Ganz oben angekommen

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Radprofi Bob Jungels ist erstmals in der Leaderrolle beim größten Radrennen der Welt. Ein Interview mit dem Luxemburger Radprofi.

Bob Jungels wird als Leader von Quick-Step Floors in die Tour de France 2018 gehen und ist damit in puncto Verantwortung ganz oben angekommen. Es ist der nächste logische Schritt für den Luxemburger, der zwei Jahre in Folge beim Giro zu überzeugen wusste und dennoch ein paar Fehler ausgemacht hat. Diese will er nun vermeiden. Obwohl die Herausforderungen 2018 also noch größer werden – oder gerade deshalb –, ist der Druck etwas geringer.

Tageblatt: Wie ist dein Winter verlaufen?

Bob Jungels: Sehr entspannt, muss ich sagen. Dass ich für drei weitere Jahre bei Quick-Step unterschrieben habe, hat mir eine große Sicherheit gegeben. Deshalb konnte ich den Winter ganz relaxed angehen. Was die Vorbereitung anbelangt, lief ebenfalls alles nach Plan. Ich war nicht krank und hatte auch sonst keine Probleme. Sowohl zu Hause als auch hier im Trainingslager konnte ich optimal arbeiten.

Wie sieht dein Programm 2018 aus?

Mein Programm ist eigentlich in drei Teile eingeteilt. Erst einmal lege ich vor meinen ersten Rennen ein Höhentrainingslager in Südafrika ein, dann starte ich am 10. Februar bei der Vuelta a Murcia und am 11. Februar bei der Clasica Almeria. Ein erstes Ziel sind dann Tirreno-Adriatico und die sofort darauffolgende Katalonien-Rundfahrt. Anschließend stehen dann die Ardennen-Klassiker auf dem Programm, wo ich gerne ein gutes Resultat erzielen würde. Im letzten Jahr war ich für das Amstel Gold Race bereits sehr zuversichtlich und ich glaube, dass auch Liège-Bastogne-Liège mir entgegenkommt. Ich freue mich sehr, wieder in Liège an den Start gehen zu können (in den vergangenen beiden Jahren verzichtete Jungels auf Liège-Bastogne-Liège, da nur zwei Tage später die Tour de Romandie begann, d.Red.). Nach dem Klassiker lege ich eine kleine Pause ein und dann beginnt die Vorbereitung auf die Tour mit einem weiteren Höhentrainingslager und dem Critérium du Dauphiné.

Wie kommt es, dass du jetzt bereits im Januar ein Höhentrainingslager einlegen wirst?

Ich wollte gleich zu Beginn den Rhythmus etwas erhöhen. Entweder durch frühe Rennen oder ein spezifisches Training. Gemeinsam mit der Teamführung haben wir lange überlegt, ob ich vielleicht in Australien oder Argentinien starten soll. Dann haben wir uns jedoch dagegen entschieden, da der Reisestress und die Temperaturunterschiede doch sehr groß sind. So kam es dann dazu, dass wir uns für ein Höhentrainingslager entschieden haben.

Wer wird dich begleiten und wieso fiel die Entscheidung auf Südafrika?

Laurens De Plus und Peter Vakoc werden mich gemeinsam mit unserem Trainer (Koen Pilgrim) und einem Betreuer begleiten. Wir hatten die Wahl zwischen Südafrika und Teneriffa. Weil es auf Teneriffa allerdings immer sehr voll ist, da die meisten Profis dorthin fahren, haben wir uns für Südafrika entschieden.

Du bist jetzt 25 Jahre alt und konntest dich jede Saison ein Stück verbessern. Nun gehst du als Leader deines Teams in die Tour. Wie siehst du diese Entwicklung?

Es stimmt, dass ich mich jedes Jahr weiterentwickelt habe. Aber nicht nur ich alleine, sondern auch das Team. Nun als Leader in die Tour gehen zu können, ist der nächste logische Schritt. Was die Verantwortung innerhalb des Teams angeht, bin ich damit ganz oben angekommen. Eine größere Leaderrolle gibt es nicht. Das freut mich natürlich sehr und ich bin äußerst motiviert, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.

Wie siehst du die Tour 2018?

Ein Rennverlauf ist sehr schwer vorauszusagen. Die ersten zehn Tage mit möglichen Windkanten, dem Teamzeitfahren und den Kopfsteinpflastern werden bereits interessant. Für dieses Terrain haben wir eine gute Mannschaft und ich hoffe, dass es dort bereits vor den Alpen zu Zeitunterschieden zwischen den Klassementfahrern kommen wird. Aber auch danach wird es spannend weitergehen, zum Beispiel mit der Pyrenäen-Etappe über 65 km.

