CoronavirusBeim „Planning familial“: Auch in Krisenzeiten informieren, erklären und helfen

Coronavirus / Beim „Planning familial“: Auch in Krisenzeiten informieren, erklären und helfen
Von psychischer Unterstützung bis hin zu Verhütungsmöglichkeiten oder Abtreibungen: Die Dienste des „Planning familial“ sind weiterhin gefragt Foto: AFP

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Das Fachpersonal des „Planning familial“ beschäftigt sich auch 54 Jahre nach seiner Gründung mit sogenannten Tabu-Themen: Familienplanung, Sexualität, Verhütung und Abtreibung. In den drei Zentren (Luxemburg, Esch, Ettelbrück) wird aktuell unter strengsten Hygienemaßnahmen weitergearbeitet. „Bei uns ist niemand unbeschäftigt“ formulierte es Präsidentin Ainhoa Achutegui. Die psychologischen Betreuungen steigen an – und auch die Zahl der ungewollten Schwangerschaften droht in diesen Tagen in die Höhe zu gehen. 

Ein Telefon und eine Packung Anti-Baby-Pillen: Mit diesem grafischen Mittel lancierte der „Planning familial“ Anfang des Monats April auf seiner Facebookseite einen dringenden Appell. „In Stress- oder Angstsituationen kann es vorkommen, dass man möglicherweise erst ganz zum Schluss an die Verhütung denkt“, sagte Präsidentin Ainhoa Achutegui gegenüber dem Tageblatt. „Und wenn nicht verhütet wird, steigt auch die Zahl der Abtreibungen.“ Deshalb gilt nach wie vor die Devise: Präventionsarbeit, vorbeugen und informieren.

Aus dem statischen Material von 2017 geht hervor, dass 23 Prozent der Kundinnen, die den Planning wegen Verhütungs-Beratungen kontaktierten, nicht älter als 20 Jahre alt waren. Gleichzeitig waren 64% der Frauen, deren Schwangerschaft nicht gewollt war, über 25. Das Durchschnittsalter der Frauen, die sich für eine Abtreibung entschieden, lag in der jüngsten Vergangenheit zwischen 27 und 29 Jahren. Will man die weibliche Kundschaft generalisieren, könnte man folgende Erkenntnisse herausfiltern: Was die gynäkologischen Behandlungen angeht, handelt es sich oft um Frauen, „deren Muttersprache nicht unbedingt Luxemburgisch ist oder die sich in prekären und komplizierten Situationen befinden“. Achutegui fügt hinzu: „Die meisten unter ihnen gehen bereits einer Arbeit nach. Es sind nicht so viele junge Mädchen, wie man sich das möglicherweise vorstellt. Dies gilt eher für den Bereich der ‚éducation sexuelle affective’.“  

Dementsprechend wichtig ist es, auch in Krisenzeiten die medizinische Versorgung zu garantieren – was der Blick auf die große Nachfrage beweist. „Im Schnitt haben wir wöchentlich noch gleich viele Abtreibungen, allerdings werden immer mehr psychologische Sprechstunden in Anspruch genommen“, schildert die Präsidentin. Dies geschieht virtuell, beispielsweise telefonisch. „Wir waren vorher schon ziemlich gefragt, aber durch die Ausgangssperren hat sich das noch einmal vermehrt.“ Zählt man die Telefonate hinzu, kümmerten sich 29 Ärzte, Gynäkologen, Sexologen, Psychologen sowie Pädagogen, Sozialarbeiter, Berater und Sekretäre des Planning 2017 beispielsweise um 51.349 Anfragen. Von den 613 der Frauen, die das Planning aufgrund eines Abtreibungswunschs kontaktierten, haben sich letztlich 538 vor drei Jahren dazu entschieden. 

In den nächsten Tagen rechnet das medizinische Personal mit einem Anstieg der IVG-Anfragen. „Dann könnten die ersten Schwangerschaften aufgrund eines ungeschützten Geschlechtsverkehrs bemerkt werden“, erklärt Ainhoa Achutegui. Auch die psychologische Unterstützung dürfte mit zunehmender Dauer der Quarantäne-Bedingungen zunehmen. „Einerseits sind manche Eltern von ihren Kindern oder dem Partner überfordert, da sie auf engstem Raum zusammengepfercht leben müssen. Andere sorgen sich wegen eines möglichen Mangels an Lebensmitteln oder Medikamenten. Der größte und schwierigste Punkt betrifft physische oder psychische Gewalt.“

Diskrete Wege

Zwar wird im Moment im Bereich der „éducation sexuelle affective“ an Online-Kursen für das Lehrpersonal gearbeitet, dennoch ist die primäre Beschäftigung die medizinische Versorgung. Eine „contraception d’urgence“ erhält weiterhin jede Frau, die sich meldet. „Unsere Aktivitäten nehmen nicht ab. Allerdings werden im Moment beispielsweise keine Abstriche gemacht, die zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden könnten.“ Angst vor einem Mangel an Medikamenten hat der Planning auch in Luxemburg bei seinen Kundinnen ausmachen können. „Die WHO hat darauf aufmerksam gemacht, dass es hier und da zu Engpässen kommen kann. Viele Leute kommen und holen sich ihre Kondome bei uns ab, dafür muss man mittlerweile nicht mal mehr ins Gebäude kommen, sondern kann sich in einer Box selbst bedienen.“

Kontakt mit dem Planning familial kann man in dringenden Fällen weiterhin vor Ort aufnehmen, telefonisch, oder „über andere diskrete Wege, beispielsweise abends per E-Mail, wenn die Kinder schlafen oder während der Partner duscht. Eine Frau, die davon ausgeht, schwanger zu sein, kann sich auch über Facebook melden.“

In Stress- oder Angstsituationen kann es vorkommen, dass man möglicherweise erst ganz zum Schluss an die Verhütung denkt“

Ainhoa Achutegui, Präsidentin

1.705 Schwangerschaftstests wurden 2017 in den drei Zentren durchgeführt, 155 Kontrolltermine für Schwangere organisiert. Ist ein Abbruch gewünscht, sind zwei Visiten nötig. In einem ersten Beratungsgespräch wird über den möglichen Abort gesprochen. Drei Tage später findet der zweite Termin statt. „Das ist alles nicht ohne“, sagt die Präsidentin. Nach dem Einsatz bei der Senkung der Mehrwertsteuer (damit Tampons, Binden oder Menstruationstassen nicht mehr als Luxusartikel besteuert werden) hat der Planning zuletzt einen weiteren Erfolg verbucht: Die zweite der beiden nötigen Abtreibungspillen kann unter verschiedenen Auflagen mittlerweile zu Hause eingenommen werden, u.a. vorausgesetzt, dass eine weitere Person anwesend ist. Ansonsten sind vor der Einnahme der zweiten Pille mehrere Stunden Wartezeit in der Arztpraxis nötig. „Diese Änderung ist unter den aktuellen Umständen natürlich ein großer Schritt.“ 

Gleichzeitig gibt es aufgrund von Home-Office auch positive Wendungen: „Es ist interessant, zu sehen, dass sich Kunden, die regelmäßig psychologisch wegen Mobbing betreut werden, unter diesen Umständen erleichtert fühlen. Sie sind jetzt weder der Arbeit noch dem Stress und Mobbing der Kollegen ausgesetzt. Wenn man etwas Positives aus den aktuellen Umständen ziehen will, dann wäre es wohl das“, schlussfolgert Achutegui.

Planning-Präsidentin Ainhoa Achutegui
Planning-Präsidentin Ainhoa Achutegui Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante