Liberty SteelLeere Tanks und verkaufte Rohstoffe: „Es gibt keine Zukunftspläne für das Düdelinger Werk“

Liberty Steel / Leere Tanks und verkaufte Rohstoffe: „Es gibt keine Zukunftspläne für das Düdelinger Werk“
OGBL-Zentralsekretär Stefano Araujo (l.) und Hubert Lacouture (r.), Mitglied der Personaldelegation von Liberty Steel, wollen in Düdelingen weiterhin Präsenz vor Ort zeigen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Undurchsichtige Finanzkonstrukte, ein schuldenbelasteter Financier und stillgelegte Produktionsketten: Das Liberty-Steel-Stahlwerk in Düdelingen steht vor dem Aus. Wirtschaftsminister Franz Fayot hat Gewerkschaften und Personalvertretern zusammen mit Arbeitsminister Georges Engel bereits Garantien ausgesprochen, sollte sich der zwielichtige Firmeninhaber Sanjeev Gupta endgültig aus Düdelingen zurückziehen wollen. Obwohl die Produktion stillsteht, zeigt dieser aber kein Interesse an einem Verkauf des Werkes. Eine Bestandsaufnahme.

Das Liberty-Steel-Stahlwerk in Düdelingen ist quasi komplett stillgelegt. Ob die Produktion noch einmal hochgefahren wird, ist nicht bekannt – erscheint aber zunehmend unwahrscheinlich, lautet zumindest die Meinung des OGBL. Zukunftspläne scheint das Werk jedenfalls keine mehr zu haben, wenn man dem OGBL-Gewerkschafter Stefano Araujo Glauben schenkt. „Die nächsten Monate wird definitiv nichts mehr in diesem Betrieb produziert“, sagt der Zentralsekretär des OGBL-Syndikats für Hüttenindustrie und Bergbau. Liberty Steel habe keine Pläne für die kommenden Monate – und könne auch aus rein technischer Sicht nichts mehr produzieren. „Die Tanks sind leer, Rohstoffe aus dem Lagerbestand werden verkauft oder verfaulen an Ort und Stelle.“ Schon vor Monaten habe das Industrieunternehmen nur noch mit fünf Prozent der eigentlichen Produktionskapazität gearbeitet – mittlerweile sei der Betrieb fast komplett eingestellt worden. Es würden hier und da noch vereinzelte Kundenaufträge ausgeführt werden– eine „quantité négligeable“ der eigentlichen Kapazitäten, wie der Gewerkschafter Araujo meint.

Seit Monaten macht das Düdelinger Stahlwerk – oder genauer gesagt der Financier und Besitzer des Düdelinger Werkes Sanjeev Gupta – Negativschlagzeilen. Dieser kündigte an, mit seiner Familienholding GFG Alliance 100 Millionen Euro an Investitionen in das Düdelinger Werk zu stecken. Investitionen, die jedoch nie in Düdelingen ankamen. Im Gegenteil: Nach und nach schien das Imperium von Sanjeev Gupta in sich zusammenzufallen, seine Werke in Belgien, Frankreich und Großbritannien wurden nacheinander verkauft. Mittlerweile wird Gupta in Großbritannien der Geldwäsche und des Betrugs verdächtigt. In einem Artikel der Financial Times wird Gupta unter anderem beschuldigt, Gelder aus den Stahlwerken zur Bezahlung eigener Schulden abzuzweigen. Im Finanz-Fachblatt sind seit Beginn des Jahres bereits 19 Artikel über die zwielichtigen Geschäftspraktiken des Inhabers des Liberty-Steel-Werkes in Düdelingen erschienen. Das Luxemburger Online-Magazin reporter.lu hat ebenfalls über die dubiose Machtübernahme und Finanzierung des Düdelinger Werkes berichtet.

Sinkende Arbeitnehmerzahlen

Doch auch in Luxemburg seien die Methoden des Konzerns fragwürdig. „Als Liberty Steel das Werk übernommen hat, zählte es rund 300 Beschäftigte“, sagt Araujo. Nun seien es nur noch 170 – obwohl die Betriebsführung das Versprechen gegeben hat, niemanden zu entlassen. „Deshalb wurden Abgänge einfach nicht ersetzt“, meint Araujo. Und: „Das, was hier in den letzten Jahren passiert ist, kann man mit einem Sozialplan gleichstellen, ohne dass ein solcher ausgehandelt worden wäre.“ Übrigens: Das Lütticher Werk hatte einen Sozialplan ausgehandelt – der allerdings nicht von der Unternehmensleitung respektiert wurde.

Auch die Luxemburger Politik habe quasi keine Handhabe gegenüber dem Werkseigentümer. „Das Wirtschaftsministerium übt Druck aus, wo es nur kann“, sagt Araujo. Seit April werde dem Betrieb keine Kurzarbeit mehr gewährt „Für ein Unternehmen ohne Finanzierungsgrundlage darf diese Maßnahme auch nicht greifen“, sagt Araujo. Diese Maßnahme existiere, um Unternehmen bei einer möglichen Wiederaufnahme des Normalbetriebs zu helfen. „Ein Normalbetrieb ist aber noch lange nicht in Sicht.“ Arbeitnehmer des Werkes würden demnach bei voller Bezahlung zu Hause ausharren müssen – im Unwissen, ob sie je noch einmal einen Fuß in das Düdelinger Werk setzen werden. „Das ist fatal für die Moral“, so Araujo.

