Erinnerung am Joseph Kinsch„Er war der größte Luxemburger Industriekapitän“

Erinnerung am Joseph Kinsch / „Er war der größte Luxemburger Industriekapitän“
Joseph Kinsch im Jahr 2006 Foto: Tageblatt-Archiv/Martine May

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Kaum ein anderer Luxemburger hat so lang und so eng mit Joseph Kinsch zusammengearbeitet wie Michel Wurth. Mit dem Tageblatt hat er am Freitag ein paar Gedanken geteilt.

„Ich habe ihn sehr gut gekannt. Wie haben viel zusammengearbeitet. Als er befördert wurde, war ich sein Nachfolger als Chef der Finanzen“, erinnert er sich. „Später hat er mich zum Präsidenten von dem gemacht, was heute ArcelorMittal Luxemburg ist.“ Das ist Michel Wurth auch derzeit noch.

„Ich hatte wirklich viel mit ihm zu tun“, erzählt er gegenüber dem Tageblatt weiter. „Mehr als 30 Jahre. Während der Restrukturierungen in den 80er Jahren – und während des Ausbaus in den Neunzigern. Als die Allianz mit Aceralia geschmiedet wurde, war er die treibende Kraft. Als danach die Hochöfen geschlossen wurden, hat er mitgeholfen, die Idee zu entwickeln, eine Industriezone in ein Stadtgebiet zu verwandeln. 2001/2002 sorgte er bei der Fusion mit Usinor dafür, dass Arcelor seinen Sitz in Luxemburg hielt. Mit ihm wurde die Unternehmensgruppe zum führenden Stahlkonzern der Welt. Er war der erste Verwaltungsratspräsident von ArcelorMittal.“ Eine ganze Periode der Luxemburger Industriegeschichte hat er mitgeformt.

„Er war der größte Luxemburger Industriekapitän“, so Wurth weiter. „Er hat sich immer für die Interessen Luxemburgs eingesetzt. Er war auch lange vor mir Präsident der Luxemburger Handelskammer. Er hat wirklich geholfen, Luxemburg auf die Weltkarte zu setzen. (…) Er hatte einen sehr guten Ruf, auch im Ausland. In Ländern wie Brasilien oder Spanien hat er gewirkt. (…) Seine Rente hat er sehr spät genommen, sich aber immer weiter für das Überleben der Stahlindustrie interessiert.“

„Es ist das Ende einer Epoche“

Auch menschlich sei er „exceptionell“ gewesen, so Michel Wurth weiter. Er habe einen besonderen Sinn für „Leadership und für Analyse und Vision“ gehabt. „Er hatte verstanden, dass es für Stahlfirmen notwendig war, zu wachsen, um zu überleben. Und dabei hat er immer an das Interesse Luxemburgs gedacht.“ Es sei sein Verdienst, dass ArcelorMittal immer noch seinen Sitz hier in Luxemburg hat.

„Er war ein großer Arbeiter, und auch ein sehr sozialer Mensch. Auch für den Sozialdialog. Er war hart in Verhandlungen, aber menschlich. Und er hat zugehört. Hart war er nur, wenn es wirklich notwendig war. (…) Alle, die wir uns hier noch an ihn erinnern können, sind sehr traurig. (…) Er war ein „Mann vom Terrain, er hat geredet, wie man in Esch so redet“, sagt Michel Wurth. „Es ist das Ende einer Epoche.“

Joseph Kinsch
Joseph Kinsch Foto: Tageblatt-Archiv/Fabrizio Pizzolante