„Das waren dramatische Bilder“

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Tag drei der offiziellen Visite führte Großherzog Henri samt den Ministern Carole Dieschbourg, Romain Schneider und Staatssekretärin Francine Closener in den Norden Senegals, nach Saint-Louis, eine Stadt, die an Mauretanien grenzt. Saint-Louis ist nicht unbekannt, denn früher war das „Venedig Afrikas“ Senegals Hauptstadt. Im Jahr 2000 wurde die Stadt in die Liste des Unesco- Weltkulturerbes aufgenommen.

 

 

„In Saint-Louis sieht man die Prioritäten der Luxemburger Kooperation“, meinte Entwicklungsminister Romain Schneider. Das sind die groben Bereiche Gesundheit, Berufsausbildung und Umweltschutz. Am Morgen des dritten Tages stand der Besuch eines Berufsausbildungszentrums an. Wie bei vielen anderen Projekten, an denen Luxemburg finanziell beteiligt ist, hatte auch hier die Begrüßung der Luxemburger Gäste euphorische Züge. Der Grand-Duc und die Minister wurden von einer applaudierenden und fahnenschwenkenden Menge empfangen. In dem Zentrum werden jährlich 500 Auszubildende in unterschiedlichen Metiers wie Nähen, Rechnungswesen, Töpferei, Kochen oder aber für die Arbeit bei einer lokalen Sozialbehörde ausgebildet. Dabei sei es wichtig, dass Ausbildung und berufliche Eingliederung Hand in Hand gehen, betonte Schneider. „Es ist eine Herausforderung, die Verbindung zwischen der Schaffung von Arbeitsplätzen und deren Besetzung herzustellen.“ Über 270.000 Stellen würden pro Jahr geschaffen werden. „Der Bereich der beruflichen Eingliederung ist neu“, meinte der Minister. Luxemburg beteiligt sich seit 2003 an der beruflichen Ausbildung im Senegal – Maßnahmen, die der Arbeitslosigkeit vorbeugen sollen.

Ungewöhnliches Krankenhaus

Weiter ging es zum „Centre hospitalier régional“ (CHR) von Saint-Louis. Das ungewöhnliche Krankenhaus wurde im Jahr 1822 errichtet. Es war das erste Spital Schwarzafrikas. Später wurde es in die Liste der Unesco-Weltkulturerben aufgenommen. Heute gilt das Krankenhaus im Norden Senegals als Referenz. Das Herz des Spitals ist ein schöner Park. Dessen Garten geht direkt in die nach innen offenen Flure des Krankenhauses über. „Bei jedem PIC („programme indicatif de coopération“) waren wir ab diesem Krankenhaus aktiv“, erklärte der Entwicklungsminister. Neu ist sowohl das regionale Samu, das aufgebaut worden ist, als auch der Bereich der Telemedizin, eine Thematik, die bislang gefehlt hat. „Man konnte sich heute vergewissern, dass das, was wir in den 1980er Jahren aufgebaut haben und was damals ein unglaublicher Fortschritt war, nun vor allem eine Kontinuität bekommen hat“, meinte Schneider.

Nun müsse allerdings geschaut werden, ob noch zusätzliche Ausbildungen des medizinischen Personals nötig seien, denn da herrsche ein gewisser Mangel – nicht nur bei den Ärzten, sondern auch bei den Krankenschwestern und bei anderem Personal. Dann wäre die Hilfe im Bereich Gesundheit komplett, sagte der Minister. „Daneben packen wir auch beim Sozialschutz an. Deshalb müssen wir anfangen, in diesem Bereich Systeme aufzubauen, damit es in Zukunft zu einer Abdeckung der gesamten Bevölkerung kommen kann. Auch da befinden sich die Senegalesen auf dem Weg, mit uns eine Kooperation einzugehen.“

An der Küste von Saint-Louis, wo der Anstieg des Meeresspiegels bereits viele Häuser unbewohnbar gemacht hat, hat sich Luxemburg bei der Finanzierung von Deichen beteiligt. Diese Notfallmaßnahme schützt auf einer Länge von 3,5 Kilometern die Einwohner der Viertel Guet-Ndar, Gokhou Mbathie und Santhiaba vor dem Abtragen der Küste durch das Meer. Entsprechend feurig war auch hier der Empfang der Bewohner. „Merci, merci, merci“, ertönte es immer wieder aus der Menge. Man hatte den Eindruck, dass sich alle Bewohner des Viertels hier versammelt hatten, um den Finanzgeber aus dem Ausland zu feiern.

