Donnerstag23. Oktober 2025

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Liberty Steel LuxemburgDas vorläufige Ende einer achtjährigen Saga

Liberty Steel Luxemburg / Das vorläufige Ende einer achtjährigen Saga
Seine Pläne sind nicht aufgegangen. Bild von einem Besuch von Sanjeev Gupta im Werk von Liberty Steel in Düdelingen (September 2019) Foto: Editpress/Julien Garroy

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Es ist das vorläufige Ende einer achtjährigen Saga. Zum Schlechten, wie zum Guten: Das Werk von „Liberty Steel“ in Düdelingen hat Insolvenz angemeldet. Die Suche nach einer Lösung kann beginnen.

Die in Düdelingen ansässige Gesellschaft Liberty Steel ist insolvent. Das bestätigt Stefano Araujo der Gewerkschaft OGBL am Freitag gegenüber dem Tageblatt. 150 Mitarbeiter sind betroffen. „Es war nicht zu vermeiden“, meint Araujo. Liberty Steel habe keine Gehälter und keine Rechnungen mehr gezahlt. Seit Freitag sei der Betrieb nun offiziell insolvent und es sei ein Kurator genannt worden: „Das Werk gehört nicht mehr Liberty Steel.“ Hätte die Gesellschaft diese Entscheidung rückgängig machen wollen, hätte sie die offenen Rechnungen zahlen müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen.

Hintergrund ist eine bereits sehr lange Geschichte: Im Jahr 2017 hatte ArcelorMittal angekündigt, ein riesiges Stahlwerk in Italien zu kaufen. Die Hoffnungen waren groß. Der Konzern wollte Ilva in sein Netzwerk der europäischen Werke einbinden. Um die Zustimmung von Europas Wettbewerbsbehörden für den Kauf zu erhalten, hatte ArcelorMittal damals zugestimmt, einige andere europäische Werke, darunter das in Düdelingen, an einen Wettbewerber zu verkaufen. Hier wird Stahl, etwa für die Automobilindustrie, weiterverarbeitet.

Käufer der abgestoßenen Werke war die damals noch eher unbekannte Unternehmensgruppe Liberty Steel. Gegründet worden war sie 1992 von dem in Indien geborenen britischen Geschäftsmann Sanjeev Gupta. Der neue Besitzer gab sich zuversichtlich und ehrgeizig: „Diese Aktivitäten werden ein Schlüsselelement unserer globalen Stahlstrategie sein, um ein nachhaltiges Stahlunternehmen mit einer vollständig integrierten Wertschöpfungskette zu schaffen“, so das Unternehmen damals zum Kauf der Fabriken.

Kaum ein Jahr nach der Übernahme der Werke von ArcelorMittal holte Liberty Steel, mittlerweile mit rund 30.000 Mitarbeitern in zehn Ländern tätig, zum nächsten Schlag aus. Man wollte die komplette Stahlsparte von Thyssenkrupp kaufen. Da die Konjunktur in dem von der Corona-Krise geprägten Jahr schlecht lief, hoffte man auf einen guten Preis. Schlussendlich kam es jedoch zu keinem Verkauf.

Hoffnungsschimmer Verkauf

Noch ein Jahr später, 2021, begannen die Wolken über dem aufstrebenden Familienunternehmen zunehmend dunkler zu werden. Die britische Finanzgruppe Greensill Capital in London hatte Insolvenz angemeldet. Sie zählte die GFG Alliance Group („Gupta Family Group Alliance“) zu ihren Kunden, die Eigentümerin von Liberty Liège-Dudelange. 

Hierzulande stellte die Gewerkschaft OGBL Mitte März 2021 in einer Pressemeldung die Frage, ob die Arbeitsplätze in Düdelingen noch sicher sind. Die Gewerkschaft wies damals darauf hin, dass der Eigentümer von Liberty Steel, Sanjeev Gupta, Anfang 2020 angekündigt habe, 100 Millionen Euro in die Einheit Liberty Liège-Dudelange investieren zu wollen. Bis heute hätten die Mitarbeiter in Düdelingen allerdings nichts Konkretes in dieser Hinsicht gesehen.

Etwa zur gleichen Zeit bestätigte auch der damalige Wirtschaftsminister Franz Fayot, dass es eine Reihe von Unsicherheiten rund um das Werk gebe. Die Unternehmensgruppe wolle aber an den Plänen, die Aktivitäten hierzulande weiter auszubauen, festhalten. Im Fokus stünden Aktivitäten wie Finanzen, Einkauf und Logistik.
Staat als Zwischenkäufer

In den folgenden Monaten schien das Imperium von Sanjeev Gupta nach und nach in sich zusammenzufallen, Werke in einigen Ländern wurden verkauft. In Düdelingen wurde die Produktion quasi komplett stillgelegt. Die Zahl der Mitarbeiter schrumpfte. Als das Werk übernommen wurde, zählte es rund 300 Beschäftigte. Nun waren es nur noch 170. Zwar wurde, wie versprochen, niemand entlassen – doch Abgänge wurden nicht ersetzt.

