„Enseignement musical“Der Kuhhandel mit den Lehrbeauftragten

„Enseignement musical“ / Der Kuhhandel mit den Lehrbeauftragten
ACEN-Vorstandsmitglied Laurent Clement und ACEN-Präsident Luc Wildanger werfen den zuständigen Ministern nach wie vor eine Vermischung der Dossiers im „Enseignement musical“ vor Foto: Editpress/Eric Rings

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Auch mit dem neuen Gesetz zum „Enseignement musical“, das im Juni dem Parlament vorgelegt wird, werden nicht alle bisherigen Versäumnisse am Status der „Chargés“, also der Lehrbeauftragten, im Musikunterricht aufgehoben sein. „Wir sind weiterhin die ‚Stoussnéckelen‘ der Nation“, moniert der Präsident der Gewerkschaft ACEN. Manche „Chargés“ sollen wohl durch das neue Gesetz sogar dazu animiert werden, freiwillig auf ihren Master zu verzichten.

Die „Chargés“ im „Enseignement musical“ sind keineswegs grundsätzlich gegen das neue Musikschulgesetz. Da sie sich sehr intensiv mit den Dossiers zum alten Gesetz von 1998 befassen, welches sie als ein einziges „Kuddelmuddel“ bezeichnen, findet es die Gewerkschaft in dieser Hinsicht sogar begrüßenswert, dass nun endlich so etwas wie ein roter Faden entstehen soll. Das sagen Luc Wildanger, ACEN-Präsident, und Laurent Clement, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft, im Tageblatt-Gespräch. Im Juni 2021 soll das Gesetzesprojekt im Parlament abgelegt werden.

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„Eines der größten Probleme für uns ist die ständige Vermischung, die jetzt erneut gemacht wird“, sagt Luc Wildanger. Wiederholt hat die Gewerkschaft nämlich die beiden zuständigen Minister Claude Meisch (Bildung und Hochschule) und Taina Bofferding (Inneres) darauf hingewiesen, dass es im „Enseignement musical“ sehr große Versäumnisse gibt, insbesondere was das Statut der Lehrbeauftragten angeht, die aktuell in dem Bereich beschäftigt sind. Diese Versäumnisse sind laut Wildanger wirklich nicht neu und haben de facto auch rein gar nichts mit dem neuen Gesetz zu tun. Es ist das, was Wildanger Vermischung nennt. Claude Meisch hatte auf Tageblatt-Nachfrage im Oktober 2020 gesagt, dass die Regierung sich der Problematik bewusst sei und dass man nach Lösungen suche.

Wir verlangen schlichtweg, dass das jetzt endlich angepasst wird. Leider vermischen die zuständigen Minister aber diese längst überfällige Revalorisierung mit dem neuen Musikschulgesetz.

Luc Wildanger, ACEN-Präsident

„Die Kollegen, die im Moment im ‚Enseignement musical‘ ihrer Arbeit nachgehen, sind zwar mit ihrem Bachelor oder Master klassiert, haben das jeweilige Diplom also de facto vom Staat längst anerkannt bekommen, werden aber nicht gleichwertig zu den anderen Karrieren in Luxemburg entlohnt“, sagt der ACEN-Präsident. „Wir verlangen schlichtweg, dass das jetzt endlich angepasst wird. Leider vermischen die zuständigen Minister aber diese längst überfällige Revalorisierung mit dem neuen Musikschulgesetz.“ Für Wildanger sind das aber zwei verschiedene Baustellen. „Wir sind es satt, stets auf ein Gesetz vertröstet zu werden, das irgendwann in der Zukunft kommt, da das Problem unserer Meinung nach bereits vor Jahren hätte beseitigt werden müssen.“

Seit Jahrzehnten kämpfen die „Chargés“ für eine vollwertige Anerkennung ihrer Diplome. Mit den Reformen von 2015 und 2017 und dem unermüdlichen Einsatz der ACEN wendete sich endlich einiges zum Guten, doch die „Chargés“ aus dem „Enseignement musical“ wurden damals als einzige erneut ausgeklammert. Im Jahr 2015 wurden mit der Reform des öffentlichen Dienstes die Diplome beim luxemburgischen Staat harmonisiert. 2017 folgte die Gehälterreform der Gemeinden. „Bei beiden Reformen wurden die ‚Chargés’ missachtet“, so Wildanger.