Hier sieht man, dass der Klimawandel stattfindet

Schockierende Bilder boten sich der luxemburgischen Delegation etwas weiter – im Viertel Guet-Ndar. Dort konnte man das Ausmaß der Zerstörung sehen. Im Meer standen etliche Mauerreste von Häusern. So sagte Romain Schneider etwas später: „ Das waren dramatische Bilder, die wir hier live vor Ort gesehen haben.“ Umweltministerin Carole Dieschbourg nannte das Ganze beim Namen: Klimawandel. „Hier sieht man, dass der Klimawandel stattfindet. Er ist real. Die Leute sind direkt davon betroffen.“ Jedes Jahr dringt das Meer auf der 700 Kilometer langen Küste Senegals 1 bis 1,3 Meter vor. Langfristig muss man zusätzlich Wellenbrecher ins Meer bauen. Bei diesen Infrastrukturprojekten sei Luxemburg aber nicht spezialisiert, erklärte Dieschbourg. Andererseits hat Luxemburg bei einem anderen Projekt mitgewirkt und eine Studie ausgearbeitet, die einen natürlichen Küstenschutz – wie das Anpflanzen von Mangroven – vorsieht. Ein weiteres Klimaproblem im Senegal ist die Wüstenbildung.

Dieschbourg betonte den Willen, mit der senegalesischen Regierung zusammen einen Klimaplan aufzustellen. „Wir müssen den Klimaschutz durch erneuerbare Energien und Effizienz hinbekommen.“ Dies solle dann auch zu einer „Demokratisierung der Energie“ führen, „damit möglichst viele Menschen von den Erneuerbaren profitieren können. Dieschbourg nannte als Beispiel die Fotovoltaikanlage im medizinischen Zentrum von Enda Santé, das die Luxemburger Delegation am Montag besichtigt hatte. „In diese Richtung soll es weitergehen“, meinte die Umweltministerin. „Die Sonne scheint hier die ganze Zeit, und es gibt auch viel Wind. Und wenn wir unterstützen, dass die erneuerbaren Energien hier vor Ort gefördert werden, dann bringen wir sehr vielen Leuten viel mehr Lebensqualität.“


Luxemburgische Firmen involvieren

Luxemburgs Staatssekretärin Francine Closener war auf der offiziellen Visite im Senegal für den Wirtschaftsbereich zuständig. Neben der reinen Entwicklungshilfe baut Luxemburg verstärkt auf die Wirtschaftsbeziehungen mit dem westafrikanischen Land.

Tageblatt: Wie steht es um die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Senegal?

Francine Closener: Wir haben seit über 30 Jahren im Bereich der Entwicklungshilfe gute Beziehungen zum Senegal. Ich glaube, dass sie nun bereit sind, dass wir auch bei den wirtschaftlichen Beziehungen einen Qualitätssprung machen können. Senegal hat eine gute Selbstverwaltung, die Stabilität ist da. Senegal ist eins der afrikanischen Länder, die am produktivsten sind. Die Weltbank klassiert das westafrikanische Land unter diesem Gesichtspunkt unter den Top Ten. Die Bedingungen sind ganz gut. Das Wirtschaftswachstum lag in den letzten drei Jahren bei über sechs Prozent. Das Land ist reif, um auf eine andere Ebene zu kommen, auch in den Beziehungen mit Luxemburg. Deshalb sind bei dieser Visite viele Unternehmen aus Luxemburg mit nach Senegal gekommen. Wir haben das Wirtschaftsforum veranstaltet und da haben wir festgestellt, dass Interesse auf beiden Seiten besteht. Dort sind viele neue Kontakte geknüpft worden. Senegal hat heute bereits eine sehr gute Infrastruktur im Bereich der Telekommunikation. Man möchte zu einem ICT-Hub werden – zu einer richtigen Referenz in Afrika, was ICT angeht. Ich gehe davon aus, dass sie das in Zukunft in ihrem „Plan Sénégal émergent“ (Der PSE sieht vor, Senegal von einem Entwicklungsland zu einem Schwellenland zu führen, Anm. d. R.) unterstützen. Gerade in diesem Bereich hat Luxemburg viel zu bieten. Da wäre zum Beispiel die digitale Unterschrift. Damit könnte Senegal zum Beispiel seine Verfahren entmaterialisieren. Das ist unter anderem ein sehr wichtiger Punkt im Kampf gegen Korruption. Das ist für Senegal ein sehr großer und wichtiger Punkt. Ich habe das Gefühl, als ob die Bevölkerung auch in diese Richtung geht. Ich hatte gestern ein Treffen mit dem für die Umsetzung des PSE zuständigen Minister. Er hat mich gefragt, ob wir nicht über die luxemburgische Kooperation Experten finanzieren könnten, die seinem Land den Rahmen vorgeben könnten, wie sie sich weiterentwickeln sollten. Dazu könnte man auch luxemburgische Unternehmen involvieren. Einige sind ja jetzt schon hier aktiv.

