Politiker reagieren„Eine Tribüne für Fake News“: Die öffentliche Debatte im Visier der Schwurbler

Politiker reagieren / „Eine Tribüne für Fake News“: Die öffentliche Debatte im Visier der Schwurbler
Nur selten übernahm Petent David Georgiu während der Debatte zur Petition gegen die Impfung von Kindern mit genbasierten Vakzinen das Wort. Es waren vor allem die Begleiter der Petenten, welche die Bühne nutzten, um u.a. ihre Theorien über die Wirksamkeit einzelner Vakzine zu verbreiten. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Zwei Petitionen wurden am Mittwochnachmittag in der Chamber diskutiert. Das Auffällige bei der ganzen Sache: Die Petenten kamen kaum zu Wort. Die Bühne wurde nämlich den Begleitern überlassen, die sich größtenteils aus medizinischen Experten aus dem Ausland zusammensetzten, um fragwürdige Informationen zu verbreiten. Piraten-Abgeordneter Sven Clement erklärt im Gespräch mit dem Tageblatt, dass Menschen hierbei das Petitionssystem missbraucht haben. Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Nancy Kemp-Arendt (CSV), sagt, dass auch Menschen, die anderer Meinung sind, zu Wort kommen müssen, um ihre Sorgen zu verstehen.

Zwei Debatten über Petitionen rund um die Coronavirus-Impfung fanden am Mittwochnachmittag in der Chamber statt. Diskutiert wurde über die Petition Nr. 1950, die eine generelle Impfpflicht verhindern will und insgesamt 11.456 Unterschriften sammeln konnte, sowie über die Petition Nr. 1916, die sich gegen die Impfung von Kindern mit genbasierten Vakzinen ausspricht und 4.674-mal unterschrieben wurde.

Die Petenten hatten sich im Vorfeld der Debatte Verstärkung von Experten geholt: Die Antragsteller besetzten die Petenten-Bank im Parlamentsgebäude unter anderem mit dem französischen Arzt Christian Perronne und dem in Luxemburg praktizierenden Arzt Benoît Ochs. Die Nachrichtenagentur AFP hatte Perronne im Dezember 2021 einem Faktencheck unterzogen. Das Fazit: Der Arzt gebe, trotz Doktortitel, wenig wissenschaftliche Dinge von sich. Perronne wurde 2020 wegen seiner Äußerungen zur Corona-Pandemie von seinem Posten als Leiter der Abteilung für Infektions- und Tropenkrankheiten am Raymond-Poincaré-Krankenhaus enthoben. Begleitet wurden die Petenten zudem vom französischen Virologen Luc Montagnier – der unter anderem behauptete, dass die Corona-Impfung neue Virusvarianten auslöst.

„Tribüne für Fake News“

An den Debatten, die von der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Nancy Kemp-Arendt (CSV), geleitet wurden, nahmen auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und „Santé“-Direktor Jean-Claude Schmit teil. Unter den Abgeordneten, die während der Diskussionen Fragen an die Petenten stellten, befand sich auch der Piraten-Abgeordnete Sven Clement. Dieser hatte sich auf Twitter frustriert über die Behauptungen und Aussagen der Experten gezeigt– es handele sich bei der Debatte um einen „Dialog der Hörlosen“. In einem Gespräch mit dem Tageblatt am Donnerstagmorgen sagte er: „Das war keine Debatte – es war eine Tribüne für ‚Fake News‘.“ Clement erklärte, dass „angebliche“ Experten die Diskussionen gekapert hätten, um ihre eigenen Narrative zu verbreiten. Die Debatte am Mittwoch habe zudem gezeigt, dass Luxemburg keine Diktatur sei, sondern eine Demokratie, in der Menschen eine Stimme haben. Das eigentliche Problem sei jedoch, dass ausländische „Scharlatane“, wie Clement die Experten bezeichnete, den Petenten größtenteils ihre Stimme genommen haben. Er verstehe es, dass sich Menschen Fragen rund um die Impfung stellten und sich Sorgen wegen der Impfung bei Kindern machten. Er glaube aber, dass die Petenten, die gegen eine Impfpflicht sind, nicht eins zu eins die Aussagen von Luc Montagnier unterschreiben würden, so Clement.