„‚Chargés’ werden seit Jahrzehnten ausgebeutet“

ACEN ist die einzige Gewerkschaft, die sich für die Belange aller „Chargés“ einsetzt und hier im Spezifischen für jene des „Enseignement musical“. Die Vertreter stellen klar, dass „Chargés“ eben nicht irgendwelche unqualifizierten Ersatzlehrer sind, die irgendwo einspringen. Sie sind vollwertige Lehrbeauftragte mit Diplom. Dies sei vielen Leuten leider immer noch nicht bewusst. Im Musikunterricht sind sie „Salarié“ oder „Employé communal“ und unterstehen den Gemeinden. Nur in den Musikkonservatorien können einige wenige Stellen mit Musiklehrern aus der Kategorie „Fonctionnaire“ besetzt werden. Diese Stellen müssen allerdings explizit als solche ausgeschrieben sein. In diesem Fall spricht man von einem „Museksproff“. Alle anderen Stellen werden mit Lehrbeauftragten besetzt. Die gewaltige Mehrheit der Musiklehrer sind demnach „Chargés“ und die meisten „Chargés“ haben mittlerweile die gleiche Ausbildung wie ein „Proff“ und machen auch die gleiche Arbeit. Dennoch würden sie nicht dementsprechend entlohnt. Die ACEN-Vertreter sehen hier ganz klar eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Wir sind der Meinung, dass man zuerst die Ungerechtigkeit, die hier ‚um Terrain‘ existiert, abschaffen sollte. Dann erst hätte man mit einem neuen Musikschulgesetz nachlegen sollen.

Luc Wildanger, ACEN-Präsident

Luc Wildanger bezeichnet die „Chargés“ des „Enseignement musical“ deshalb als die größte Gruppe an „Stoussnéckelen“ beim Luxemburger Staat. Er sagt: „Die ‚Chargés‘ sind in Luxemburg eigentlich seit zwei Jahrzehnten stets ausgebeutet worden.“ Laut Wildanger wurden sie immer schlechter klassifiziert und haben im Prinzip alle Nachteile, die ein Lehrer hat und gleichzeitig keines der Vorteile. Demnach müssen sie die gleiche Arbeit machen wie ein „Proff“, haben aber nicht die gleichen Rechte und Bedingungen. „Wir sind der Meinung, dass man zuerst die Ungerechtigkeit, die hier ‚um Terrain‘ existiert, abschaffen sollte. Dann erst hätte man mit einem neuen Musikschulgesetz nachlegen sollen.“ Das neue Musikschulgesetz sei so aber keine Lösung für die Probleme, die beim Klassieren der Lehrbeauftragten über Jahrzehnte hinweg geschaffen wurden.

Am 22. März hatten die Gewerkschaftsvertreter der ACEN und der FGFC eine Unterredung mit den Ministern Bofferding und Meisch. Dort haben sie Teile des Gesetzesprojektes vorgestellt bekommen. Den integralen Text haben sie nicht zu Gesicht bekommen. „Wir sind so nicht einverstanden mit dem neuen Gesetz zum „Enseignement musical“, sagt Wildanger. Laurent Clement, Sekretär der ACEN, erklärt, dass man diese Unterredung in der Form eigentlich schon im Dezember 2019 angefragt hatte. Sie fand jetzt also über ein Jahr später statt. Er hat das Gefühl, dass zu viel auf Zeit gespielt wird. In diesem fortgeschrittenen Stadium des Gesetzes wird es seiner Meinung nach immer schwieriger, auf Versäumnisse hinzuweisen oder größere Veränderungen vorzunehmen, da das Gesetz ja bereits im Juni im Parlament abgelegt werden soll.

