Der Tageblatt-Mann im Weißen Haus

Der Tageblatt-Mann im Weißen Haus
(Tageblatt/Dhiraj Sabharwal)

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Er arbeitete für das Tageblatt, wanderte in die USA aus und ist nun Starfotograf im Weißen Haus: Olivier Douliery. Das Porträt eines bodenständigen Washington-Insiders.

„Ich habe morgen zwischen 13.15 und 13.30 Uhr kurz frei. Komm wir treffen uns um 13.20 Uhr.“ Wer im Weißen Haus arbeitet, wird zum Meister des Zeitmanagements.

Doulierys Preise
Olivier Douliery wurde in der Vergangenheit mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet. Hier eine unvollständige Auswahl: „Photography Masters Cup: Outstanding Achievement“, „White House News Photographers (12 Awards)“, „Best Of Photojournalism First Place Award)“, „National Geographic Traveler & PDN (Grand Prize Winner)“, „Goethe-Institut Award“, „National Geographic International Photo Competition (3 Awards)“, „PX3 Prix de la photographie Paris (3 Awards)“.

Zehn Minuten also, um diesen einmaligen Fotografen kennenzulernen. Weder ein Porträt noch ein Interview sind geplant. Ob er wohl dazu bereit ist? Zumindest die Ortswahl lässt vermuten, dass die Zeit selbst für Smalltalk ein wenig knapp wird.

Peet’s Coffee in der 17th Street an der Ecke zur Pennsylvania Avenue ist einen Sprung vom Sitz des US-Präsidenten entfernt. Es herrscht für diese Jahreszeit Ausnahmewetter in Washington.

Ob er vorbeigelaufen ist?

Die Menschen strömen unter blauem Himmel und mildem Sonnenschein auf die Terrassen. Gläser klirren, das Lunch wird verschlungen und der „Coffee to go“ genüsslich aus Plastikbechern geschlürft. 13.40 Uhr.

Douliery ist noch nicht aufgetaucht. Das war es dann. Ein letztes Mail, ob das Treffen immer noch stehe. Keine Antwort. Ob er vielleicht vorbeigelaufen ist?

Er hat sie alle geknipst, doch Fotos zu seiner eigenen Person findet man nicht. Nur ein schwarzweißes Bild, auf dem man ihn nicht erkennt. Er könnte Doctor House sein. Dabei ist er nicht zu übersehen.

Zwei Taschen, zwei Riesenkameras und einen roten Sicherheitsausweis um den Hals: Olivier Douliery wirkt bereits aus weiter Entfernung wie ein Vollblutfotograf. Mit einem breiten Lächeln schleppt er sein schweres Material über die Straße. Man fühlt sich auf Anhieb in seiner Gegenwart wohl.

„Hast du schon gegessen?“

„Tut mir wirklich leid, dass ich zu spät komme. Ich musste noch die Bilder vom Präsidenten an die Agentur weiterschicken“, entschuldigt sich Douliery. Kein Grund zur Entschuldigung, es ist vielmehr ein glücklicher Zufall. Aus den geplanten zehn Minuten wird nun ein ganzer Nachmittag.

„Hast du schon gegessen? Ich sterbe vor Hunger“, fragt Douliery. Wir nehmen in einem kleinen Lokal um die Ecke Platz. Er bestellt den gemischten Salat mit Huhn und Humus. Sein Englisch hat immer noch einen charmanten französischen Akzent. Douliery setzt sich hin.

Seine blauen Augen sind voller Leben. Wie anstrengend sein Alltag ist, verraten lediglich die dunklen Augenringe und die tiefen Furchen seiner geflügelten Lachfalten neben den kräftigen Brauen.

Der rostfarbene Dreitagebart umhüllt das markante
Kinn, das weit aufgeknöpfte Hemd rundet den Frenchie-Look ab. Nach ein wenig Smalltalk kommt die unangenehme Frage, ob er mit einem Porträt einverstanden sei.

„Ich bin dem Tageblatt bis heute dankbar“

„Oh, ich dachte, wir würden uns nur zum Plauschen treffen.“ Er ist nicht wirklich wütend, doch Enttäuschung macht sich ein wenig in den eben noch so fröhlichen Augen breit.

Es tut einem fast leid, ihn darauf angesprochen zu haben. „Ich habe zuletzt einige schlechte Erfahrungen gemacht. Ich will nicht unfreundlich sein“, erklärt Douliery. Er sieht die Verlegenheit bei seinem Gegenüber. „Was soll es. Schmeiß das Ding an.“

Er lächelt wieder und kneift die Augen fest zusammen. Das Aufnahmegerät läuft. Es folgt die Geschichte eines Ausnahmetalents.

