handelskammer, die Wünsche der Firmen.

„Für uns ist nun wichtig, die Substanz der Wirtschaft wieder zu stärken“, so der Direktor der Kammer. Zuletzt sei diese deutlich geschwächt worden, etwa mit der Deindustrialisierung und dem zunehmenden Wettbewerb zwischen den Finanzplätzen. Das Gaststättengewerbe habe unter Covid stark gelitten und beim Brexit habe vor allem Paris viele Londoner Unternehmen angezogen. „Unsere wirtschaftliche Substanz wurde abgeschwächt. In Europa wird überreguliert. Die Digitalisierung läuft zu langsam.“ In Luxemburg sei zuletzt nicht genug Land zum Investieren bereitgestellt worden und auch „die kurzen Wege“ habe man bei so manchen Behörden vermisst.

Wir reden von einem richtigen Neustart. Wir können nicht so weitermachen wie bisher.

Carlo Thelen, Direktor der Handelskammer

Thelen ist erfreut, dass „man nun endlich wieder über Themen wie Wachstum und Effizienzsteigerungen reden kann“. Es gelte, jetzt mehr in Forschung und Innovation zu investieren, denn nur so würden die Rentabilität und Effizienz gesteigert werden können. „Wir reden von einem richtigen Neustart. Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“

„Wir erwarten kohärente, vorhersehbare und realisierbare Rahmenbedingungen“, sagte er weiter. „Wir sind froh, dass sich viele unserer Forderungen im Koalitionsvertrag wiederfinden“, fügte Christel Chatelain hinzu, „Sie müssen nur noch umgesetzt werden.“

Erfreut ist die Kammer beispielsweise darüber, dass laut Koalitionsabkommen die Wochenarbeitszeit nicht gekürzt wird, dass weiter viel in die Solarenergie investiert wird, dass das System der Berufsausbildung verbessert werden soll und dass die Unternehmenssteuern gesenkt werden. Auch dass es bei der Verwaltungsvereinfachung vorangehen soll, und, dass mehr gemacht werden soll, um Talente aus dem Ausland anzuziehen, stimmt die Kammer zuversichtlich.

„Es muss jetzt gehandelt werden. Es gibt Zeitdruck“, so Thelen weiter. „Das Wachstum, und das Vertrauen (der Firmen und der Haushalte) muss wieder zurückkehren.“ Er hebt dabei hervor, dass es effizienter ist, „etwas für die Betriebe zu machen“ als „den Leuten mehr Geld zu geben“. Bei Konsumstützen fließt in einer kleinen, offenen Wirtschaft ein großer Anteil des Geldes ins Ausland. Mit Investitionshilfen würden hingegen neue Exporte geschaffen, die im Ausland verkauft werden.

Noch zusätzlich gewünscht hätte sie sich unter anderem mehr Maßnahmen für Mietwohnungen, neue Maßnahmen, um ältere Menschen in Arbeit zu halten, eine Überarbeitung der vorgesehenen Anstiege der CO2-Steuer sowie auch eine „echte Reform“ des Indexsystems. Auch sieht die Handelskammer Bedarf für eine Überarbeitung des erst vor kurzem gestimmten neuen Gesetzes zur Handhabung von Firmenpleiten.

Verwundert gaben sich die Sprecher der Unternehmen darüber, dass Deutschland als „privilegiertes Partnerland“ bei der Energieversorgung vorgesehen ist. Geschielt wird auf den „billigen“ französischen Atomstrom – ohne jedoch eine Liebe für das Werk in Cattenom zu entwickeln. Für den Wandel in Deutschland hat man jedoch kein Verständnis: „Man kann doch nicht einfach den Stecker ziehen – da leidet die deutsche Industrie drunter.“

„Effizienzsteigerungen“ für Staatsfinanzen

Sorgen bereitet den Unternehmensführern derweil die „starke Verschlechterung bei den Staatsfinanzen“, sagte Chatelain weiter. „Der Staatshaushalt ist relativ wenig transparent.“ Man erkenne nicht richtig, welche Ausgabe mit welchem Ziel gemacht werde. „Viele der Maßnahmen im Koalitionsabkommen sind nicht beziffert.“ Das Wort „dette (Schuld)“ stehe gerade mal einmal im Abkommen.

„Wir wollen das AAA behalten“, so Thelen weiter. „Das muss man im Auge behalten.“ Es werde sicherlich „Effizienzsteigerungen“ brauchen, um gegenzusteuern. Das Wort „Sparmaßnahmen“ versuchte er zu vermeiden. So sei es beispielsweise möglich, den einen oder anderen Beamten, der in Rente geht, mittels zunehmender Digitalisierung nicht mehr zu ersetzen. Auch der Staat könne „schlanker“ arbeiten.

Auch rücke die berüchtigte Rentenmauer immer näher, fügte Thelen warnend hinzu. Laut den letzten Prognosen soll das System irgendwann zwischen 2024 und 2027 in die roten Zahlen rutschen. Dabei habe man, dank der Reserven, jetzt noch die Möglichkeit, an kleinen Schrauben zu drehen. „Ist das öffentliche Rentensystem wirklich dazu da, Renten von über 8.000 Euro pro Monat zu bezahlen? Und braucht jemand mit 8.000-Euro-Rente auch noch eine Jahresendprämie? (…) Jetzt können noch kleine Sachen gemacht werden. Aber die verfügbare Zeit wird immer knapper. Die Diskussion muss jetzt, 2024, geführt werden.“

Christel Chatelain, Carlo Thelen und Bérengère Beffort
Christel Chatelain, Carlo Thelen und Bérengère Beffort Foto: Chambre de commerce

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Poli
15. Dezember 2023 - 15.21

@Grober J-P./ Quote: "Dann macht mal was mit den kleinen......." Was haben sie nur gegen die Kleinen?

Grober J-P.
15. Dezember 2023 - 10.24

"Und braucht jemand mit 8.000-Euro-Rente auch noch eine Jahresendprämie? (…) " Nein, bestimmt nicht. Hätte ich mal solch eine Rente, würde ich gerne auf die Endprämie verzichten. Dann macht mal was mit den kleinen ......

jojoschmi66
14. Dezember 2023 - 18.25

Gefährlich für die Menschen!

Shane
14. Dezember 2023 - 16.23

Ist das öffentliche Rentensystem da um Renten von über 8000 Euros zu bezahlen und dann auch noch eine Jahresprämie? Wenn ich sowas höre kommt mir das Kotzen. Sowas kann nur Carlo Thelen Direktor der Handelskammer von sich geben.