Essbar oder giftig?Am Sommerende beginnt die Pilzsaison

Essbar oder giftig? / Am Sommerende beginnt die Pilzsaison
Giftig oder ungiftig? Verwechslungen führen oft zu gesundheitlichen Problemen. Foto: zb/dpa/Patrick Pleul

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Ende des Sommers beginnt üblicherweise die Pilzzeit, allerdings ist die Saison dieses Jahr wetterbedingt etwas verschoben. Doch Pilze sind mehr als nur Nahrungsmittel. Das Tageblatt sprach mit einem Kenner übers Sammeln, Genießbarkeit und Sonstiges rund um Pilze.

Ob eine einfache Pilzsuppe, Pasta mit Pilzsauce oder marinierte Champignons: Pilze sind für viele ein Genuss. Gegen Ende des Sommers beginnt die Zeit der Pilzsammler. Das größte Problem ist allerdings nicht so sehr, welche zu finden, sondern die Essbaren von den Ungenießbaren zu unterscheiden. Die schlechte Nachricht dabei ist, dass es kein einziges Merkmal gibt, an dem man einen giftigen Pilz von einem essbaren unterscheiden kann, unterstreicht der Pilzkenner Ben Schultheis. Zudem kann es wegen der ungemein hohen Anzahl an verschiedenen Pilzen leicht zu Verwechslungen kommen. Auch wenn man weiß, dass man einen giftigen Pilz hat, lässt sich sehr schwer sagen, ob er tödlich ist oder nicht. Wie so oft macht auch bei Pilzen die Dosis das Gift aus, die ist allerdings schwer zu bestimmen, weil das Gift nicht gleichmäßig verteilt ist. Außer dem Zucht-Champignon und der Trüffel sollte man Pilze nie roh essen.

Der giftigste, in Luxemburg vorkommende Pilz ist übrigens der grüne Knollenblätterpilz: Ein einziger Pilz kann einen Erwachsenen töten. Todesfälle durch Pilze seien zwar äußerst selten, Vergiftungen kämen aber immer wieder vor, erklärt Schultheis. Da keine Meldepflicht besteht, ist es nicht möglich zu sagen, wie viele Fälle es genau gibt. Die meisten Fälle von Pilzvergiftungen in Luxemburg ließen sich darauf zurückführen, dass Zugewanderte hier Pilze äßen, die sie glaubten, aus der Heimat zu kennen. Doch ein Pilz kann je nach Herkunftsgebiet verschiedene Eigenschaften besitzen. Eine Empfehlung gibt Schultheis in diesem Zusammenhang mit auf den Weg: Grundsätzlich sollte man darauf verzichten, Pilze am Straßenrand oder auf stark gedüngten, landwirtschaftlich genutzten Flächen zu sammeln, da die Pilze die Umweltgifte aufnehmen. Auch Pilze, die nahe an Eiben wachsen, sollte man meiden, da sie das Gift des Baumes aufnehmen.

Ein bescheidener Kenner

Ben Schultheis weiß, wovon er spricht: Seit rund 40 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit diesem Hobby. Zur Mykologie, der Pilzkunde, kam der in Abweiler lebende 79-Jährige in den 1980er Jahren über ein ganz anderes Hobby: das Laufen. Bei seinem täglichen Waldlauf fielen ihm zahlreiche Pilze auf. Es nervte ihn, dass er nicht wusste, wie die kleinen Dinger hießen. Zu dem Zeitpunkt war es üblich, dass Vereine, die mit der Natur verbunden waren, im Herbst Pilzausflüge mit anschließender Ausstellung veranstalteten. Hier traf er auf die wenigen Kenner der Materie und bekam die nötigen Informationen, die ihm den Einstieg in das Fachgebiet ermöglichten.

Ben Schultheis an seinem Mikroskop, wo er einen Großteil der mykologischen Arbeit verrichtet
Ben Schultheis an seinem Mikroskop, wo er einen Großteil der mykologischen Arbeit verrichtet Foto: Editpress/Alain Rischard

Zum Kenner wurde er „aus Roserei“, wie er sagt: „Es gab Leute, die mit dem Wissen über fünf verschiedene Pilze prahlten und sich damit als Kenner aufspielten; mit Kenntnissen über zehn Pilze galt man damals praktisch als ,Weltmeister‘. Ich nahm das als Herausforderung und wollte zum Superweltmeister werden.“ Was ihn an den Pilzen faszinierte, war das Mysteriöse.

Heute kennt Ben Schultheis um die 500 verschiedene Arten, doch trotzdem bleibt er bescheiden. Angesichts der ungeheureren Vielfalt der Lebensform „Pilz“ müsse man das sein. Allein die Frage, wie viele Pilze es gibt, variiert je nachdem, wo man sich informiert, zwischen mehreren Hunderttausend und einigen Millionen. In Luxemburg sind im Herbarium des Naturmuseums rund 5.000 einheimische Pilz- und Flechtenarten hinterlegt. Kenner schätzen, dass diese Zahl sich um 2.000-3.000 erhöhen könnte. Laut Gesetz dürfen aber nur 55 Arten gesammelt werden. (s. Liste unter www.grm.lu).