„Ich bin dem Tageblatt bis heute dankbar.“ Er ist fast jeden Tag im Weißen Haus, umringt von Starjournalisten und den mächtigsten Politikern aus aller Welt. Dennoch kennt Douliery seine Wurzeln. Seine Dankbarkeit wirkt nicht aufgesetzt. Im Gegenteil. Er erinnert sich noch an die Anfänge seiner Karriere.

Der Start mit den Backstreet Boys

„Ich war beim Tageblatt im Vorstellungsgespräch und habe mein Fotoportfolio gezeigt. Mein Gegenüber sagte nichts und blieb ruhig.“ Zwei, drei Minuten habe absolute Stille geherrscht. Dann habe es geheißen: „Wann bist du bereit, um loszulegen?“ Seine Antwort: „Wann Sie wollen.“

Eine Einladung wird vor ihm auf den Tisch gelegt. „Heute Abend ist ein Konzert der Backstreet Boys in Luxemburg-Stadt. Da gehst du hin.“ Douliery lacht herzlich. Er deckt die Show ab und überzeugt.

„Danach habe ich fast drei Jahre für das Tageblatt und Le Jeudi gearbeitet. Ich habe in dieser Zeit sehr viel über Porträtfotografie gelernt, auf die ich mich später spezialisiert habe.“ Vor seiner Zeit in Luxemburg hatte der Franzose seine Ausbildung beim Pressedienst der französischen Luftwaffe (Sirpa) absolviert. Er arbeitete eineinhalb Jahre als Fotograf.

„Ich habe dort meine amerikanische Ehefrau kennen gelernt. Sie unterrichtete Englisch. Als das Jahr zu Ende war, bewarb sie sich in Luxemburg.“ Sie hatte Glück: Man suchte nach Amerikanern, nicht Briten, die luxemburgischen Business- und Militärleuten Englisch beibringen sollten.

Schwerer Auftakt in den USA

„Deshalb ging es dann auch für mich nach Luxemburg“, erzählt Douliery. Während die Eingewöhnungsphase für ihn im Großherzogtum reibungslos über die Bühne ging, war der Start 1999 in den USA hingegen holprig.

„Es war für mich sehr schwer. Ich sprach zwar Französisch und Deutsch. Mein Englisch war aber mehr als begrenzt. Über ’Hallo, ich heiße Olivier‘ ging es nicht hinaus.“ Er schüttelt den Kopf und schmunzelt. Es sei ihm schwergefallen, ein normales Gespräch zu führen. „Ich bin hier angekommen, ohne wirklich zu wissen, was mich erwartet.“

Allerdings wusste Douliery früh, dass er sich richtig entschieden hatte: „Ich habe damals schnell begriffen, dass der ‚American Dream‘ tatsächlich noch immer existierte. Es gab noch so viele Jobs. Jede Zeitung hatte mindestens 30 Fotografen. Viele wechselten regelmäßig den Arbeitgeber. Dadurch waren immer Arbeitsplätze frei.“

Douliery begann seine Karriere in den States jedoch nicht in Washington, dem Herzen der Macht, sondern im Nachbarstaat Maryland. Der Cheffotograf der Maryland Gazette empfing ihn zum Jobinterview. „Ich komme an und zeige ihm meine Fotos von der großherzoglichen Familie, von den Staatsvisiten und meine Porträts.“

„Das System basiert auf Leistung“

Zu einem wirklichen Gespräch kommt es nicht. „Ich konnte nicht viel mit ihm reden und er sagte Danke und Auf Wiedersehen.“ Douliery muss zwei Tage warten, bis er den Anruf erhält und noch einmal eingeladen wird. „Ich komme an und er sagt: ‚Wenn du magst, hast du den Job.‘ Ich konnte es nicht fassen. Ich redete wirklich schlechtes Englisch.“

Der Cheffotograf meinte jedoch zu Douliery: „Du sprichst die Sprache der Fotografie. Das interessiert uns am meisten. Du bist besser als unsere anderen Fotografen. Englisch lernst du noch schnell genug.“

Für den Franzosen ist diese Erfahrung eine kleine Offenbarung: „Genau das sind die USA: Ohne Kontakt oder Mittelsmann kannst du dich beweisen. Das System basiert auf Leistung. Du wirst nicht genommen, weil du nett oder sympathisch bist. Einzig und allein Kompetenz und Leistung zählen.“

Er fängt in der Lokalredaktion an, knippst Footballspieler in der Umkleidekabine und muss sich die Frenchie-Sprüche der Sportler gefallen lassen. „Das war eine super Schule für mich, mit den Menschen vor Ort in engem Kontakt zu sein. Es zwang mich, die Sprache zu lernen und meinen handwerklichen Horizont zu erweitern.“