Ende 2022 dann ein Hoffnungsschimmer: Das Gerücht ging um, die Direktion von Liberty Steel habe ihre Bereitschaft erklärt, das Werk wieder zu verkaufen. Die Regierung ihrerseits sagte, einen seriösen Interessenten gefunden zu haben, „einen zuverlässigen Industriellen mit einem realistischen und realisierbaren Geschäftsplan“. Zu einem Verkauf sollte es jedoch nicht kommen. Der Luxemburger Staat und die GFG-Holding, in der die Liberty-Stahlwerke zusammengefasst sind, seien sich nicht einig geworden, hieß es einige Monate danach. Der Staat hatte angeboten, dass die „Société nationale de crédit et d’investissement“ (SNCI) das Werk als Zwischenkäufer kaufen, und dann weiterverkaufen könne. Streitpunkt sollen „die preislichen Bedingungen“ gewesen sein.

„Es gibt keine Transparenz“

Besserung ist danach jedoch keine eingetreten. „Man verspricht uns immer wieder, dass die Produktion wieder anlaufen wird“, klagte ein Mitarbeiter vor rund einem Jahr gegenüber dem Tageblatt. „Aber wir haben bei jedem Zulieferer Schulden.“ Selbst beim Kauf von Ersatzteilen und Handschuhen gebe es Probleme. „Ich sitze einfach nur hier. (…) Es passiert nichts. (…) Zwei Krane wurden abgebaut und verkauft. Es ist einfach der Horror.“ Man habe Angst, sich irgendwann von heute auf morgen in einer Unternehmenspleite wiederzufinden. „Es wird immer schlimmer.“

Die Gehälter sind derweil während all der Monate weiterbezahlt worden. „Doch die Mitarbeiter stellen sich zum Monatsende die Frage, ob das Gehalt noch kommen wird“, so Stefano Araujo vom OGBL damals. „Aber die Unsicherheit bleibt. Wir haben keine konkreten Antworten.“ Man verstehe auch nicht richtig, woher das Geld kommt, mit dem die Gehälter bezahlt werden, es wird ja nichts produziert. Gruppen-interne Darlehen sollen es sein. „Es ist ein Familienbetrieb. Es gibt keine Transparenz.“ In der ganzen Unternehmensgruppe soll die Situation ähnlich wie in Düdelingen sein, sagte er weiter. „Es ist alles schon eine sehr schräge Situation. Aber solange die Rechnungen bezahlt werden, geht es weiter. (…) Wie in einer Falle gefangen.“

„Wie in einer Falle gefangen.“

Zumindest mit dieser Situation ist es nun, mit der Erklärung der Insolvenz vorbei. Nun gilt es zu versuchen, einen Übernehmer für das Werk zu finden, so der OGBL. „Wir wollen schnellstmöglich einen Transfer ermöglichen, damit die Arbeitsplätze nicht verloren gehen“, sagt Araujo. Interessenten seien vorhanden. Es bestehe nicht nur Potenzial, sondern auch eine Nachfrage auf dem Markt.

„Das Problem war immer Liberty und jetzt ist sie weg“, so Araujo am Freitag weiter gegenüber dem Tageblatt. „Jetzt haben wir die Möglichkeit, den Betrieb mithilfe der Gewerkschaften zu retten.“ Die Gesellschaft sei ohnehin auf dem Markt nicht ernst genommen worden. Nun könne man mit Interessenten diskutieren. Bereits am vergangene Woche hatten die Gewerkschaften OGBL und LCGB dringend politische Unterstützung gefordert, um den Standort und die Arbeitnehmer vor den Folgen des Managementversagens zu schützen.

Nur Verlierer

Die großen Hoffnungen von ArcelorMittal, Ilva betreffend, haben sich übrigens ebenfalls nicht erfüllt. Rund zwei Jahre nach dem Kauf, nach Streit um Rahmenbedingungen und historische Umweltschäden, hatte der Konzern schlussendlich entschieden, die Übernahme des Werkes wieder rückgängig zu machen. Bis Mai 2022 soll Invitalia (staatliche Investitionsgesellschaft aus Italien) die Kontrolle über 60 Prozent der Anteile erhalten, hieß es im Mai 2021. In Zukunft solle das in Acciaierie d’Italia umbenannte Unternehmen nun unabhängig von ArcelorMittal operieren, und als solches seine eigenen Finanzierungspläne haben. Zu Beginn des Jahres 2024 war es dann ganz vorbei mit dem italienischen Abenteuer. ArcelorMittal tätigte eine Abschreibung von 1,4 Milliarden Dollar. Die italienische Regierung stellte „Acciaierie d’Italia SpA“ unter Sonderverwaltung. Damit ging die Kontrolle über das Unternehmen von ArcelorMittal und Invitalia auf von der Regierung ernannte Kommissare über.

Wie es in Düdelingen nun weitergehen wird, bleibt erst mal unklar, doch Interessenten, um das Werk zu übernehmen, sollen vorhanden sein
Wie es in Düdelingen nun weitergehen wird, bleibt erst mal unklar, doch Interessenten, um das Werk zu übernehmen, sollen vorhanden sein Foto: Editpress/Julien Garroy

Grober J-P.
3. Dezember 2024 - 9.45

Saga von einem Blender. Drüben wussten sie es!