„Den Zuch bis bei d’Gare bréngen“

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Der politische Kalender nimmt keine Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten. Besonders hart wenn, wie in diesem Jahr, die parlamentarische Rentrée  nur zwei Tage nach den  Gemeindewahlen stattfindet. So mancher Abgeordneter wird am Dienstag mit den Gedanken wohl eher in seiner Kommune als auf Krautmarkt sein. Mars di Bartolomeo lacht. Bis zu seiner Berufung in die Regierung  2004 war er selbst Deputé-Maire in Düdelingen.  „Das Doppelmandat war mir wie auf den Leib geschnitten“, bemerkt er spontan.

Der direkte Kontakt mit den Bürgern in der Gemeinde, das „Knowhow“ und die Problemanalyse aus den beiden unterschiedlichen Perspektiven seien sicherlich positive Aspekte des Mandatskumul. Auch habe man als Kommunalpolitiker „einen schnelleren Draht“ zur Nationalpolitik um „Themen anzusprechen“. Die zeitliche Belastung sei streckenweise aber schon enorm gewesen. „Manchmal war es schon etwas schwer.“ Aber positiv sei, dass man auf Gemeindeebene ja nicht allein sei, es eine Aufgabenteilung im Schöffenrat gebe.

Nationale Rahmen für kommunale Wahlen

Dann schaltet er auf Diplomatiespeech. Eine „tranchéirt Äentwert“ könne er nicht geben. Er sehe „die Situation heute aber viel nuancierter“. Die Arbeit  sei in den letzten 20 Jahren  sowohl auf kommunaler wie auch auf nationaler Ebene komplexer geworden, so dass es zunehmend schwieriger werde, beide Mandate unter einen Hut zu bringen. Bei einer  eventuellen Abschaffung des Kumul stelle sich neben der Frage des „Knowhow“ auch die,  wo man die Grenze ziehe; ob das dann nur für den Bürgermeister oder auch für die Schöffen oder Gemeinderäte gelte. Für ein gutes Verständnis der politische Arbeit sei es  jedenfalls wichtig, Erfahrungen auf beiden Ebenen zu haben, ist Mars di Bartolomeo überzeugt.

Sämtliche Parteien ziehen mittlerweile mit einem nationalen Rahmenprogramm in die Gemeinderatswahlen. In den aktuellen Debatten hat man mitunter Probleme, noch herauszufinden, auf welcher Ebene da noch diskutiert und mitunter auch gestritten wird.  Beides hänge nun mal eng miteinander zusammen, wirft Mars di Bartolomeo ein. Wichtige Themen wie Transport, Wohnen, Flüchtlinge etwa betreffen nun mal beide Ebenen. „Aber kommunale und nationale Politik sind zwei Paar Schuhe“, betont er. Manchmal könne das nationalpolitische Klima die Kommunalwahlen allerdings beeinflussen.

Parlamentarische Expertise

Wichtige Punkte des Koalitionsprogramms sind abgearbeitet. „Aber ausgehen wird dem Parlament auch in dieser letzten Session die Arbeit sicherlich nicht“, betont der Parlamentspräsident. Es folgt eine lange Liste mit unter anderem der Reform des RMG (Revis), Scheidungsrecht, Polizeireform, Landesplanung, Rettungsdienste, Kirchenfabriken. Alles Projekte die von der Regierung schon auf den Instanzenweg gebracht wurden, die aber noch die parlamentarische Prozedur durchlaufen müssen. Auch bei der Verfassungsreform werde man die parlamentarische Vorarbeit abschließen, betont Mars di Bartolomeo. Selbst wenn es wohl kein Referendum mehr in dieser Legislaturperiode gebe,  das Parlament werde „desen Zuch bis bei d’Gare brengen“.

Ein ganz persönliches Ziel von Mars di Bartolomeo war bei seinem Antritt als Präsident, die „Expertise“ des Parlaments zu verstärken um seiner Mission gegenüber der Regierung gerecht zu werden. Die administrative Verstärkung ist angelaufen und auch das mehrjährige Programm zur Rekrutierung von Experten wurde von der „Conférence des présidents“ abgesegnet. Jeweils zwei Spezialisten werden pro Jahr eingestellt. Die genauen Fachbereiche sind zwar noch nicht abgesteckt, aber die entsprechenden Mittel  werden im Budget 2018 bereitstehen, freut sich Mars die Bartolomeo.

Verständnis der politischen Arbeit

Viele der Vorurteile gegenüber der Politik basieren auf falschem oder unvollständigem Wissen über die demokratischen Entscheidungs- und  Umsetzungsmechanismen. Dem will man nicht länger tatenlos zuschauen. Allein mit den klassischen „portes ouvertes“ ist es heute  allerdings nicht mehr getan. In enger Zusammenarbeit mit dem neugeschaffenen   „Zentrum für politische Bildung“ will das Parlament in die Offensive gehen.

„Didaktische Mittel überarbeiten und neue schaffen“ um die Menschen  auch in den modernen Medien zu erreichen, kündigt Mars di Bartolomeo im Gespräch mit dem Tageblatt an. Details soll es Ende 2017/Anfang 2018 geben. Im Rahmen dieser  Kommunikationsoffensive wird auch der Internetauftritt (www.chd.lu) überarbeitet und  benutzerfreundlicher gestaltet.

Politische Bildung soll nach dem Willen der Regierung auch stärker in den Schulen stattfinden. Das Parlament möchte dabei mit an Bord sein und hat eine Serie von  Informationsrunden mit Professoren gestartet. „Theorie und praktisches Wissen sind zwei Paar Schuhe“, unterstreicht Mars di Bartolomeo die Bedeutung einer „formation des formateurs“. Auch die Petitionshearings tragen zu einem besseren Verständnis der politischen Arbeit bei, betont  der  Chamberpräsident. Selbst wenn die Petitionäre nicht immer recht bekommen, allein der direkte Kontakt mit den Abgeordneten und die  Erklärungen für ein etwaiges Nein seien wichtige Elemente im politischen Dialog, so seine Erfahrung.

Journalist, Gemeinderat, Bürgermeister, Minister, Kammerpräsident … Mars di Bartolomeo selbst spricht vom „Glück einer  Karriere“,  wo er immer sagen konnte, der letzte (aktuelle)  Posten sei  der schönste. „Chamberpräsident ist etwas  Besonderes, eine ganz große Ehre.  Leider wird der  Posten nicht direkt gewählt, sonst wäre ich sofort Kandidat“ platzt es auf die Frage  nach seiner Zukunft nach 2018 heraus. Aber er sei „Kandidat fir eng Deputéiertekandidatur“ wenn die Partei  auf ihn zukomme. Mars di Bartolomeo war  bei den Wahlen 2013 auf der LSAP-Liste.