EU-ParlamentAbsprache der drei großen ärgert die kleinen Fraktionen

EU-Parlament / Absprache der drei großen ärgert die kleinen Fraktionen
Anders als in den Zeiten vor Corona nahmen viele EP-Abgeordnete nicht vor Ort an der gestrigen Wahl des Präsidiums teil Foto: Jean-François Badias/AP

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Wie vor der Erneuerung des Präsidiums des Europäischen Parlaments (EP) üblich gingen auch dieses Mal der Wahl der neuen EP-Präsidentin sowie ihrer 14 Stellvertreter politische Absprachen zwischen den großen politischen Gruppierungen voraus.

Dass die Europäische Volkspartei (EVP) für die zweite Hälfte der fünfjährigen Legislaturperiode den Parlamentspräsidenten stellen würde, war bereits nach der Europawahl 2019 vereinbart worden. Bei der Vergabe der Posten der Vizepräsidenten kam es allerdings dieses Mal zu einer Änderung: In der zweiten Wahlrunde wurde der Lette Roberts Zile von den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) gewählt. Die EKR-Fraktion stellte bislang noch keinen Vizepräsidenten, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Fraktion vormals von den Brexiteers, den britischen Tories, geführt wurde. Tonangebend in der Fraktion sind nach dem Brexit und damit dem Ausscheiden der Tory-Abgeordneten aus dem EP die polnischen Abgeordneten der in ihrem Land regierenden PiS-Partei, die sich auf Kollisionskurs mit der EU befinden.

Die politischen Absprachen im Vorfeld der Wahlen wurden dem Vernehmen nach erst am Montag zwischen den drei großen Fraktionen im EP – der EVP, den Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (Renew Europe) – mit einem Zehn-Punkte-Abkommen abgeschlossen. Allerdings versicherten gestern sowohl die Vorsitzende der S&D-Fraktion, die Spanierin Iratxe Garcia Pérez, als auch ihr Kollege der Liberalen, der Franzose Stéphane Séjourné, nichts mit den EU-Skeptikern der EKR ausgemacht zu haben. Der EKR-Kandidat kam im zweiten Wahlgang dennoch auf ein stattliches Wahlresultat von immerhin 403 Stimmen, das er kaum allein den Abgeordneten seiner Fraktion und jener der EVP verdankt. Denn beide kommen zusammen gerade einmal auf maximal 241 Abgeordnete.

Enttäuschung bei Grünen und Linken

Zumindest unzufrieden und enttäuscht über diese Kungelei in der rechten Parlamentshälfte zeigten sich gestern die Fraktionsvorsitenden der Grünen und der Linken. Der Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Philippe Lamberts, ärgerte sich, dass es den beiden großen politischen Gruppierungen im EP nicht um Werte gehe, die das Parlament repräsentiere, sondern einzig um Posten. Die Grünen seien nicht einmal an den Verhandlungen zwischen den drei großen Fraktionen beteiligt gewesen. Die Liberalen hätten nicht mit ihnen kooperieren wollen, sagte Lamberts, da sie sowie die Sozialdemokraten mehr Vizepräsidentenposten für sich haben wollten. Was denn auch dazu führte, dass die Grünen nur mehr eine EP-Vizepräsidentin stellen, und keine zwei, wie bisher.

Doch auch die Fraktion der Linken, die sich ebenso wie die Grünen in der Vergangenheit immer wieder den drei Großen angeschlossen hatte, wenn es darum ging, pro-europäische Positionen zu verteidigen, ließ ein gewisses Maß an Enttäuschung durchblicken. Die Linke habe in der Vergangenheit gezeigt, dass man mit ihr zusammenarbeiten könne, wenn es um Fragen der Rechtsstaatlichkeit, des Klimawandels und Soziales gegangen sei, sagte die Ko-Vorsitzende Manon Aubry. „Wir haben immer die Hand ausgestreckt“, wenn es um einen politischen Austausch gegangen sei, sagte die Französin, die darauf bestand, dass ihrer Partei zumindest ein Vizepräsident zustehe. Den sollten sie am späten Abend denn auch erhalten: Der Grieche Dimitrios Papadimoulis wurde noch vor der Grünen Heidi Hautala aus Finnland in der letzten Wahlrunde gewählt.

Heute steht noch die Wahl der fünf Quästoren im EP an. Hier stellt sich unter anderen der luxemburgische EVP-Abgeordnete Christophe Hansen der Wahl, der dazu von seiner Fraktion nominiert wurde.