Das wirtschaftliche Wachstum sieht man aber noch nicht überall …

Das ist ganz klar. 46 Prozent der Senegalesen leben unter der Armutsgrenze. Man kann optimistisch sein, weil sie viele Anstrengungen unternehmen und weil es in die richtige Richtung geht. Man muss auch realistisch sein, das geht nicht alles von heute auf morgen. Luxemburger Unternehmen, die schon länger hier im Senegal aktiv sind, haben eine ganze Reihe von Problemen aufgezählt. Zum Beispiel beim Thema Besteuerung. Da sind wir froh, dass ihre Regierung nun, nachdem sie uns zwei Jahre lang mit Versprechungen vertröstet hat, den Beschluss gegen die Doppelbesteuerung endlich durch den „Conseil des ministres“ gebracht hat. Das ist ein großer Fortschritt, aber solche Sachen gibt es noch mehr.

Carole Dieschbourg meinte, Europa habe eine gewisse Schuld gegenüber dem afrikanischen Kontinent. Unser wirtschaftliches Wachstum gehe oft auf Kosten des Südens. Können Sie das bestätigen?

Wir waren auf der sogenannten „Sklaveninsel“ Gorée. Das lässt niemanden kalt. Da sieht man die Schuld, die wir alle gegenüber Afrika haben. Heute sprechen wir viel über Flüchtlinge. Ich glaube, wenn wir hier helfen, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, das Wachstum pushen und den jungen Leuten Perspektiven geben, dann ist dies das richtige Mittel. Niemand will freiwillig seine Heimat verlassen. Jeder ist froh, wenn er bei sich zu Hause sein Leben machen kann. Und ich bin überzeugt davon, dass man hier auf dem richtigen Weg ist. Auch wenn das noch dauert. Sie haben die Möglichkeiten, sie treiben große Infrastrukturprojekte voran, wie den neuen Flughafen, die Autobahnen oder den regionalen Schnellzug, der dabei ist, gebaut zu werden. Es ist von großer Wichtigkeit, dass diese Infrastrukturprojekte entstehen und sich weiterentwickeln. Wichtig ist auch, dass diese Maßnahmen langfristig weitergeführt werden und nicht davon abhängig sind, wer in Zukunft die Regierung stellt. Das hat der Präsident verstanden. Das wird langfristig der richtige Weg sein. Aber Sie haben recht – wenn man die Bevölkerung heute sieht, dann gibt es schon eine große Diskrepanz.


Das Fazit des Großherzogs

Wie haben Sie diese Reise erlebt?

Es waren intensive Tage. Ich war sehr beeindruckt über die Art und Weise, wie die Kooperation hier läuft. Die Großherzogin war zuvor bereits zweimal im Senegal. Sie hat mir berichtet, es sei ein wunderbares Land mit sehr lieben Menschen. Ich glaube, dass es Sinn hat, dass wir Luxemburger die Zusammenarbeit weiterführen. Ein anderes großes Thema ist die Umwelt. Heute Morgen (Dienstag, Anm. d. Redaktion) haben wir gesehen, wie die Küste in Saint-Louis langsam verschwindet und die Bevölkerung teils wegziehen muss. Da muss unbedingt etwas passieren, um die Küste zu schützen. Das Sahel-Phänomen, das sich von Norden her ausbreitet, trägt langsam kilometerweise Wälder ab. Da muss auch etwas passieren, um den ganzen Sand zu stabilisieren. Das sind jene Projekte, die es wert sind, dieses Land zu unterstützen.

Es wurde viel darüber geredet, wie man die lokale Wirtschaft wieder ankurbeln könne. Wie haben die Projekte Sie überzeugt, die Ihnen präsentiert wurden?

Ich bin sehr stolz darauf, zum ersten Mal in Afrika mit einer Wirtschaftsmission dabei zu sein. Das Interesse ist sehr groß, sich zu beteiligen. Aus Luxemburg waren 23 Unternehmen bereit, diese Reise mitzumachen, um hier etwas anzufangen und weiterzuführen. Das hat mir Genugtuung gegeben. Das bedeutet, dass das Land hier wirklich vorankommt.