Corona-PandemieDie andere Seite der sozialen Medien: Wie sich „Matenee géint de Covid-19“ gegen Fake News einsetzt

Corona-Pandemie / Die andere Seite der sozialen Medien: Wie sich „Matenee géint de Covid-19“ gegen Fake News einsetzt

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Aufklären, diskutieren, Brücken bauen: In der Facebook-Gruppe „Matenee géint de Covid-19 #firiech #mateis“ dreht sich alles um das Thema Corona. Jede Frage ist willkommen – und wird von den Mitgliedern, darunter viele Spezialisten aus dem Gesundheitsbereich, beantwortet. Wir haben mit den Administratoren der Gruppe über deren Ziel, den Arbeitsaufwand und den Kampf gegen Fake News gesprochen. 

„Mit welchen Nebenwirkungen muss ich nach dem Booster rechnen? Wie gefährlich ist Covid für einen Menschen mit einer bestimmten Vorerkrankung? Ist die Impfung gefährlicher als das Virus?“ Wer auch nur kurz durch die Facebook-Gruppe „Matenee géint de Covid-19 #firiech #mateis“ scrollt, bemerkt, wie viele Fragen rund um das Thema Corona einigen noch unter den Fingernägeln brennen. 

Antworten darauf versuchen die anderen Mitglieder, darunter viele Ärzte, Krankenpfleger und weitere Beschäftigte aus dem Gesundheitssektor zu liefern – auf eine konstruktive Art, oft mit Verweisen, wo sich der Fragesteller weiter informieren kann. „Jede Frage ist uns prinzipiell willkommen“, betonen die Administratoren der Gruppe am Donnerstagabend, als das Tageblatt an einem ihrer Zoom-Meetings teilnehmen darf. „Auch wenn sie zum 1.000 Mal gestellt wird, versuchen wir, auf eine nette Art eine Antwort zu liefern“, sagt Tina Koch. Sie ist seit November eine der Administratoren. Eine Beratung mit dem eigenen Hausarzt werde hier natürlich nicht ersetzt, doch bei vielen allgemeinen Fragen könne weitergeholfen werden.

Die Betreuer der Facebook-Seite sind eine bunt gemischte Gruppe von 22 Menschen. „Wir haben Ärzte, die selbst auf Corona-Stationen arbeiten, Krankenpfleger, Psychologen, Erziehungsbeauftragte, Staatsbeamte, Informatiker, Busfahrer, Rentner … Da ist querbeet alles dabei“, sagt Simone Bleser. Es sei eine Art „Expertenrunde“ mit ganz vielen Profilen – und teils unterschiedlichen Meinungen. „Auch wir diskutieren kontrovers über verschiedene Aspekte der Pandemie.“ Bleser hat die Gruppe gemeinsam mit Martine Loullingen gegründet. 

Ein sachlicher Austausch

Entstanden sei die Idee, weil sich Loullingen und Bleser eine Plattform wünschten, um sich ohne Hatespeech und Fake News über das Coronavirus auszutauschen. Zu Beginn hieß die Facebook-Gruppe „Solidaritéit mam Gesondheetssecteur“, um die Anstrengungen von all denen zu würdigen, die an der vordersten Front im Kampf gegen die Pandemie standen. Eine Erfahrung, die Loullingen selbst direkt mitbekommen hat. Sie erzählt, dass ihre eigene Mutter „eigentlich schon im Rentenalter“ zu Beginn der Krise die Corona-Station im „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (CHEM) in Esch mit aufgebaut hatte. „12-Stunden-Tage waren normal. Dabei hat sie selbst zu den vulnerablen Personen gezählt. Wir, ihre Familie, hatten viel Angst“, sagt Loullingen. Vor allem, weil zum damaligen Zeitpunkt nur wenig über die Krankheit und ihre Folgen bekannt gewesen sei – „und an eine Impfung war damals noch gar nicht zu denken“.

