Die „giftige Politik der Dämonisierung“ spalte die Gesellschaft und mache die Welt „unsicherer“, sagte AI-Generalsekretär Salil Shetty am Mittwoch bei der Vorstellung des Amnesty-Jahresberichts 2016/2017. Er verwies auf Trump und andere populistische Politiker wie den philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Ihre Rhetorik fuße auf dem Prinzip „Wir gegen die Anderen“.
Herausgepickt
Die Türkei ist nach Angaben von Amnesty im vergangenen Jahr zu den Ländern mit der schlechtesten Menschenrechtslage abgestiegen. Die Menschenrechtsorganisation verweist u.a. auf die Verhaftung von 118 Journalisten und der Schließung von 184 Medienunternehmen seit der Ausrufung des Ausnahmezustands nach dem gescheiterten Putsch vom Juli.
US-Präsident Donald Trump wird sehr scharf kritisiert. Trumps „giftige Rhetorik“ im Wahlkampf habe einen globalen Trend zu einer auf Spaltung ausgerichteten Politik angefacht, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Die Welt sei dadurch „dunkler“ und unsicherer geworden. Gegen Flüchtlinge gerichtete Hassreden hätten sowohl in den USA als auch in Europa zugenommen.
Der Bericht erfasst 159 Länder. Luxemburg gehört nicht dazu.
„Wir haben ein Stadium erreicht, wo es keine roten Linien mehr gibt“, sagte Shetty. „So gut wie keine Handlung ist inzwischen zu furchtbar oder zu unvertretbar.“ Eine Zukunft werde vorstellbar, in der „ungezügelte Brutalität ein Normalzustand wird“. 2016 sei ein Jahr gewesen, in dem „wir nicht mehr über absichtliche Bombenangriffe auf Krankenhäuser und Schulen in Konfliktgebieten schockiert waren“. „Viele Regierungen und politische Gruppierungen erklären Kritiker pauschal zu Feinden, denen Rechte abgesprochen werden dürfen“, kritisiert Amnesty in dem Jahresbericht. Zunehmend würden einzelne Bevölkerungsgruppen „zu Sündenböcken für soziale und wirtschaftliche Herausforderungen“ erklärt und ausgegrenzt.
Auch EU-Staaten werden angeprangert
Amnesty kritisierte weiter, dass Regierungen in aller Welt im vergangenen Jahr Gesetze zur „massiven Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit“ erlassen und durch „anlasslose Massenüberwachung das Recht auf Privatsphäre verletzt“ hätten. Vor allem Journalisten, Aktivisten und Anwälte seien „oft brutalen Repressalien“ ausgesetzt gewesen.
State of the World: politics of demonization and lack of global human rights leadership. https://t.co/375ut9xsYg pic.twitter.com/fPe1UEalUl
— AmnestyInternational (@amnesty) 22. Februar 2017
In mindestens 22 Ländern weltweit seien Menschen sogar ermordet worden, „nur weil sie sich friedlich für ihre Rechte und die anderer einsetzten“.
Laut Amnesty werden auch in EU-Staaten Menschenrechtsstandards zunehmend ausgehöhlt. „Antiterrorgesetze in zahlreichen Ländern der Europäischen Union schränken Freiheitsrechte ohne die notwendige rechtsstaatliche Kontrolle der Maßnahmen ein“, sagte der deutsche AI-Generalsekretär Markus N. Beeko. Laut Amnesty verletzten 2016 mindestens 36 Staaten internationales Recht, indem sie Schutzsuchende in Länder zurückschickten, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Beeko forderte stattdessen eine „aktive EU-Flüchtlingspolitik, die den Schutz und sichere Zugangswege“ für Flüchtlinge zur Priorität mache.
Frankreich: mehr als 4.000 Hausdurchsuchungen
AI stellte den Jahresbericht ausnahmsweise in Paris und nicht in London vor. Shetty äußerte sich „sehr besorgt“ über die Folgen der Anti-Terror-Maßnahmen in Frankreich. „Die Menschenrechte sind in Frankreichs nationaler Seele seit Jahrhunderten verwurzelt“, sagte Shetty. Nun aber stehe dieser Ruf auf dem Spiel. Auf der Grundlage des Ausnahmezustands, der 2016 vier mal verlängert worden sei, habe es mehr als 4.000 Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss gegeben, mehr als 400 Menschen seien unter Hausarrest gestellt worden.
Die Organisation kritisierte des Weiteren den Schutz von Flüchtlingsunterkünften in Deutschland als unzureichend. In den ersten neun Monaten des Jahres 2016 hätten die deutschen Behörden 813 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte und 1.803 Straftaten gegen Asylsuchende registriert, bei denen 254 Menschen verletzt worden seien. „Die Behörden entwickelten keine angemessene nationale Strategie, um Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte zu verhindern.“
Kritik übte Amnesty auch an Asyl-Schnellverfahren.
Nous ne pouvons pas compter sur les gouvernements pour défendre les droits humains, alors agissons nous-mêmes https://t.co/AflwDUUUV3
— Amnesty Luxembourg (@AmnestyLux) 22. Februar 2017
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