Dubiose Finanzierung

Wie das Düdelinger Skandalwerk die Löhne zahlt, ist eine Mischung aus Mysterium und Kuriosum. „Es werden wohl von irgendwo her Finanzströme aufrechterhalten“, meint Araujo. Wo die herkommen, ist jedoch nicht weiter bekannt. Kurios aber auch: „Wir beobachten, wie das Unternehmen mittlerweile auch Möbel verkauft, um sich finanziell über Wasser zu halten.“ Kein gutes Zeichen, wenn man auf eine baldige Wiederaufnahme der Arbeit in der Industriezone am Wolser hofft.

Für den OGBL scheint die Sache klar: „Die Bankrotterklärung ist unausweichlich – wird aber noch von der Unternehmensleitung abgelehnt und hinausgezögert“, sagt Araujo. Das Werk werde nur noch von anderen Standorten am Leben erhalten. Auch wenn Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) bereits in der zuständigen Chamber-Kommission von „abus de propriété“ gesprochen hat, bleiben die Möglichkeiten der Politik beschränkt. „Die Bankrotterklärung könnte von Zulieferern, Arbeitnehmern oder Kunden forciert werden“, sagt Araujo. „Bisher wurden aber noch alle Zahlungen – vermutlich aufgrund externer Finanzspritzen – fristgerecht eingehalten.“ Auch die Löhne seien bislang noch immer vollständig ausgezahlt worden. Arbeitsminister Georges Engel (LSAP) versicherte in einer gemeinsamen Unterredung mit dem Wirtschaftsministerium und Gewerkschaftsvertretern am Montag, diese notfalls über den „Fonds de l’emploi“ auszahlen zu wollen. Ein „Plan de maintien dans l’emploi“ kommt für den OGBL ebenfalls nicht infrage: „Das Unternehmen hat ja keine Pläne für die Zukunft.“

Liberty Steel hat bisher noch keine Pläne veröffentlicht, was aus dem Düdelinger Galvanisierungswerk werden soll. „Wenn das Unternehmen einen Betriebs- und Produktionsplan vorlegen würde, würde sich eventuell finanzielle Unterstützung finden lassen“, sagt Araujo zur ungewissen Zukunft. Doch mögliche Finanzierer würden dem indischen Geschäftsmann auch nicht mehr über den Weg trauen. Was Sanjeev Gupta mit dem Werk in Düdelingen vorhat? – „Ich glaube, dass er darauf hofft, dass das Werk mit öffentlichen Geldern gerettet wird“, sagt Araujo. Der lokale Repräsentant der Liberty-Steel-Gruppe, Jean-Louis Reimlinger, konnte auf Tageblatt-Anfrage keine Antwort geben: „Ich weiß nicht, was die Gruppe mit dem Werk vorhat“, lautet die knappe Antwort von Reimlinger, der wiederum an einen Sprecher der GFG-Alliance-Gruppe verweist. Bis Redaktionsschluss ist jedoch keine Antwort an das Tageblatt erfolgt.

Das Wirtschaftsministerium hat am Montag darauf hingewiesen, dass man die Unternehmensleitung um eine Stellungnahme gebeten habe. Auch einen möglichen Interessenten, der die Aktivität am Industriestandort Düdelingen wieder hochfahren wolle, will Wirtschaftsminister Franz Fayot schon in der Hinterhand haben. Der russische Stahlkonzern NLMK und der deutsche Konzern Salzgitter werden immer wieder in dem Zusammenhang genannt. Was genau Liberty Steel aber mit dem Düdelinger Werk vorhabe, könne jedoch nur ein Mann sagen. „Selbst die örtliche Direktion verweist immer wieder an Sanjeev Gupta“, meint Araujo. „Er ist der, der letztendlich die Entscheidungen trifft.“

Flex
7. Dezember 2022 - 22.47

@Grober: Die Bohnen sind das Problem hier in Luxemburg. Wenn die endlich wieder aus Luxemburg kommen, sind alle Sorgen weg.

Grober J-P.
28. Oktober 2022 - 23.27

Was kam eigentlich bei der Reise nach Rabat zustande? Werden wir mehr grüne Bohnen einlagern dürfen, die Lagerhallen sind ja jetzt leer.

Grober J-P.
26. Oktober 2022 - 9.34

Was hat man damals beim Verkauf denn übersehen? Inder unter sich, es funktioniert wie in besten Familienkreisen in Palermo. Ich versteh die Gleichgültigkeit unser Politik nicht. Man bittet um Stellungnahme, ist zum Weinen. Und dann kommen die Russen, vielleicht auch noch die Chinesen. Sollten wir diesen Zweig der Regierung nicht auch stilllegen?