Mosambik / Dramatische Flucht aus Palma – tagelanger Angriff von Islamisten fordert Dutzende Tote
Im Norden Mosambiks sind Tausende Menschen nach einem islamistischen Angriff geflüchtet. Mehrere Schiffscrews riskierten ihr Leben, um sie zu retten. Dutzende sollen den Überfall auf die Stadt Palma nicht überlebt haben. Der Terror bremst auch ein riesiges Erdgasprojekt.
Die Bewohner Palmas wurden am vergangenen Mittwoch in einen Albtraum gerissen, der kaum zu beschreiben ist – und von dem es bislang keine Bilder gibt. Seit Tagen wird die Hafenstadt im Norden von Mosambik von islamistischen Kämpfern angegriffen. Von der 75.000 Einwohner zählenden Stadt sollen zwei Drittel zerstört sein. Tagelang gelangten kaum Informationen nach draußen. Die Angreifer hatten zuvor alle Kommunikationswege gekappt. Nur langsam lichtet sich jetzt der Nebel des Grauens – und sichtbar werden auch Handlungen großen Mutes.
Nach dem großangelegten Angriff kam am Sonntagabend endlich die Nachricht, dass Tausenden Menschen die Flucht in die Provinzhauptstadt Pemba gelungen ist. Bis zu 10.000 Menschen warteten aber noch darauf, in Sicherheit gebracht zu werden, hieß es am Montag aus Kreisen internationaler Hilfsorganisationen. Nach Angaben der Regierung von Mosambik wurden bei dem dschihadistischen Angriff Dutzende Zivilisten getötet – darunter auch zahlreiche Ausländer. Auf einem Gelände in unmittelbarer Nähe von Palma bauen unter anderem der französische Ölriese Total und der US-Konzern ExxonMobil ein Milliardenprojekt zur Erschließung von Flüssig-Erdgas auf. Ausländische Beschäftigte des Projekts waren unter den in Sicherheit gebrachten Menschen – aber auch unter den zahlreichen Opfern.
Flucht in den Tod
Zwei Tage nach dem Angriff am Mittwoch hatten die Kämpfer am Freitagabend die Kontrolle über die Stadt übernommen. Regierungssprecher Omar Saranga sagte am Sonntag, die „Terroristen“ hätten „Dutzende hilflose Menschen feige ermordet“. Mindestens sieben Menschen seien am Freitag umgebracht worden, als sie versucht hätten, aus einem Hotel in Palma zu flüchten. Augenzeugenberichten zufolge, die über Satellitentelefon an Nichtregierungsorganisationen gelangten, hätten sich zuvor rund 200 Ausländer in einem Hotel verbarrikadiert, das wenig später von den Aufständischen angegriffen worden sei. Daraufhin habe ein Konvoi aus 17 Fahrzeugen die Flucht vom Hotelgelände versucht. Die Wagenkolonne sei aber in einen Hinterhalt geraten. Nur sieben der Fahrzeuge seien dem Angriff entkommen. In diesen wurden demnach später die sieben Leichen entdeckt. Was mit den Insassen der zehn anderen Fahrzeuge geschah, ist nicht bekannt.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte zuvor mitgeteilt, Zeugen in Palma hätten von auf der Straße liegenden Leichen berichtet sowie von dschihadistischen Kämpfern, die wahllos auf Menschen und Gebäude geschossen hätten. Laut HRW stehen die Angreifer in Verbindung zu einer in Mosambik als Al-Schabab bekannten Dschihadistengruppe, die jedoch keine direkten Verbindungen zu der gleichnamigen somalischen Dschihadistenmiliz haben soll. Die Gruppe ist seit 2017 in der Region aktiv und zuletzt immer mächtiger geworden. Bereits seit August vergangenen Jahres besetzen die Al-Schabab-Kämpfer die 80 Kilometer südlich von Palma gelegen Hafenstadt Mocimboa da Praia.