„9/11 veränderte alles“

Der große Sprung gelingt Douliery jedoch erst nach jenem Schicksalstag, der das Leben eines jeden Amerikaners veränderte. „Als ich in den USA ankam, machten die Leute mit Onlinegeschäften ein Wahnsinnsvermögen. 25-Jährige in Jeans und mit Caps auf dem Kopf wurden zu Millionären. Dann platzte die Internetblase. Und dann kam die Katastrophe: 9/11 veränderte alles.“

Sein Blick versinkt kurz im Teller. Er hat so viel geredet und erzählt, dass sein Salat unberührt vor ihm steht. Er nimmt eine gut gefüllte Gabel, schiebt sie schnell in den Mund, kaut und lässt jenen Tag Revue passieren, der seine Karriere für immer verändern sollte.

„Ich hatte am Tag der Anschläge frei. Ich konnte mir nur einmal pro Woche freinehmen. Gewöhnlich schlief ich an dem Tag“, lacht Douliery. Er steht ausnahmsweise mit seiner Frau um 06.30 Uhr auf. Sie arbeitet zu diesem Zeitpunkt als Französischlehrerin und geht zur Arbeit.

„Ich trinke also meinen Kaffee, setzte mich vor den Fernseher und verfolge plötzlich live mit, wie die Türme einstürzen. Der Moderator sagt auf einmal, dass auch Flugzeuge dabei seien, nach Washington zu fliegen.“

„Jeder flüchtete aus Washington“

Er zieht seine Jeans an, setzt sich in den Wagen und rast von Maryland nach Washington. „Es war bizarr. Jeder flüchtete aus Washington. Ich war hingegen ganz alleine auf meiner Straßenseite. Es war niemand mehr da“, beschreibt Douliery.

Während er fährt, wird das Pentagon getroffen. Ein weiteres Flugzeug wird Richtung Weißes Haus vermutet. Es herrscht totales Chaos. Alle paar Sekunden wird eine neue Meldung ausgestrahlt. Schließlich kommt er beim Pentagon an.

„Ich kannte mich nicht besonders gut in D.C. aus, weil ich in Maryland arbeitete“, erinnert sich Douliery. „Als ich beim Pentagon ankomme, mache ich einen Fehler. Es ist sehr schwer, das Gebäude zu finden. Es ist wirklich unglaublich. Wenn du die falsche Straße wählst, fährst du einfach zurück und kannst von vorne beginnen. Natürlich irrte ich mich.“

Er sieht schwarzen Rauch, ist jedoch auf der falschen Stelle. „Das war mein Glück. Ich war genau auf der anderen Seite vom Einschlagloch, wo das Flugzeug abstürzte. Ich hatte also eine ganz andere Perspektive als meine Kollegen.“ Douliery sieht das Gebäude auf einem Hügel von hinten.

„Ich drücke zweimal ab. Klick, klick“

„Es herrschte wunderbares Wetter – das siehst du auf keinem der Bilder meiner Kollegen. Wenn du dort standst, wo das Flugzeug abstürzte, war die Sonne vor dir. Du hattest also einen weißen Himmel oder Gegenlicht. Dort, wo ich stand, war der Himmel jedoch wunderbar blau.“

Dann gelingt ihm der Coup. Er sieht Soldaten, die in Uniform zur Arbeit fahren. Sie stellen sich zu ihm auf den Hügel und parken den Wagen. Sie schauen sich das Pentagon an. Er beobachtet sie, nimmt seine Kamera und sieht einen Soldaten, der sich in einer
dramatischen Pose an den Kopf fasst.

„Ich positioniere ihn rechts im Bild, links ist das Pentagon zu sehen und der schwarze Rauch steigt zum blauen Himmel auf. Ich drücke zweimal ab. Klick, klick. Er hört mich und geht sofort weg.“ Douliery hat den richtigen Moment erwischt, versteht dies jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Er achtet nicht mehr auf das Bild und fährt zu den anderen Journalisten. Die Polizei ist bereits dabei, jeden zurückzudrängen. Er fängt also damit an, seine Fotos zu bearbeiten. Das Foto mit dem Soldaten fällt ihm auf: „Ich denke mir: ‚Hm, gar nicht mal so schlecht.‘ Ich schicke es der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP).“

„Ich öffne das Heft und sehe mein Bild“

Genau wie beim Cheffotografen in Maryland hört er zwei Tage nichts. Er kauft aus Neugierde die über 40 Seiten umfassende 9/11-Sonderausgabe des renommierten Magazins Newsweek. „Ich öffne das Heft und sehe mein Bild, das eine Doppelseite füllt.“

Douliery freut sich noch heute sichtlich beim Erzählen. „Es gab in der Ausgabe nur noch ein weiteres Pentagon-Bild, und zwar eins mit dem hässlichen Himmel und der anderen Perspektive.“ Seit diesem Tag wird das Bild jedes Jahr von Massenmedien wie CNN oder NBC aus dem Archiv gekramt.

