Der tiefe Fall des Mallorca-Auswanderers Jan Ullrich

Der tiefe Fall des Mallorca-Auswanderers Jan Ullrich
Der ehemalige Radrennprofi Jan Ullrich im Jahr 2017. Foto: dpa

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Um sein rechtes Handgelenk trägt er eine Handschelle, mit der er an einen weiteren mutmaßlichen Straftäter gekettet ist. Über dem Kopf ein weißes Betttuch, um sein Gesicht nicht den wartenden Fotografen zu zeigen. Mit nacktem Oberkörper. So steigt Deutschlands früherer Radsport-Held Jan Ullrich am Samstagnachmittag gegen 16 Uhr aus einem Gefangenentransporter der spanischen Nationalpolizei. Ein Polizist führt Ullrich vom Transporter zum Eingang des Gerichtsgebäudes in Palma de Mallorca und bringt ihn dort zu einer Untersuchungsrichterin.

Von Ralph Schulze

„Ein Champion im Knast“, lautete am Sonntagmorgen die Schlagzeile des mallorquinischen Blattes Ultima Hora. Nahezu 24 Stunden verbrachte der 44-Jährige in einer Zelle der Nationalpolizei. Die Beamten hatten ihn am Freitagnachmittag gegen 6 Uhr auf dem Grundstück des deutschen Schauspielers und Filmmachers Til Schweiger in einem Vorort von Palma festgenommen. Ullrich und der 54-jährige Schweiger sind Nachbarn im feinen Villenviertel Establiments und galten eigentlich bisher als Freunde. Beide bewohnen dort großzügige Traumgrundstücke mit Pool und Panoramablicken.

„Ullrich ist festgenommen worden, nachdem er über den Zaun des Grundstücks des Schauspielers geklettert war und diesen bedroht hat“, berichtete Spaniens staatliche Nachrichtenagentur Efe unter Berufung auf die Nationalpolizei. Ihm werde Hausfriedensbruch und die Bedrohung Schweigers vorgeworfen. Schweiger hatte nach spanischen Angaben zu diesem Zeitpunkt Gäste, mit denen er ein Fest feierte. Plötzlich sei Ullrich auf dem Grundstück aufgetaucht, und es sei aus unbekanntem Grund zum Streit gekommen – woraufhin Schweiger die Polizei gerufen habe.

Bei der Tat betrunken?

Am Samstagabend wurde Ullrich von der Untersuchungsrichterin zu den Vorwürfen verhört – und gegen 21 Uhr freigelassen. Allerdings unter der Auflage, dass er sich seinem Nachbarn Schweiger nicht nähern und einen Mindestabstand von 50 Metern halten muss. Als Ullrich das Gerichtsgebäude, das in Palma an der Avenida de Alemania liegt, verlässt, versteckt er sich nicht mehr unter dem Betttuch. Stattdessen trägt er eine Baseballkappe, ein weißes T-Shirt und dunkle knielange Shorts. Erklärungen gibt er nicht ab. Nach Angaben der Inselzeitung Ultima Hora soll Ullrich bei der Vernehmung eingeräumt haben, unter Alkoholeinfluss gestanden zu haben.

Die Bilder des festgenommenen Radsport-Idols, der als erster und bisher einziger Deutscher die Tour de France gewann, schaffen es sogar in die spanische Tagesschau des nationalen Fernsehens. Und sie stehen für den tiefen Fall des Ex-Radprofis, der 2016 von seinem früheren Wohnort in der Schweiz nach Mallorca zog. Ein Umzug, mit dem er wohl auch vor seinen Problemen flüchten wollte. In der Schweiz hatte er 2014 unter Alkoholeinfluss einen schweren Verkehrsunfall verursacht. 2017 war er deswegen dort zu 21 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Auswanderung brachte bisher kein Glück

Doch auch die Auswanderung auf die Urlaubsinsel brachte ihm kein Glück. Vor kurzem ging auf Mallorca seine Ehe mit Ehefrau Sara kaputt, die zusammen mit den drei Kindern die Koffer packte. Er selbst gestand im Juni der Illustrierten Bunte, dass er angeschlagen sei: „Mein Herz ist gebrochen, mein Knie ist kaputt. Ich bin ein Wrack“, wird er von dem Magazin zitiert. Aus den Ullrich-Äußerungen in dieser Zeitschrift lässt sich zudem schließen, dass er schon länger Alkoholprobleme hat. „Ich habe sechs Monate keinen Tropfen Alkohol angerührt. Erst seit Ostern trinke ich wieder.“ Und: „Ich trinke und rauche, wann ich dazu Lust habe.“

Schweiger wie Ullrich gelten als große Mallorca-Fans. Schweiger kam viele Jahr zum Urlaubmachen, bevor er sich schließlich vor fünf Jahren seine große Villa auf einem 20.000-Quadratmeter-Grundstück kaufte. Ullrich kennt die Insel ebenfalls gut, weil er hier als Radprofi oft in den milden Wintermonaten trainierte. 2016 mietete Ullrich, der auf Mallorca und andernorts kommerzielle Radsportcamps organisiert, die Finca, die gleich neben Schweigers Besitz liegt.