Das Statut der „Chargés“, die einen Bachelor haben, wurde darin neu geregelt. Wildanger zitiert eine Aussage der Minister, dass die „Chargés“ nun ja endlich nach der „richtigen“ Karriere eingestuft würden. Das A2 des Bachelors wird in Zukunft also tatsächlich auch der Entlohnung der A2-Stufe entsprechen. Dies ist eine lang ersehnte Forderung der ACEN und eigentlich schon seit 2015 eine Selbstverständlichkeit beim Luxemburger Staat. Davor wurde die A2-Stufe der „Chargés“ nämlich unterhalb der sonst üblichen A2-Kategorie angesiedelt. „Damit haben die Minister aber eigentlich alles gesagt“, so der ACEN-Präsident. „Denn dann war die bisherige Einstufung also unumstößlich ‚falsch‘.“

Master-Karriere wird mit neuem Gesetz abgeschafft

Was die Gewerkschafter aber nicht akzeptieren können, ist die Tatsache, dass die A1-Karriere für Lehrbeauftragte mit dem neuen Gesetz abgeschafft wird. Das Gesetz sieht zwar nicht vor, dass die vorhandenen Lehrbeauftragten gezwungen werden, auf ihren Master zu verzichten. Lassen sie ihren Master aber weiter gelten, werden sie weiter nach dem „falschen“ Master bezahlt. Verzichten sie jedoch auf ihren Master und lassen sich also in der Bachelorkarriere, die darunter liegt, einstufen, werden sie in Zukunft zwar mehr verdienen, akzeptieren aber eine Abwertung ihrer Einstufung. „Was ist denn das für ein Angebot?“, moniert Wildanger. „Dies ist inakzeptabel für uns. Das Angebot müsste lauten: Ihr seid seit Jahren mit eurem anerkannten Master im Dienst für Staat und Gemeinden, jetzt kriegt ihr endlich den wohlverdienten ‚richtigen‘ Master.“

Der neue Bachelorstudiengang an der Uni.lu geht Hand in Hand mit dem neuen Gesetz des „Enseignement musical“. Es wird demnach angestrebt, dass Lehrbeauftragte im Musikunterricht zukünftig einen Bachelor haben sollen. Wer nachher noch einen Master auf den Bachelor aufbauen möchte, kann dies natürlich tun, aber es wird ihm als „Chargé“ nichts nützen. Wer sich dann allerdings auf eine „Proff“-Stelle bewerben will, der muss dann aber nach wie vor im Besitz eines Masters sein.

Was ebenfalls auf einer Linie mit diesem Vorhaben liegt, ist die Abschaffung des ersten Preises in den Musikschulen. Dieser kann in Zukunft nur noch in Musikkonservatorien abgelegt werden. Der erste Preis entspricht einem Abitur im Bereich der Musiklehre und gilt demnach sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer als ein eher anspruchsvollerer Unterricht, sagt Laurent Clement. Nun sollen die Lehrer an den Musikschulen – dort arbeiten nämlich nur „Chargés“ – nur noch mit Bachelor eingestellt werden und der anspruchsvollere Unterricht des „premier prix“ wird ihnen entzogen. Die beiden Gewerkschafter bedauern diesen Schritt. Clement sagt, dass vielen Schülern damit die Möglichkeit abhandenkommt, ihren ersten Preis an der lokalen Musikschule zu erwerben. Nun müssten sie sich an den weniger lokalen Musikkonservatoiren einschreiben, wenn sie einen „premier prix“ ablegen wollen. Das wird sich laut Clement auch negativ auf die Schülerzahlen der Musikschulen auswirken.