„Durch das Foto wurden die Leute und allen voran die Nachrichtenagenturen auf meinen Namen aufmerksam.“ Jeder hätte Korrespondenten in Washington gesucht. Er nimmt das Angebot von ABACA Press an und arbeitet weiterhin bei der Maryland Gazette.

„Danach haben die Dinge ihren Lauf genommen“, nickt Douliery mit dem Kopf. Er wird über die Anthrax-Anschläge, die SniperAffäre, Bush und den Irak-Krieg berichten. Er macht sich einen Namen in der Branche. „Eines Tages meinte einer: ‚Du musst das Weiße Haus für uns machen.’“

„Das Chaos war unglaublich“

Es folgten mehrere Angebote von französischen Agenturen, als Korrespondent im Weißen Haus zu arbeiten. Er entschied sich für ABACA. Die „People“-Agentur, die viele Promis ablichtete, war dabei, sich ins harte Newsgeschäft einzuarbeiten.

„Man sagte mir: ‚Wir drücken dir die Schlüssel in die Hand. Schau, dass du klarkommst, nimm dir alle Zeit der Welt, aber du musst den Pass für das Weiße Haus kriegen.’“ Er kündigt bei der Maryland Gazette und fängt Vollzeit bei ABACA an.

Er berichtet jeden Tag über Anti-Kriegsdemonstrationen wegen der Irak-Intervention. Er ist ein Fotograf der alten Schule. Er benutzt bewusst das Wort „berichten“. Er macht nicht nur Fotos, sondern verfolgt die Stories.

„Das Chaos war unglaublich. 100.000 Menschen standen teilweise auf den Straßen. Das waren nicht nur Anti-Bushs, sondern Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Gleichzeitig ging ich jeden Tag ins Weiße Haus.“

„Du fliegst in der Air Force One“

Was dies bedeutet und wie aufreibend es gewesen sein muss, kann man nur erahnen. Bei Douliery klingt dies etwa so: „Ich machte zwei Jahre nichts außer Bush, Bush, Bush.“

Während dieser Zeit werden auch Time Magazine und Newsweek auf ihn aufmerksam. Sie fragen ihn, ob er aushelfen könne, wenn ihre Leute beschäftigt seien. Er ersetzt Ikonen wie Brooks Kraft oder Christopher Morris, der zuletzt wegen eines Zwischenfalls mit dem Secret Service bei einer Trump-Rally für Schlagzeilen sorgte.

„Wenn diese Leute keine Zeit hatten, riefen sie mich an und sagten: ‚Du fliegst mit Bush in der Air Force One.’“ Douliery ist rund 15 Mal mit George W. Bush im Präsidentenflieger gereist. In der Maschine ist nur Platz für einen Magazinjournalisten.

„Ich arbeitete für die beiden Größten. Das war praktisch.“ Er lacht herzlich und versteht sein einmaliges Glück: „Sich damals als Franzose überhaupt und so oft in der Air Force One wiederzufinden, war ein unbeschreibliches Gefühl.“ Er strahlt.

„Ich hatte ein Burnout, aber …“

Man macht ihn auf seine Gelassenheit und Bodenständigkeit aufmerksam. Wie er denn all diese Jahre ohne Burnout oder ähnliche für Journalisten typische Berufskrankheiten überstanden habe.

„Ich hatte ein Burnout, aber …“, er hält kurz inne, um weiterzufahren: „Es hört nie auf. Das ist das Problem. Es hört einfach nie auf. Das ist … das ist das Problem. Was dich also weitermachen lässt, ist die Leidenschaft, das Foto. Die Politik ist mir egal.“

Er hätte auch über Sport oder Mode berichten können. Er arbeitete unter anderem als Modefotograf in Stuttgart. „Ja, du bist in Washington in der politischen Hauptstadt. O.k. Was mich jedoch wirklich fasziniert, sind die Politiker als Menschen. Ihre Politik lässt mich kalt.“

Es ist einer der wenigen Momente, in denen man Douliery nicht so recht glauben will. Er ist ein Profi und weiß nur zu gut, dass jedes falsche Wort ihn seinen Job kosten könnte.

