Sonderausstellung in Trier: Show-Acts und Wellness in Roma secunda

Sonderausstellung in Trier: Show-Acts und Wellness in Roma secunda

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Gladiatoren und wilde Raubtiere? Starke Expansion und innovative Bauvorhaben? Eher zahm und verschlafen mutet das Trier der Gegenwart an, vergleicht man es mit der ehemaligen römischen Kaiserresidenz und deren pulsierendem Leben. Augusta Treverorum erlebte eine Epoche der wirtschaftlichen und kulturellen Blüte, die die Stadt zu einer Metropole der Superlative machte. Mit der aktuellen Sonderausstellung „Spot an! Szenen einer römischen Stadt“ setzt das Rheinische Landesmuseum Trier neue Akzente.

Als eines der wichtigsten archäologischen Museen in Deutschland dokumentiert das Rheinische Landesmuseum Trier 200.000 Jahre Geschichte und kulturelle Entwicklung der Region. Die ständig wachsende Sammlung von Funden aus eigenen Grabungen birgt großartige Schätze aus der Antike, die zusätzlich zu den imposanten Unesco-Welterbestätten die Bedeutung des römischen Trier eindrücklich illustrieren: Skulpturen, Reliefs, Mosaike, Goldmünzen und weitere herausragende Objekte, die in der Dauerausstellung und regelmäßig in Sonderausstellungen präsentiert werden.

Nun sind es noch nie gezeigte archäologische Fundstücke, die sowohl den Wohlstand als auch das soziale Leben in der einst größten römischen Metropole nördlich der Alpen widerspiegeln. Das Ausstellungskonzept lässt die Besucher mittels multimedialer Inszenierungen, großformatiger Illustrationen mit Begleittexten sowie Computeranimationen am Aufbau dieser „Weltstadt“ teilhaben, an ihrer Ausdehnung in die Fläche und der fachlichen Kompetenz ihrer Stadtplaner, Ingenieure und Architekten, aber auch am Leben ihrer Bewohner und deren Aktivitäten in Handel und Wirtschaft, Handwerk und Kunst, Freizeitvergnügen und Religion.

Urbane Siedlungen sind natürlich keine Erfindung der Römer; bereits in der Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. waren Städte Merkmal keltischer Kultur in Mitteleuropa.
Im ersten vorchristlichen Jahrhundert hatte der keltische Stamm der Treverer das Gebiet zwischen Maas und Rhein besiedelt. Mit den Eroberungen Galliens durch Julius Cäsar begann der Siegeszug der römischen Imperatoren und die Unterwerfung der Treverer, die sich schließlich nach erfolglosen Aufständen in den römischen Herrschaftsverband integrieren mussten. Zum Ausbau des Fernstraßensystems unter Kaiser Augustus gehörte der Bau einer Holzbrücke über die Mosel um 17 v. Chr., von der noch ein eiserner Pfahlschuh zum Eintreiben der Pfähle in den Flussgrund zeugt. Später umfasst das römische Verkehrswegenetz rund 100.000 Kilometer und ermöglicht damit Metropolen wie Trier einen florierenden Handel mit den Nachbarn. Keramik- und Glasgeschirr, Gefäße für Salböl, Schmiedewaren und Stoffe wurden exportiert, Lebensmittel, Gewürze und Gestein importiert.

Geschäfte im Erlebnisbad

Im zweiten Jahrhundert hat die Stadt etwa 70.000 Einwohner und ist nur etwas kleiner als die innere Stadt heute. Die Grundzüge des römischen Städtebaus mit seiner schachbrettartigen Siedlungsstruktur, Wasserversorgung und Kanalsystem werden in der Ausstellung leicht nachvollziehbar visualisiert. Die thematischen Schwerpunkte der Stationen beleuchten zudem die Vielfalt der Stadtkultur, Wohnverhältnisse und Bevölkerungsstruktur, wichtige Gebäude, Denkmäler und Kultstätten. Infolge einer umfassenden Reichsreform, die eine Neuordnung des riesigen Imperiums zum Ziel hatte, war Trier von 286 an Kaiserresidenz, ab 293 Hauptstadt der Praefectura Galliae, eines Gebiets, das vom heutigen Großbritannien über Frankreich, Spanien und Portugal bis in den Norden Marokkos reichte.

Zentrum des öffentlichen Lebens in Roma secunda war das Forum; nicht weniger prominent stellten sich jedoch die großzügigen Thermenanlagen dar. Steinerne Fundstücke aus den Barbarathermen lassen die Pracht erahnen, in der sich bei meist freiem Eintritt alle sozialen Schichten tummeln konnten. Bildtafeln und Computeranimationen vermitteln eine atemberaubende Ansicht: Wände, Böden und Becken sind mit buntem Marmor und einem gelbroten Stein aus dem tunesischen Chemtou verkleidet.

Mit Mosaiken und Muscheln verzierte Nischen waren als Meeresgrotten gestaltet. Unterschiedlich temperierte Bäder, Schwimmbecken, Trainingsangebote für Sportler sowie Schönheitssalons boten den Gästen Wellness und Entspannung auf höchstem Niveau. Hinzu kamen Bibliotheken, Vortragsräume, Restaurants und Läden. Politprominenz und Geschäftsleute schätzten den Badespaß mit Zusatzprogramm zur Diskussion aktueller Themen beziehungsweise für Kundenakquise und die Pflege von Geschäftsbeziehungen. Die in der Ausstellung präsentierten Salbölgefäße, Haarnadeln, Kämme, silbernen Zahnstocher mit Ohrlöffelchen und vieles mehr belegen die Bedeutung der Hygiene für die Städter.

Entertainment im Amphitheater

Als östlicher Abschluss der Hauptstraße wird im zweiten Jh. n. Chr. das Amphitheater errichtet. Auf seinen Zuschauerrängen bot es etwa 18.000 Menschen Platz. Im weitläufigen Untergeschoss warteten Gladiatoren und Tiere in Kammern auf ihren Einsatz oder wurden mit einer Hebebühne aus dem Keller in die Arena gefahren. Der römische Satiriker Juvenal fasste das Spektakel in dem bekannten Motto „Brot und Spiele“ („panem et circenses“) zusammen. Ursprünglich Teil religiöser Riten entwickelten die sportlichen Wettkämpfe bald ein allzu weltliches Eigenleben. Trotzdem wurden die großen Wagenrennen, Gladiatoren- und Tierkämpfe auch weiterhin von festlichen Prozessionen und Opferungen zu Ehren einzelner Götter begleitet.

Die Begeisterung für diese Show-Acts ging so weit, dass sich wohlhabende Treverer Kampfszenen in Schmuckstücke und Gegenstände wie Öllampen gravieren ließen: Ein Ringstein zeigt einen Tierkämpfer in kurzem Rock und Stiefeln, wie er einen Bären mit der Lanze ersticht, Öllampen einen Gefesselten mit Widder oder Stier und Bär im Kampf. Zusammengerollte Bleitäfelchen, die im Keller des Amphitheaters entdeckt wurden, enthalten eingeritzte Verwünschungen und derbe Flüche. Nach antikem Aberglauben verstärkte das gewaltsame Sterben in der Arena die Wirkung dämonischer Kräfte.

Gesellschaftliche Phänomene jüngeren Datums wie Graffiti, Fast Food und Fanartikel tauchen unerwartet in anderen Exponaten auf und legen menschliche Interessen und Leidenschaften bloß. Und so gibt die sehenswerte Schau einen äußerst lebendigen Einblick in das zivile Leben im antiken Trier.