„Wenn ich mich finde, dann hier“

Der deutschsprachigen Mallorca Zeitung sagte Ullrich vor einem Jahr, dass die Insel in seinen Zukunftsplänen eine wichtige Rolle spiele: „Die definitive Zukunftsidee habe ich einfach noch nicht“, sagte er. „Aber wenn ich sie finde, dann hier auf Mallorca.“

2006 war gegen Ullrich schon einmal in Spanien ermittelt worden: Damals ging es um Doping. Und um den Verdacht, dass auch der damalige deutsche Top-Radrennfahrer Kunde jenes großen Dopinglabors in Madrid gewesen war, das jahrelang internationale Spitzensportler mit verbotenen Sauerstoff-Blut-Behandlungen versorgt hatte. Daraufhin war er 2006 von der Tour de France ausgeschlossen worden. Später annullierte der Internationale Sportgerichtshof seine Erfolge von 2005 bis 2007, jenem Jahr, in dem sich Ullrich endgültig aus dem Profisport zurückzog. ze

 

roger wohlfart
6. August 2018 - 18.30

Interessant ist doch, wie es dazu gekommen ist? Nette Kerle haben es meist schwerer mit Problemen fertig zu werden als Hartgesottene. Jan Ullrich hat es übel mitgespielt und ihm fehlte die Unerschütterlichkeit und die Kaltschnäuzigkeit eines Armstrong. Man darf nicht auf Krankenwagen schiessen oder auf dem am Boden Liegenden herumtrampeln. Das geht gegen die Ethik. Man sollte den Mann, der dringend Hilfe braucht, tatsächlich in Ruhe lassen, so man ihm nicht helfen kann! Und wer bin ich, um über andere zu urteilen oder zu lästern?

Josy Miersch Junior
6. August 2018 - 14.27

Füller für das Sommerloch ! Scheidung mit drei Kindern, Trinker, Probleme mit Nachbar ! Ganz klar lasst doch den Mann in Ruhe ! Er braucht wirklich sehr gute Hilfe ! Ist in Wirklichkeit ein sehr netter Kerl ! N.b. : Sollte die TdF wenigstens 10 mal gewinnen !

roger wohlfart
6. August 2018 - 12.55

Schade! Ullrich war einer der besten und sympathischsten Radfahrer der letzten Jahrzehnte. Er wurde ein Bauernopfer und musste bluten, während die anderen Dopingsünder ( Cofidis beispielsweise) nach einer gnädigen Strafe weitermachen durften. Um Jan Ullrich zu verstehen, muss man weit ausholen. Er wuchs in der DDR vaterlos auf, sein Trainer war ein Ersatzvater für ihn, dem er blind vertraute. Es dürfte bekannt sein, dass in der DDR das Doping vom Staat gefördert wenn nicht sogar verordnet wurde. In diesem Milieu und mit dieser Mentalität entwickelte sich Ullrich zum Profiradfahrer und geriet vom Regen in die Traufe. So lange er erfolgreich war und nicht erwischt wurde, war er das Idol schlechthin in Deutschland. Danach wurde er von dem Podest, auf das er nie wollte, herabgestossen und regelrecht geächtet. Er wurde zur persona non grata.Wen wundert's, dass er sich verletzt und verbittert zurückzog und in Depressionen fiel. Ullrich ist nie erwachsen geworden, hat man den Eindruck. Wie auch? Er hatte ständig Trainer, Manager, Berater um sich herum bis er des Dopings überführt wurde . Dann liess man ihn fallen wie eine heisse Kartoffel. Jetzt ist er ein gefundenes Fressen für die Hyänen der Boulevardpresse, wenn das Sommerloch sonst nichts hergibt. Natürlich hat Ullrich Fehler gemacht, falsche Entscheidungen getroffen. Aber im Grunde ist er ein feiner Kerl. Mir ist er jedenfalls wesentlich sympathischer als der nuschelnde Schweiger mit seinem 20.000 Quadratmeter Grundstück nebenan.

Lucilinburhuc
5. August 2018 - 22.26

Der war gut :-)

Lucilinburhuc
5. August 2018 - 22.13

Mehrmals aus der Kurve geflogen, armer Kerl.

Hollerich
5. August 2018 - 21.51

Klarer Fall von Ischias-Attacke !!!!!!

Frank Goebel
5. August 2018 - 20.17

Hallo, Herr Ullrich ist sicherlich eine Person der Zeitgeschichte, der seinerzeit gezielt den Weg in die Öffentlichkeit gesucht hat. Von daher gehört es einfach dazu, dass auch sein (derzeitiger?) Fall thematisiert wird. Wie sie richtig bemerken, führt die Episode ja, beispielsweise, auch öffentlich vor Augen, welche Folgen Drogenmissbrauch hat (erst Doping, jetzt Alkohol). Um die persönliche Not von Herrn Ullrich aber nicht übermäßig zu sensationalisieren, haben wir auf ein aktuelles Bild verzichtet, da er sich erkennbar gegen das Fotografiert-werden wehrte. - Ihre Redaktion

J.C. KEMP
5. August 2018 - 19.54

Loosst déi Leit dach mat Rouh. Et gët jo och net mat Photo an Numm iwwert all Duerfkläpperei ënnert Alk geschriwwen. Soss wieren d'Zeitungen déck wéi Telefonsbicher.