Viel Kritik in alle RichtungenEs riecht bereits nach Wahlkampf: Piraten ziehen parlamentarische Bilanz

Viel Kritik in alle Richtungen / Es riecht bereits nach Wahlkampf: Piraten ziehen parlamentarische Bilanz
Marc Goergen und Sven Clement: „Regierung hat Vertrauen verspielt.“ Foto: Editpress/Julien Garroy

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An Mut und Selbstvertrauen mangelt es den Piraten offensichtlich nicht. Ob sie fähig sind, die Politik des Landes aktiv zu gestalten, müssen sie erst beweisen. Reaktive und konsequente Oppositionspolitik gelingt ihnen aber schon mal. Bei ihrer parlamentarischen Bilanz lassen sie jedenfalls kaum ein gutes Haar an der Regierung und den anderen Oppositionsparteien. Wahlkampfstimmung kommt auf. Jetzt werden Mitstreiter fürs kommende Jahr gesucht. 

Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit haben die Piraten sich auf die Fahne geschrieben. An Mut und Selbstvertrauen mangelt es ihnen offensichtlich nicht. Irgendwie erinnert die Partei an frühere Zeiten. An die ungestüme Oppositionspolitik der jungen Grünen zum Beispiel, oder an Gast Gybérien, der die heutige ADR damals in gewerkschaftlich und sozial geprägten Bahnen hielt. Auch die Piraten sind bisher auf diesem Kurs unterwegs – unbequem und irgendwie charmant ketzerisch.

Wer A sagt, müsse auch B sagen. Deshalb gibt’s bei der parlamentarischen Bilanz der Piraten im Restaurant „Plëss“ in der Hauptstadt ein vegetarisches Mittagessen. Der Umwelt zuliebe, wie Piratenabgeordneter Sven Clement am Montag erklärt: „Wir machen etwas für unseren Planeten.“

Trotz Gemüse und Reis geht’s um die Wurst. A und B sagen Clement und sein Mitstreiter Marc Goergen nämlich auch, was die Kritik an der Regierung und an anderen politischen Mitbewerbern anbelangt: „Wir sind präsent, sagen unsere Meinung und lassen uns nichts gefallen!“

Regierung ohne Visionen

Während Temperaturen und Ozonwerte am Montag steigen, steigern sich Clement und Goergen in ihrer Kritik. An der Regierung lassen die Piraten kaum ein gutes Haar. Die Dreierkoalition verspreche und kündige an. Halten und liefern würde sie nicht. Auch würde sie das Parlament nicht wirklich ernst nehmen und einbinden. Sie würde zudem ihrer Verantwortung nicht gerecht und sei nicht auf Transparenz aus. Die Piraten, die aus Meinungsumfragen optimistisch auf zukünftig mehr Abgeordnete schließen, machen ihren Unmut an verschiedenen Beispielen fest.

Unter anderem das von Etienne Schneider gewollte LUXEOSys-Militärsatelliten-Projekt, das den Steuerzahler rund 139 Millionen mehr koste als die anfangs angekündigten 175 Millionen Euro. „Ein Untersuchungsausschuss, der Aufklärung über diese Entwicklung liefern könnte, ist von dieser Mehrheit aber nicht gewollt“, so Sven Clement. Das gelte auch für die genauen Hintergründe, die zum Rücktritt von Umweltministerin Carole Dieschbourg geführt hätten.

Andere Kritikpunkte der Piraten an der Regierung sind ihre Herangehensweise bei Steuer-, Energie-, Klima- und Gesellschaftsfragen sowie bei der Wohnungsbaupolitik. Auch die Bewältigung der Krise beim Gemeindesyndikat SIGI („Syndicat intercommunal de gestion informatique“) werfe kein gutes Licht auf die Mehrheitspolitiker, vor allem auch auf die Innenministerin. Es mangele der Dreier-Koalition am Mut, Entscheidungen zu treffen, gezielt vorzugehen, statt nach dem Gießkannenprinzip. Laut Piraten läge das auch daran, dass sich LSAP, Grüne und DP gegenseitig beäugen würden. Die Luft sei raus, Projekte und Visionen gebe es keine mehr. Es ginge nur noch darum, über die Runden zu kommen.

Bedauern tun die Piraten besonders, dass die Regierung bunkere, keine Antworten und Erklärungen auf Fragen liefere. Dass Minister Claude Turmes jetzt endlich Aufschluss gebe über die genaue Zusammensetzung des Benzinpreises, liege wohl daran, dass die Piraten angekündigt hätten, sich den ganzen Sommer über, in der Öffentlichkeit, mit diesem Thema zu beschäftigen – und notfalls die Justiz damit zu befassen. 

Grenzen überschreiten

In den Augen der Piraten hat die Regierung ihr Vertrauen verspielt, auch weil sie scheinbar nicht wahrhaben wolle, dass es einigen Menschen in diesem Land zusehends schlechter gehe … – so die beiden Piraten, die damit wohl auch bereits den Ton des kommenden Wahlkampfes anschlugen. Als Retter von Klima und sozial Schwachen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, suchen die Piraten nach Mitstreitern und Kandidaten, um nächstes Jahr die Wahllisten kommunal wie national zu füllen.

Auf die Frage, warum Daniel Frères, Vertreter der Piraten im Gemeinderat Remich, trotz Verurteilung wieder im Parteivorstand sitze, nachdem er wegen der Anklage seine Ämter hat ruhen lassen, heißt es, dass er nur einen Hund habe retten wollen. Dafür habe man Verständnis, so Marc Goergen. Dass es überhaupt zu einer Anklage und einer Verurteilung gekommen sei, läge hauptsächlich an einem unzureichenden Tierschutzgesetz.

„Manchmal muss man vielleicht Grenzen überschreiten, um auf Missstände hinzuweisen“, so der Piratenvertreter. Zumindest die Grünen müssten dafür viel Verständnis aufbringen können.