Nancy Kemp-Arendt (CSV) zeigte sich indessen zufrieden über die Art, wie die Diskussionen geführt wurden. Im Gespräch mit dem Tageblatt am Donnerstagnachmittag sagte die Abgeordnete, dass man bei Petitionen „nicht immer das hört, was man hören möchte. Meine Arbeit besteht darin, den Menschen eine Debatte zu bieten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung und die von 11.000 Unterstützern zu teilen.“ Die Debatte sei zu einem ganz großen Teil in einem ruhigen Ton geführt worden, so Arendt.

Der Dialog der Gehörlosen. Etwas behaupten und Fakten ignorieren. So kann man keine Debatte führen.

Sven Clement über Twitter, Abgeordneter (Piratepartei)

Sven Clement befürchtet jedoch, dass in Zukunft öffentliche Debatten genutzt werden könnten, um die Begleiter der Petenten zu Wort kommen zu lassen. Dieses Problem sei am Donnerstagmorgen in der „Conférences des présidents“ diskutiert worden – der Petitionsausschuss habe bereits vor drei Monaten einen Brief erhalten, um neue Regeln zum Umgang mit „angeblichen“ Experten zu finden, sagte der Abgeordnete. „Für das Petitionsrecht ist es wichtig, dass die Petenten sprechen und nicht andere Menschen, die die Petition von Anfang an nicht unterschreiben dürfen“, so Clement.

Was die Begleiter der Petenten anbelangt, sei Arendt gleicher Meinung. Der eigentliche Zweck der Begleiter bestehe darin, dass die Antragssteller unterstützt werden können, z.B. wegen sprachlicher Probleme. Ein Petent könne bis auf fünf Begleiter zurückgreifen, um seine Idee besser zu verteidigen, so Arendt. „Es kann aber nicht sein, dass nur noch die Experten am Ende das Wort haben und die Fragen beantworten und der Petent, der die Idee präsentiert, nicht mehr zu Wort kommt – der Petitionsausschuss muss hier in Zukunft mehr aufpassen“, so Arendt. Man habe schon öfters eine Diskussion darüber geführt, wie sich der Ausschuss besser organisieren könnte, um die Bühne nicht komplett den Experten zu überlassen.

Demokratisches Werkzeug oder Plattform für Selbstinteressen?

Auf die Frage, wie man Falschinformationen bei Debatten zukünftig unterbinden könnte, antwortete Clement, dass ganz klar die Petenten das Wort haben müssten und nicht die Experten. „Diese sollten nur noch hinter den Petenten, in der zweiten Reihe, sitzen und kein Rederecht mehr haben“, so Clement. Die Experten sollten den Petenten nur als Berater zur Seite stehen, falls sich diese z.B. bei einer Frage nicht sicher seien. „Es kann nicht sein, dass wir ,angebliche‘ Experten zu Wort kommen lassen, die gar nichts mit der Petition zu tun haben“, so der Pirat.

„Fünf Mal wurde behauptet, dass die Phase-3-Tests der Corona-Impfstoffe nicht abgeschlossen wären“, sagte Clement. „Es stimmt, dass es noch einzelne Phase-3-Tests gibt, die verlängert wurden. Aber bei Biontech/Pfizer gibt es alleine bereits 20 Phase-4-Tests.“ Das einzige Vakzin, das sich in Europa noch in der dritten Phase befindet, sei das von Novavax. Der Abgeordnete bedauert zudem, dass eine Debatte zur Impfpflicht geplant wurde und sich letzten Endes nur Menschen zu vereinzelten Vakzinen zu Wort meldeten. Das Problem seien nicht die Diskussionen rund um heikle Themen wie die Impfpflicht, sondern die Begleiter der Petenten, die das Ganze für eigene Zwecke ausnutzten.

