GroßbritannienDie Saat des Boulevards: Rassismus gegen Meghan und die Folgen für das Königshaus

Großbritannien / Die Saat des Boulevards: Rassismus gegen Meghan und die Folgen für das Königshaus
„Was haben sie da angerichtet?“, fragt scheinheilig die Mail Foto: dpa/Peter Byrne

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Durchlebt das britische Königshaus derzeit eine Krise wie nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana 1997? Nach den Negativ-Schlagzeilen rund um die Welt stand das britische Königshaus am Dienstag unter massivem Druck, auf das TV-Ereignis des Jahres zu reagieren.

Im Gespräch mit der US-Talkkönigin Oprah Winfrey hatten Prinz Harry und seine amerikanische Gattin Meghan Markle ein Mitglied der Königsfamilie sowie die britischen Boulevardmedien des offenen Rassismus bezichtigt; zudem hätten hochrangige Angestellte von Buckingham-Palast der Suizid-gefährdeten Herzogin von Sussex Hilfe verweigert.

Am Abend veröffentlichte der Buckingham-Palast eine schmallippige Erklärung: Man nehme die angesprochenen Probleme „sehr ernst“ und werde sie „im privaten Familienkreis behandeln“.
Wörtlich heißt es in dem Statement: „Die ganze Familie ist tief betrübt über das jetzt deutlich gewordene Ausmaß der Probleme für Harry und Meghan in den vergangenen Jahren. Die angesprochenen Themen, besonders in Bezug auf Rassismus, sind beunruhigend.“ Einschränkend wird hinzugefügt, Erinnerungen könnten sich „manchmal unterscheiden“. Auf jeden Fall aber gelte: „Harry, Meghan und Archie werden immer allseits geliebte Mitglieder der Familie sein.“

In dem von durchschnittlich 11,1 Millionen Haushalten auf der Insel und vielen weiteren Millionen Zuschauern weltweit konsumierten Gespräch sprach der Prinz davon, es gebe einen „unsichtbaren Vertrag“ zwischen Königshaus und der Presse: Positive Berichterstattung werde durch regelmäßigen Zugang zu führenden Mitgliedern erkauft, unbotmäßige Mitglieder würden im Regen stehengelassen.

Erkennbar zieht Harry dabei eine Parallele zu den Ereignissen in den 1990er-Jahren. Aus Sicht des heute 36-Jährigen sowie seines 38-jährigen Bruders William, von beiden mehrfach so zu Protokoll gegeben, tragen die Boulevard-Paparazzi die Hauptschuld am Unfalltod ihrer Mutter Diana im August 1997. Dass der damals 13-Jährige in Begleitung seines Bruders, Vaters, Onkels und Großvaters auf der Trauerprozession quer durch London hinter dem Sarg der Toten herlaufen musste, empfindet Harry erklärtermaßen als schweres Trauma.

Rabiate Blätter

Die Äußerungen gegenüber Winfrey knüpfen an frühere Beschwerden des Prinzen an. Schon in der Palastmitteilung vom November 2016, mit der die Beziehung von Harry und Meghan erstmals offiziell wurde, war von „einer Welle von Schmähungen und Belästigungen“ sowie von „offenem Sexismus und Rassismus“ die Rede. Auf Empörung stieß damals besonders die Thematisierung des Familienhintergrunds von Markle, die eine schwarze Mutter und einen weißen Vater hat.

Wie damals stehen auch diesmal die bekanntermaßen rabiaten Londoner Boulevardblätter wie Sun, Daily Mirror und Daily Mail ebenso am Pranger wie Klatschpostillen weltweit. In das Winfrey-Interview wurden immer wieder rassistische und faktisch falsche Schlagzeilen eingeblendet. So schrieb Daily Mail von einer Familie „direkt aus Compton“, einem als Kriminalitätsschwerpunkt verschrienen Bezirk im Großraum Los Angeles. Detailliert wurde Markles Abstammung von Sklaven erörtert; meist fehlte dabei der Hinweis, dass die englische Krone einst die Sklaverei in ihren Kolonien in der Karibik sowie entlang der amerikanischen Ostküste eingeführt hatte.

Das Königshaus sollte durch aktives Handeln, nicht durch öffentliches Gerede beeindrucken

Alastair Campbell, PR-Stratege

Altgediente „royal watchers“ verweisen darauf, die ungesunde Obsession der Boulevardblätter mit dem Privatleben des Herzogspaares beruhe auf Gegenseitigkeit. Die gelernte Schauspielerin Markle habe den Unterschied zwischen ihrer früheren Existenz als nicht sehr bedeutende Celebrity mit guter PR-Unterstützung und einer globalen Person des öffentlichen Lebens nicht verstanden. Der Prinz lese im Internet nicht nur die bösartigen Artikel über sich, sondern auch giftige Kommentare sämtlicher Spinner und Neider, die sich im Netz tummeln.

Scheinheiliges Trompeten

Wie 1997 entziehen sich die britischen Medien der scharfen Kritik an ihrem eigenen Vorgehen, indem sie die Kritik am Königshaus akzentuieren. Man sei konfrontiert mit „der schlimmsten royalen Krise seit 85 Jahren“, trompete der Mirror in Anspielung auf die Abdankung Edwards VIII. 1936. „Was haben sie da angerichtet?“, fragte scheinheilig die Mail und bezog sich damit auf die „giftigen Anschuldigungen“ des Herzogspaares.

Wie diese in der britischen Öffentlichkeit ankommen, verdeutlicht eine Blitzumfrage der Firma YouGov. 36 Prozent der Befragten erklärte sich zu Sympathisanten der Königsfamilie, 22 Prozent hielten Harry und Meghan die Stange. Ein weiteres Drittel erklärte sich für uninteressiert oder unzuständig. Allerdings klafft die Beurteilung je nach Lebensalter stark auseinander: Unter den 18-24-Jährigen hat das kalifornische Paar 48 Prozent Anhänger, bei den über 65-Jährigen nur neun Prozent.

Mit ihrer kurzen Mitteilung scheinen die 94-jährige Queen und ihr 72-jähriger Thronfolger Charles, die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Institution am Rat eines Akteurs der Ereignisse von 1997 auszurichten. „Ich würde jetzt sehr wenig sagen“, teilte der damalige Regierungssprecher Alastair Campbell am Dienstag der BBC mit. Die Royals „sollten durch aktives Handeln, nicht durch öffentliches Gerede beeindrucken.“

CESHA
10. März 2021 - 10.52

Parallelen zu Luxemburg sind unverkennbar: Das kommt dabei raus, wenn Bürgerliche in Monarchien einheiraten - da prallen halt Welten aufeinander! Die Träume vom "Plötzlich Prinzessin" scheitern an der harten Wirklichkeit.