Schwirrt dir das Maillot jaune in den ersten zehn Tagen im Kopf herum?

Mit dem Terrain ist das sicherlich eine Möglichkeit. Diese Etappen kommen unserem Team entgegen. Aber vom Maillot jaune zu reden, ist schwierig. Es kann so viel passieren. Das ist noch schwieriger vorauszusehen als das Rosa Trikot beim Giro. Wenn ich bei der Tour meine Leistung von den letzten beiden Giros bestätigen könnte und in die Top Ten fahre, dann wäre das bereits ein großer Erfolg.

Wirst du einige Etappen der Tour im Vorfeld besichtigen?

Ja, die Besichtigung werden wir zwischen Dauphiné und der Tour durchführen.

Es gab in der Zwischensaison einige Veränderungen in eurem Team. Wie siehst du als Leader die Mannschaft?

Es ist vor allem ein Team, in dem jeder seine Chance bekommen wird. Junge Fahrer wie Schachmann, De Plus oder Cavagna bekommen nach und nach mehr Verantwortung. Sie werden wohl den Giro dieses Jahr bestreiten. Für die Tour werde ich von Devenyns oder Capecchi unterstützt werden. Dann haben wir natürlich noch Fernando Gaviria, Maximiliano Richeze, Iljo Keisse und Julian Alaphilippe. Ob Philippe Gilbert die Tour bestreiten wird, weiß ich noch nicht, aber wir werden schon eine schlagkräftige Truppe am Start haben.

Du hast Alaphilippe angesprochen. Wirst du mit ihm gemeinsam als Leader in die Ardennen-Klassiker gehen?

Ja, und das freut mich sehr. Wir verstehen uns super und können gemeinsam sicherlich etwas bewirken. Dann haben wir ja auch noch Philippe Gilbert im Team.

Blicken wir noch einmal kurz auf die letzte Saison zurück. Beim Giro hattest du ein, zwei schwächere Tage. Hast du herausgefunden, an was es gelegen hat?

Wir haben viel darüber nachgedacht und analysiert. Im Endeffekt war es relativ einfach. Ich denke, dass ich vielleicht etwas zu viel gemacht habe. Normalerweise braucht man nach einem Höhentrainingslager ein wenig Zeit, doch ich war gleich in Topform und habe das Amstel, die Flèche Wallonne und die Tour de Romandie bestritten. Das war vielleicht etwas zu viel des Guten. Diesen Fehler werde ich im Hinblick auf die Tour zu vermeiden versuchen, um etwas frischer ins Rennen zu gehen.

Also wird die Vorbereitung etwas umgestellt?

Es geht vor allem um die Höhentrainingslager. Jeder Mensch reagiert anders hierauf und deshalb muss man einfach ein paar Höhentrainingslager absolvieren, um die optimale Abstimmung zu finden. Für dieses Jahr haben wir unsere Anpassungen gemacht. Nach dem langen Höhentrainingslager werde ich nur noch das Dauphiné und die Landesmeisterschaften bestreiten.

Hast du nicht auch vielleicht ein wenig für die Anstrengungen auf den Flachetappen bezahlt, auf denen du Gaviria geholfen hast?

Ja, sicherlich, aber wir wollten gleich zu Beginn das Rosa Trikot holen. Ich glaube, dass es eher die Unerfahrenheit im Umgang mit dem Rosa Trikot war. Der ganze Medienrummel, die Pressekonferenzen und jeden Tag ein bis zwei Stunden nach den anderen im Hotel anzukommen, das hat schon sehr viel Kraft gekostet.

2017 lastete großer Druck auf dir. Es ging darum, die Leistungen von 2016 zu bestätigen und zu zeigen, dass du ein Rundfahrer bist. Ist der Druck dieses Jahr wieder geringer?

Irgendwie schon. Das letzte Jahr war mental sehr anstrengend. Es ging nicht nur um die Bestätigung, mein Vertrag lief zudem noch aus. Da war der Druck natürlich enorm. Dieses Jahr steht eine neue Herausforderung an. Ich gehe erstmals als Leader in die Tour und bin zudem bis 2020 abgesichert. Das ist eine komplett andere Situation mit größerer Planungssicherheit.