„Du brauchst eine ziemlich sympathische Ehefrau“

Gleichzeitig ist seine Begeisterung für die Vollblutpolitiker echt: „Schau dir mal einen Weltpolitiker an. Es ist unglaublich. Sie sind streckenweise Ausnahmepersönlichkeiten. Sie wirken nie müde, ihr Gedächtnis ist unglaublich, sie sind andauernd live
im Fernsehen, sie machen größtenteils keine Dummheiten, sie bleiben immer freundlich, schütteln Hände, sie können sich kaum erholen und sind ständig unterwegs.“

Douliery weiß, wovon er spricht. Er hat die Kandidaten bei den letzten vier Präsidentschaftskampagnen begleitet. „Wenn du einen Kandidaten vier oder fünf Tage begleitest, brauchst du eine Woche, um dich zu erholen. Aber sie machen weiter und weiter und hören nicht auf. Das fasziniert mich. Mir ist es egal, wo sie politisch stehen.“

Sein Burnout-Statement lässt einen nicht los. Ob es für ihn noch so etwas wie einen Alltag gebe. Immerhin habe er eine Frau und zwei Kinder. „Du brauchst eine ziemlich sympathische Ehefrau.“

Trockener geht kaum. Aber man versteht genau, was Douliery meint. „Ich arbeite eigentlich jedes Wochenende. Ab und zu nehme ich mir während der Woche einen Tag frei. Wenn ich am Sonntag arbeite, nehme ich mir samstags frei und umgekehrt. Aber ich arbeite immer an einem der beiden Tage.“

„Du weißt nie, wie dein Tag verläuft“

Wie es zu Burnout-Erscheinungen kommen kann, zeigt sich an seinem Tagesrhythmus. Er ist Fluch und Segen zugleich: „Das Anstrengende ist, dass du einfach nie weißt, wie dein Tag verlaufen wird. Du kommst morgens um neun Uhr ins Weiße Haus. Unter Bush war es noch viel früher. Bei Obama ist es neun Uhr. Es steht nichts auf dem Programm. Auf einmal schallt es aus dem Lautsprecher: ‚Wagenkolonne in zehn Minuten.‘ Sie nennen das eine ‚Bewegung‘.“

Was dies bedeutet, zeigen die kleinen praktischen Details: „Du nimmst deinen Laptop und all deine Sachen. Dann kommt ein Agent des Secret Service. Er untersucht, ob du tatsächlich auf der Liste für die Wagenkolonne stehst.“

Man erhält einen speziellen Ausweis mit einer bestimmten Farbe, die jedes Mal eine andere ist. Dann wird die Presse zur Wagenkolonne begleitet. „Aber niemand sagt dir, wo es hingeht.“ Meistens gebe es Events, von denen man wisse, dass sie im Laufe des Tages stattfinden werden. Aber an gewöhnlichen Tagen, wisse er nicht, wo er lande.

„Sie sagen es dir erst, wenn du ankommst. Aus Sicherheitsgründen“, so Douliery. Damit niemand auf die glorreiche Idee komme, jemanden zu informieren, wo Obama hinfährt.

CIA oder Schule der Töchter

„Mal geht er zur CIA, mal ins State Department oder zur Schule seiner Töchter. Auch er muss wie alle Eltern mit den Lehrern reden. Es kann also vorkommen, dass wir dann beim Elterngespräch draußen auf ihn warten.“

Er kann sich das Lachen nicht verkneifen. Mit besonders großer Freude erinnert sich Douliery an eine Anekdote zurück. „Ich war fürs Time Magazine bei Obamas erstem Urlaub dabei. Ich habe immer in den gleichen Hotels geschlafen. Wir waren in Wyoming, Arizona und im Yellowstone-Park. Du fliegst im Helikopter mit den SWAT-Spezialeinheiten. Ich habe Sasha und Malia als Kinder erlebt und Michelle aus nächster Nähe gesehen. Das hat mich geprägt.“

Eine Begegnung sei besonders surreal gewesen. „Wir waren in Montana in einem Hotel. Ich gehe gegen sechs, halb sieben zum Frühstück. Mir wurde gesagt, dass es gegen neun Uhr losgeht. Ich fahre also mit dem Fahrstuhl runter. Die Tür öffnet sich, der Secret Service stoppt mich. Präsident Obama kommt rein, Kopfhörer im Ohr, schweißgebadet mit T-Shirt und Shorts. Er hatte gerade seinen Morgensport hinter sich, hörte seine Musik und schaute ganz entspannt zu mir herüber, als ob es das Normalste auf der Welt wäre, den Präsidenten so zu treffen.“