RotondesIm Kampfring der Dichter: Insgesamt drei Gewinner beim „Poetry Slam de Lux’ 14“

Rotondes / Im Kampfring der Dichter: Insgesamt drei Gewinner beim „Poetry Slam de Lux’ 14“
Die sieben Teilnehmer (v.l.n.r.): Lisa Pauline Wagner, Elena Sarto, Chris L., Robin Bonenfant, Cosimo Suglia, Joel Perrin und Hugo Ayala Foto: Editpress/Claude Lenert

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Sieben Teilnehmer, sechs Länder, zwei Veranstaltungen: Für Liebhaber literarischer Wettbewerbe war der „Poetry Slam de Lux’ 14“ unumgänglich. Nach der ersten Veranstaltung in Wiltz fand am Samstagabend der Abschluss in den „Rotondes“ statt. Die belgische Slammerin Robin Bonenfant konnte dort den Dichterwettstreit für sich entscheiden.

Samstagabend, 20 Uhr. Die Zuschauerreihen in den „Rotondes“ sind fast vollständig besetzt. Rund 130 Schaulustige wollen der 14. Ausgabe des „Poetry Slam de Lux‘“ beiwohnen – und über den glücklichen Gewinner mitbestimmen. Während zwei Stunden liefern sich sieben Slammer aus sechs Ländern – Luxemburg, Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz – einen mehrsprachigen Dichterwettstreit, wie er nur einmal im Jahr in Luxemburg stattfindet. Moderiert wird die Crème de la Crème des Poetry-Slam vom luxemburgischen Slammer Bob Reinert. Sara Andjelkovic, die ebenfalls als Moderatorin vorgesehen war, musste krankheitsbedingt absagen.

Der Wettbewerb in den „Rotondes“ ist die zweite und letzte Kampfarena des „Poetry Slam de Lux‘ 14“. Am Vortag konnten die sieben Teilnehmer ihr Talent bereits im „Prabbeli“ in Wiltz unter Beweis stellen. Der Schweizer Joel Perrin und die Österreicherin Elena Sarto kassierten dort beim großen Finale den größten Applaus und konnten somit beide den Wettbewerb für sich entscheiden. In den „Rotondes“ will Reinert – zumindest was die Festlegung der drei Finalisten betrifft – es nicht auf die Menge an Applaus ankommen lassen, sodass er nach dem Zufallsprinzip „sieben Opfer, die keinen Bock haben, das Event zu benoten“, mit der Bewertung der Slammer beauftragt. Mithilfe einer Punktetafel zwischen 1 und 10, wobei 10 die bestmögliche Bewertung ist, dürfen diese Zuschauer über die Finalisten mitentscheiden. Die höchste und niedrigste Punktzahl werden am Ende gestrichen. Somit kann jeder Slammer ein Maximum von 50 Punkten erreichen.

„Wir haben hier nur die Besten der Besten sitzen“

Für die Teilnehmer gelten nur wenige Regeln: Der Text muss aus der eigenen Feder stammen, wobei Zitate vereinzelt erlaubt sind. Requisiten und Kostüme sind dagegen nicht gestattet. Der Grund? „Poetry Slam soll so real wie möglich bleiben“, findet Reinert. Und: Jeder Slammer hat höchstens sechs Minuten Zeit, um die Zuschauer von seinem Auftritt zu überzeugen. Sofern der vorgesehene Zeitraum nicht überschritten wird, können auch mehrere Texte vorgestellt werden. Die Teilnehmer werden auf zwei Qualifikationsrunden verteilt, wobei der Teilnehmer mit der höchsten Punktzahl aus jeder Runde sich direkt einen Finalplatz sichert. Außerdem schafft der bestplatzierte Zweite den Sprung ins Finale.

In der ersten Runde treten Joel Perrin, die Deutsche Lisa Pauline Wagner und der Franzose Hugo Ayala gegeneinander an. Hier treffen zwei deutsche Texte auf zwei französische – da Ayala zwei Werke vorträgt. Alle Teilnehmer liefern gelungene Auftritte ab. Besonders Wagners Text „Vier Dinge, für die wir uns rechtfertigen müssen“ ist überzeugend. Hier beschreibt sie, wie Frauen für ihre Lebensentscheidungen kritisiert werden, unabhängig davon, ob sie Kinder, Karriere, beides oder nichts von beidem unter einen Hut bekommen möchten. Den Sprung ins Finale schafft jedoch Perrin, der mit seinem Text „Der Glücksjäger“ 44 Punkte erhält. Wagner erreicht mit 41 Punkten den zweiten Platz der ersten Runde, Ayala scheidet mit 36 Punkten aus.