Lediglich Dr. Blum habe sich mit dem eigentlichen Thema der Petition beschäftigt, sagte Clement. Sinn und Zweck der Petition sei es nicht, Menschen wie Dr. Ochs über ihren Prozess reden zu lassen. „Hier haben Menschen eine Bühne gesucht und dadurch das Petitionssystem missbraucht.“ In Zukunft müsse man die Rolle der Begleiter besser definieren und auch den Petenten erlauben, ihre Dokumente, die zur Unterstützung dienen, im Vorfeld einzureichen. Somit könnten sich die Abgeordneten in der Chamber besser auf die Diskussionen vorbereiten und konkrete Fragen stellen.

Die CSV-Abgeordnete Nancy Kemp-Arendt würde es jedoch schlimm finden, wenn man Menschen, welche anderer Meinung seien und mit ihren Ideen etwas verloren seien, verbiete, ihre Sorgen im Parlament zu präsentieren. „Das wäre ein sehr schlechtes Zeichen der Demokratie“, sagte Arendt. Es sei an den Politikern, den Sorgen der Petenten zuzuhören. „Ich wäre traurig gewesen, wenn wir den Petenten zugehört hätten, nachdem wir bereits eine Impfpflicht eingeführt hätten.“ Die Sorgen der Bürger hätten sich während der Pandemie drastisch geändert. „Die Bürger haben viel mehr Angst als vorher“, so Arendt. Man dürfe deren Meinung nicht als Schwachsinn abstempeln.

J.C. Kemp
14. Januar 2022 - 16.46

Dass so wenige sich schlussendlich in ihre Gemeindehäuser bewegt haben, um die Forderung nach einem Referendum zu unterschreiben, sagt doch eigentlich genug zum Wert dieser Petition.

Klawir
14. Januar 2022 - 12.26

Man kann sich des Eindrucks sehr schwer erwehren dass öfters die eigentlichen Petitionäre nur Strohleute derer sind die letztendlich die Chambertribüne missbrauchen um ihren Schwurblerstuss vom Stapel zu lassen. Wenn einer eine Petition einreicht dann sollte er auch den Mut und die Kompetenz haben diese selbst vor der Kommission zu verteidigen mit maximal einem (Rechts)beistand. Dass jeder 6 Personen mitbringen darf ist ein Witz.

Paul
14. Januar 2022 - 9.37

"Man dürfe deren Meinung nicht als Schwachsinn abstempeln." Doch, darf man!

Danielle Tara
14. Januar 2022 - 9.23

Dat as eng Farce. Souer dierften guer net zou geloos gin. Dei sin gefeierlech mat hieren Fake news. Mir gesin jo wou eis dat net impfen bruet huet. Den Virus muteiert weider Kanner mussen elo geimpft gin well dei Erwuessener sech net all impfen geloos hun. Awer ech muss soen eis Regierung Mme Lenert as vill och drun Schold. Sie huet vill ze vill lang mat der Impfpflicht oder weinstens 2 G geward. An ward nach……

HTK
14. Januar 2022 - 8.47

"..das Petitionssystem missbraucht haben." Recht hat der Sven Pirat.Aber wird das Instrument Petition nicht schon lange missbraucht? Da kommen Anfragen auf die Agenda da sträuben sich einem die Nackenhaare. Wenn man natürlich Zugang ins hohe Haus der Politik bekommt, sollte man auch davon profitieren um seinen Unsinn wirksam unter die Menge zu bekommen.Sei es der dubiose Dr.Ochs oder ein Pauli oder Freitag usw.Diese Leute leiden an einer Art kognitiver Dissonanz. Man hat sich so tief in den Schlamassel geredet,da kann man nicht mehr zurück ohne das Gesicht zu verlieren.Fragt sich nur: Was für ein Gesicht?