Frankreichs neuer Präsident auf Gipfeltour

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Offiziell freuen sich alle auf den Neuling beim Gipfelmarathon. Zumindest beim Nato-Treffen könnte der Empfang für Frankreichs Präsidenten Hollande allerdings eher frostig ausfallen.

Oberbefehlshaber der weltweit drittgrößten Atomstreitmacht, Staatsoberhaupt der zweitstärksten EU-Volkswirtschaft und Inhaber des Vetorechts im UN-Sicherheitsrat: Der neue französische Präsident François Hollande konnte am Freitag mit reichlich Selbstbewusstsein zu seinem ersten Gipfel-Marathon aufbrechen.

Von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis hin zu US-Präsident Barack Obama freuen sich offiziell alle darauf, den Nachfolger von Nicolas Sarkozy besser kennenzulernen. „Über mangelnde Aufmerksamkeit wird sich Hollande weder beim G8-Treffen noch beim Nato-Gipfel beklagen müssen“, sagen Diplomaten in Paris.

Nicht überall beliebt

Berechtigte Zweifel darf Hollande allerdings an der ungetrübten Vorfreude auf das Kennenlernen haben. Konservative Staats- und Regierungschefs wie Großbritanniens Premierminister David Cameron oder Merkel hatten während des französischen Wahlkampfs keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie einen Sieg Sarkozys lieber hätten. Die Zusammenarbeit funktionierte, auch wenn der kleine Franzose mit seinem ausgeprägten Aktionismus nicht selten für Kopfschütteln sorgte. Hollande gilt als ruhiger und besonnener – dafür könnte die Zusammenarbeit inhaltlich deutlich komplizierter werden.

Dies gilt vor allem mit Blick auf die Verteidigungspolitik, die beim Nato-Gipfel am Sonntag und Montag in Chicago auf dem Programm steht. Hollande hat im Wahlkampf angekündigt, sich nicht an den Truppenabzugsplan für Afghanistan zu halten; die rund 3400 französischen Soldaten sollen das Land bereits bis Ende 2012 verlassen haben – also eineinhalb Jahre früher als ursprünglich vereinbart. Strategisch kaum ein Problem, aber politisch ein fatales Signal, kritisieren Diplomaten.

Überrascht Hollande die NATO?

Mit Spannung wird nun erwartet, was Hollande beim Nato-Gipfel wirklich ankündigt. Denkbar ist ein Teilrückzug von den Wahlkampfversprechen aus logistischen Gründen. Neben den Soldaten sind rund 1400 Container, 900 Fahrzeuge und 14 Helikopter außer Landes zu schaffen. Die Transportmittel dafür müssen aber zum Teil von Nato-Partnern geliehen werden. Wenn die sich sperren, wird es schwierig mit dem Abzug zum 31. Dezember. „Frankreich muss seine Zusagen halten“, kommentiert der frühere US-Nato-Botschafter Nicholas Burns in einem Beitrag für die Denkfabrik „Atlantic Council“.

Noch heikler könnte die Diskussion um ein anderes Thema werden. Hollande hat im Wahlkampf mehrfach Vorbehalte gegen das neue Nato-Raketenabwehrsystem in Europa deutlich gemacht. Es ist dem Präsidenten sowohl strategisch als auch politisch gesehen ein Dorn im Auge. Zwei bis drei Milliarden Euro müsste allein das hoch verschuldete Frankreich bis 2020 aufbringen, zitierte jüngst die Wirtschaftszeitung «Les Echos» Schätzungen. Zudem käme das Geld vor allem der US-Industrie zugute.

Stellung Frankreichs gefährdet

Aus strategischer Sicht könnte die Raketenabwehr zudem Frankreichs Stellung als Weltmacht gefährden. Sollte das System erst einmal stehen, könnten berechtigterweise Forderungen nach einer Abrüstung der französischen Atomwaffen laut werden, wie sie schon jetzt aus Deutschland kommen. Die unabhängige „Force de Frappe“ ist allerdings Garant des internationalen Einflusses, sowohl für die Nation als auch für den Präsidenten. Auch für diese Position gibt es wenig Verständnis aus den USA. „Besorgniserregend“ nennt Burns die Vorbehalte Hollande gegen die Raketenabwehr.

Vergleichsweise entspannt dürfte deswegen der G8-Gipfel für Hollande werden. Beim Thema staatlich finanziertes Wachstum liegt der neue französische Präsident ganz auf US-Linie. „Deutschland wird beim G8-Gipfel isoliert sein, nicht Frankreich“, zitierte die französische Tageszeitung „Le Figaro“ am Freitag einen Gipfelbeobachter.