Die zweite Runde bestätigt, was Bob Reinert zu Beginn der Veranstaltung angekündigt hat: „Wir haben hier nur die Besten der Besten sitzen“. Neben der Gewinnerin des Vortags, Elena Sarto, liefern sich nun die zwei luxemburgischen Vertreter Cosimo Suglia und Chris L. sowie die belgische Slammerin Robin Bonenfant ein Wortgefecht um den Einzug ins Finale. Gleich zu Beginn wird es politisch: Suglia, der den einzigen luxemburgischen Text des Abends vorträgt, äußert sich kritisch zum Bettelverbot – und scheut sich nicht davor, Simone Beissel, die mit ihrem Zitat „Ech fidderen se dauernd“ für viel Empörung gesorgt hat, ins Lächerliche zu ziehen. Auch Sarto trifft mit ihrem Text „Können wir das schaffen?“, in dem sie über Probleme und Herausforderungen junger Erwachsene spricht, einen Nerv. Mit Erfolg: 45 Punkte erhält die Österreicherin, während Bonenfant sich mit 42 Punkten als beste Zweitplatzierte für das Finale qualifiziert. Chris L. und Suglia scheiden dagegen mit 39 beziehungsweise 37 Punkten aus.

„Was mich antreibt und abends nicht einschlafen lässt“

Mit Joel Perrin, Elena Sarto und Robin Bonenfant stehen dieselben Teilnehmer im Finale wie am Vortag. Anders als in der Qualifikationsrunde dürfen sie sich nun jedoch nicht mehr auf konkrete Punktzahlen verlassen, sondern auf tosendes Geklatsche der Zuschauer – und Bob Reinerts gutes Gehör. Der lauteste Applaus soll nämlich über den Gewinner des „Poetry Slam de Lux’“ entscheiden. Den Anfang macht Sarto, die, angelehnt an ein Märchen der Gebrüder Grimm, über ihr „inneres Rumpelstilzchen“ in Form von Selbstzweifeln spricht, die sie davon abhalten, Stroh zu Gold zu spinnen. Bonenfant tritt mit zwei Texten auf, die sich mit Kapitalismus, Ungerechtigkeit und Respektlosigkeit befassen. Den Abschluss macht Perrin. In einem emotionalen Text, in dem immer wieder die Zeile „Rosen sind rot, Vergissmeinnicht blau“ vorkommt, spricht er über Liebe, Erinnerung und Demenz.

Die Lautstärke des Beifalls ist bei den drei Finalisten nahezu identisch. Den ersten Preis erhält Robin Bonenfant. „Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet“, freut sich die Gewinnerin im Interview mit dem Tageblatt. Auf die Frage, woher sie die Inspiration für ihre Texte ziehe, meint Bonenfant: „Ich habe ein sehr großes Problem mit Ungerechtigkeit im Allgemeinen, sei es aus sozialer, politischer oder wirtschaftlicher Sicht.“ In ihren Texten behandele sie jedoch auch ungerechten Umgang zwischen Privatpersonen. „Ich denke, das ist gleichzeitig das, was mich antreibt und abends nicht einschlafen lässt“, sagt Bonenfant. „Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der es nicht möglich war, stolz auf mich selbst zu sein.“

Der „Poetry Slam de Lux’“ wurde vom Institut Pierre Werner, in Zusammenarbeit mit den Rotondes, dem Prabeli Wiltz und dem Géisskan Kollektiv organisiert. Wer sich für Poetry-Slam im Allgemeinen interessiert, sollte sich den Juni im Kalender markieren. Dann soll ein Dichterwettstreit im Kulturhaus in Niederanven stattfinden – dieses Mal als Open-Air-Event.

Das Interesse am Dichterwettstreit war groß
Das Interesse am Dichterwettstreit war groß Foto: Editpress/Claude Lenert