Der rote Gitterling ist normalerweise in wärmeren Ländern zu finden; 2007 wurde er an zwei Stellen in Luxemburg gefunden, ist aber wieder verschwunden
Der rote Gitterling ist normalerweise in wärmeren Ländern zu finden; 2007 wurde er an zwei Stellen in Luxemburg gefunden, ist aber wieder verschwunden Foto: Ben Schultheis

Es ist eine uralte Erkenntnis: Je mehr man lernt, umso bewusster wird einem, wie wenig man trotzdem weiß. Schultheis wehrt sich entschieden dagegen, dass man ihn als „Mykologen“ oder auch nur Spezialisten bezeichnet. „Von einem Spezialisten erwartet man, dass er alles weiß.“ Die Mykologie werde übrigens hauptsächlich von begeisterten Amateuren betrieben, hauptberufliche Mykologen gebe es sehr wenige, in Luxemburg gar keine. Sein Spezialgebiet sind die Nichtblätterpilze. Davon besitzt er eine Sammlung von rund 1.100 verschiedenen Arten mit insgesamt etwa 4.500 Exemplaren, alle fein säuberlich getrocknet und in Umschlägen aufbewahrt, auf denen nicht nur der Name des Pilzes, sondern auch alle wissenschaftlichen Daten festgehalten werden.

Schultheis ist eines der zwölf Mitglieder der „Groupe de recherche mycologique“ (GRM), einer Unterabteilung der 1890 gegründeten „Société des naturalistes luxembourgeois“. Vorreiter im Bereich der Mykologie hierzulande war Dr. Johann Feltgen (1833-1904), doch erst Anfang der 1970er Jahre hat der Naturforscher und Mykologe Félix Jungblut (1898-1988) die Pilzforschung erneut vorangetrieben. 1983 wurde die GRM gegründet. Die Vereinigung plagen allerdings, wie so viele andere, Nachwuchssorgen. Diesen versucht sie mithilfe von Ausbildungskursen zu begegnen. Termine findet man auf der Website der Vereinigung.

Doch der Lernprozess ist langsam. Geduld und Ausdauer seien zwei wichtige Eigenschaften, die ein Pilzliebhaber mitbringen müsse, sagt Schultheis. Und will man den Schritt vom einfachen Pilzliebhaber zum Experten machen, muss man zur Arbeit mit einem Mikroskop übergehen. Sein Ratschlag an Anfänger lautet, an einer geführten Pilztour mit einem Experten teilzunehmen, und sich dann Pilz für Pilz in die Materie einzuarbeiten.

Wie anfangs erwähnt, beginnt die Pilzsaison „normalerweise“ gegen Ende August, doch auch Pilzsammler spüren die Auswirkungen des ungewöhnlichen Wetters. Der regenreiche Sommer brachte mit sich, dass die Pilzsaison nicht etwa jetzt startet, sondern bereits im vollen Gange ist.

Quellen: „Sur les traces des champignons comestibles et toxiques du Luxembourg“, Administration de la Nature et des Forêts, 4. Ausgabe, 2015

Website der „Groupe de recherche mycologique“: www.grm.lu

Camembert, Penicillin und Zauberpilze

Der Fachbegriff für die Pilzkunde „Mykologie“ stammt aus dem 18. Jahrhundert, als man anfing, sich wissenschaftlich mit den Pilzen zu beschäftigen. Pilze spielen u.a. eine wichtige Rolle in unseren Ökosystemen, da sie zu einem Großteil für das Recycling von organischen Abfällen verantwortlich sind.
Spricht man von Pilzen im kulinarischen Bereich, so gibt es nicht nur Speisepilze. Einer der „gebräuchlichsten“ Pilze im Alltag ist „Saccharomyces cerevisiae“, besser bekannt unter den Namen Back- oder Bierhefe. Der beliebte Käse „Roquefort“ erhält seine bläuliche Färbung durch den Pilz „Penicillium roqueforti“, der Camembert seine Kruste vom „Penicillium camemberti“. Das Antibiotikum Penizillin hingegen wurde aus der Schimmelart „Penicillium notatum“ gewonnen.
Die Welt der Pilze beschränkt sich jedoch nicht auf den Speiseteller und den medizinischen Bereich. Pilze faszinieren Menschen seit langen Zeiten, in Märchen und Volkserzählungen tauchen sie z.B. als Zauberpilze und als Werkzeuge von „Hexen“ auf. Diese halluzinogenen Pilze werden seit Jahrhunderten von Schamanen für ihre Zeremonien benutzt. In unseren Gegenden gehören dazu der Spitzkegelige Kahlkopf sowie der bekannteste und zugleich auch einer der schönsten Pilze, der Fliegenpilz.
Luxemburgische Namen für Pilze gibt es übrigens sehr wenige, hauptsächlich für Pilzkrankheiten bei Pflanzen.

Einige Ratschläge für Pilzsammler

– Beim Sammeln keine Plastiktüte, sondern einen Korb verwenden, damit die Pilze nicht einweichen.
– Vermeiden Sie es, rohe Pilze zu essen: Viele enthalten Gifte, die beim Erwärmen vernichtet werden.
– Vermeiden Sie es, Pilze am Straßenrand oder von landwirtschaftlichen Flächen zu essen.
– Es gibt kein Merkmal, anhand dessen man eindeutig sagen kann, ob ein Pilz giftig ist; im Zweifelsfall können Sie sich bei der Gruppe der luxemburgischen Mykologen beraten lassen, auch via E-Mail.