Über die im Netz kursierenden Fake News mussten sich die beiden Gründerinnen immer wieder richtig aufregen und beschlossen daraufhin, gegenzusteuern. Doch das verlangte viel Kraft. „Um Martines Blutdruck zu schonen, habe ich dann eine geschlossene Gruppe bei Facebook vorgeschlagen, wo ein sachlicher Austausch möglich ist, zuerst nur unter Freunden und Bekannten, die dann wiederum ihre Freunde und Bekannte eingeladen haben“, sagt Bleser. Mit der steigenden Mitgliederzahl war es irgendwann unmöglich, die ganze Arbeit alleine zu stemmen, sodass die Administratoren-Gruppe vergrößert wurde. Insbesondere schlossen sich Mitglieder aus dem Gesundheitsbereich an. „Dann hat uns Tom Manderscheid darauf aufmerksam gemacht, dass die Corona-Krise ja nicht nur die Santé betrifft, was natürlich richtig ist. Also haben wir einen Aufruf für einen anderen Namen gestartet.“ Kurze Zeit später wurde die Seite dann „Matenee géint de Covid-19 #firiech #mateis“ getauft. „‚Fir Iech‘, weil der Gesundheitssektor für uns arbeitet. Und ‚mat eis‘, weil wir die Krise nur gemeinsam bewältigen können“, erklärt Bleser. 

7.563 Mitglieder zählt die Gruppe bisher (Stand Freitag 15.30 Uhr) und jeden Tag kommen weitere dazu. Kein Tag vergeht, an dem nicht mehrere Posts online gestellt werden – ein enormer Arbeitsaufwand. „Deshalb haben wir so viele Administratoren“, so Loullingen. Jeder Post wird von ihnen sorgfältig geprüft – „damit wir nicht auf einmal zehn Posts zum gleichen Thema direkt hintereinander haben“. 

Die Fragen und angesprochenen Themen würden oft von der Aktualität abhängen. „Derzeit rücken die Ferien wieder näher und manche wollen sich vor den Feiertagen testen lassen. Da gibt es natürlich Fragen wie z.B.: ,Wo kann ich mich testen lassen?‘“, erklärt Sandy Holzem. Die junge Frau ist eine der Admins, die sich um die Betreuung der Posts kümmern. Man achte auch darauf, dass die Kommentare sachlich und freundlich bleiben. Die intensive Moderation der Seite wird von ein paar wenigen kritisiert. „Doch wenn wir ihnen erklären, wieso wir den Post nicht zugelassen haben oder wieso wir eine Diskussion unterbinden, haben die meisten Verständnis.“ 

Man sei eine apolitische Seite, da sind sich alle Administratoren einig. Es gehe nicht darum, die Politik der Regierung zu kritisieren oder zu loben bzw. über mögliche Maßnahmen wie etwa eine Impfpflicht zu diskutieren. „Dazu hat jeder von uns seine Meinung, aber das gehört nicht in die Gruppe. Es geht schlicht und einfach nur um Fakten rund um das Coronavirus“, sagt Bleser. Bei den Vorfällen am Samstag habe man etwa nur ein paar Posts zugelassen – „damit man sich kurz Luft machen konnte“ – und dann einen Aufruf der Administratoren-Gruppe veröffentlicht, sich bitte wieder dem eigentlichen Thema zuzuwenden. 