Palma wie Mocimba da Praia liegen in der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Provinz Cabo Delgado nahe der Grenze zu Tansania. Seit dem Beginn der Angriffe in Gegend wurden mindestens 2.600 Menschen getötet und 670.000 in die Flucht getrieben. Nach Ansicht der Sicherheitsexpertin Jasmine Opperman zeugen die Angriffe von einer Neuausrichtung der dort aktiven islamistischen Terrorgruppe. Es zeige sich eine Trendwende in den drei Jahre währenden Aktivitäten. „Wir können klar erkennen, dass sich Taktik und Planung der Gruppe deutlich verbessert haben“, sagte die Afrika-Direktorin des Konsortiums für Terrorismusforschung und -analyse (TRAC) in Johannesburg am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Bewaffnung der Extremisten, die Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben sollen, sei beeindruckend.
Momente der Hoffnung
In den vergangenen drei Tagen hätten Sicherheitskräfte der Regierung sich um die Rettung von Hunderten Zivilisten bemüht, darunter Einheimische und Ausländer, sagte der Regierungssprecher Mosambiks am Sonntag. Einige Menschen seien vorübergehend auf das schwer bewachte Gelände eines Gasförderprojektes auf der Halbinsel Afungi gebracht worden, bevor sie schließlich in die 250 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Pemba gebracht wurden. Die Streitkräfte des Landes hatten zuvor Tage gebraucht, um überhaupt die Region zu erreichen – lange Stunden, in denen sich die Bewohner der Angriffe mehr oder weniger alleine ausgesetzt sahen. Erschwert wurden die Rettungsversuche dadurch, dass der Angriff wohl lange vorbereitet worden war. So waren im Vorfeld alle Kommunikationskanäle gekappt worden. Was den Menschen in Palma blieb, waren ein paar Satellitentelefone.
Ein erstes Schiff mit 1.400 Geretteten war nach Angaben der Polizei am Sonntag in Pemba eingetroffen. An Bord waren vor allem Arbeiter, darunter auch Beschäftigte von Total. Noch am Sonntagnachmittag erreichte ein weiteres Schiff mit Geretteten Pemba. Weitere Gerettete hatten sich mit kleinen Booten auf den Weg nach Pemba gemacht. Ihre Ankunft war für Montagmorgen erwartet worden. Auf Twitter berichten Schiffsradar-Beobachter von einem kleinen „Dunkerque“-Moment in Erinnerung an die Evakuierung von mehr als 300.000 alliierten Truppen nach Großbritannien im Jahr 1940. Wie damals seien auch jetzt in Mosambik Schiffe aller Größen und Typen – vom Fischerboot über den Schlepper bis zum Frachter – zur Rettung jener aufgebrochen, die aus Palma an einen nahen Strand geflüchtet waren.
In #mozambique 🇲🇿 A modern day #dunkirk moment is happen in the besieged by isis(iswap) city of #palma at this moment.
Ships and boats of all types small and big, oil tankers and ferry's too tug boats and small pleasure craft are taking people to safety ricking them selves. 1/? pic.twitter.com/2agjNPLk3x
— Quinn (@nemo321mc) March 27, 2021
Nach Angaben von Flughafenmitarbeitern in Pemba wurden humanitäre Hilfsflüge ausgesetzt, um Platz für Militäraktionen zu machen. Geplant war auch ein Dringlichkeitstreffen von UN-Vertretern in Pemba, um die Evakuierung sowie die humanitäre Hilfe für die neu ankommenden Flüchtlinge zu koordinieren. In Pemba leben bereits Hunderttausende Binnenvertriebene, die vor der islamistischen Gewalt in der Provinz Cabo Delgado flüchteten.
Das Verteidigungsministerium von Mosambik erklärte am späten Sonntagabend, die Sicherheitskräfte hätten ihre „Einsatzstrategie verstärkt, um die kriminellen Angriffe von Terroristen einzudämmen und die Normalität in Palma wiederherzustellen“. Der Militäreinsatz in Palma habe sich in den vergangenen drei Tagen darauf konzentriert, „hunderte Zivilisten zu retten“.
Nach einer Reihe von Militärinterventionen hatte sich die Lage in den vergangenen Monaten beruhigt. Erst am Tag der Überfalls hatte Total die Wiederaufnahme der Bauarbeiten für das Erdgasprojekt angekündigt, die aufgrund der unsicheren Lage seit Jahresbeginn ruhten. Nach den bisherigen Plänen sollte die Anlage 2024 ihren Betrieb aufnehmen. (A.B. mit AFP und dpa)
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