In der Gruppe gibt es sowohl geimpfte als auch nicht geimpfte Mitglieder. Das heißt nicht, dass man Verschwörungstheoretiker in der Gruppe toleriere, betont Loullingen. Man basiere sich auf wissenschaftlichen Fakten. Profile von Personen, die der Gruppe beitreten wollen, werden kurz überprüft. Das sei auch kein Geheimnis, sondern stehe in den Informationen zur Gruppe. „Wer tatsächlich offen und sachlich diskutieren will, ist herzlich willkommen“, sagt die Mitgründerin. „Auch diejenigen, die der Impfung skeptisch entgegentreten, können bei uns ihre Fragen stellen. Dafür ist die Gruppe ja da. Doch wir müssen auch eine Grenze ziehen.“ Es sei manchmal eine Gratwanderung, was man zulasse und was nicht. „Wenn ein neues Mitglied schon von Beginn an das Gefühl hat, verurteilt zu werden, dann haben wir eines unserer Ziele nicht erreicht.“

Informationen weitergeben

Denn „Matenee géint de Covid-19“ will Brücken bauen – ganz besonders zu jenen, die noch Angst vor der Impfung haben und sich schlecht informiert fühlen. „Wir müssen aufeinander zugehen und wieder an die Menschen herankommen“, sagt Jacques Glod. „Die Kommunikation der Regierung – und auch der Presse – war nicht immer klar und für jeden verständlich. So haben die notwendigen Informationen nicht alle erreicht. Was dazu führt, dass man leicht von Verschwörungstheoretikern eingefangen werden kann“, kritisiert er. Eine größere Sprachenvielfalt und die Nutzung der Leichten Sprache hätten vielleicht helfen können. „Wir müssen vielfältiger und anders kommunizieren als im Ausland.“

Über die Kommunikationskampagnen der offiziellen Stellen wolle man nicht urteilen, sagt Bleser. Sowohl Mediziner, Wissenschaftler als auch Politiker befinden sich in einer noch nie dagewesenen, schwierigen Situation. Doch es sei eine Tatsache, dass manche Erklärungen nicht bei den Menschen ankommen. Mittlerweile sei in einigen Zirkeln jede Information der Regierung und der Presse „suspekt“. „Es geht hier nicht mehr um das Virus, sondern gegen alles, was die Politik tut. Man hat nun ein gemeinsames Feindbild – und dem vertraut man nicht.“ Sie hoffe, dass Gruppen wie ihre hier Abhilfe schaffen können. „Wir sind ganz normale Menschen, die sich austauschen und sich auf Augenhöhe begegnen. Keiner wird für seine Ängste und Fragen verurteilt.“

Die Rückmeldungen, die die Admins für ihr Engagement bekommen, sind sehr unterschiedlich. Es gibt jene, die sich über die guten Informationen und den Austausch freuen. Vor allem aus dem Gesundheitssektor erlebe man große Unterstützung. „Manche bedanken sich wirklich“, sagt Bleser. Einige Impfskeptiker hätten sich durch die Gruppe sogar getraut, sich doch impfen zu lassen. Das sehe man als großen Erfolg. Doch es gibt auch die negative Seite: Nachdem Bleser und Loullingen bei RTL eingeladen wurden, um ihre Arbeit vorzustellen, erreichten sie plötzlich Anfeindungen über Privatnachrichten. „Die sind wirklich sehr weit gegangen“, sagt Bleser. Verschiedene Meldungen haben die Administratoren an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. „Man hat gemerkt, dass einige einfach nicht willens sind, tatsächlich gemäßigt über etwas zu diskutieren. Sie kommunizieren ja deshalb meist unter falschem Namen.“ „Matenee“ sei keineswegs eine Bewegung gegen andere, sondern lediglich eine Plattform für Bürger, die sich austauschen möchten, fügt Bleser hinzu.

„Matenee géint de Covid-19“ will sich auf jeden Fall weiter engagieren, um aufzuklären. „Wir sind dabei zu überlegen, ob wir kurze Frage-Antwort-Posts machen oder vielleicht sogar kleine Videos drehen sollen“, verrät Holzem. So könne man vielleicht über andere Plattformen, wie z.B. Instagram, jüngere Gruppen erreichen. Es gebe sogar Überlegungen, eine Asbl zu gründen. Denn solange die Pandemie weiter wütet, gibt es weiter Aufklärungsbedarf.