EU droht das Thema Arktis zu verschlafen

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Ob Gold, Gas oder Öl - die mit dem Klimawandel zugänglich werdenden Bodenschätze der Arktis wecken Begehrlichkeiten der Weltmächte.

Die EU drohe mit ihrer Passivität dabei ins Hintertreffen zu geraten, sagt der Arktis-Berichterstatter des Europaparlaments, Michael Gahler (CDU), im Interview des Informationsdienstes dpa Insight EU. Während manch EU-Vertreter zaghaft und unverbindlich auftrete, schicke China ganze „Jumbojet-Ladungen“ Interessenvertreter gen Grönland.

Die Ölbohrinsel Kulluk der Royal Dutch Shell in Dutch Harbor, Alska, USA. (dapd)

Frage: Herr Gahler, welche Chancen bietet die Arktis für Deutschland und Europa?

Michael Gahler: „Das Eis in der Arktis ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Damit können Menschen an Orte gelangen, die vorher kaum zugänglich waren. Die Entwicklung wird noch weitergehen. Das bietet neue wirtschaftliche Möglichkeiten.

Geologen vermuten große Vorkommen von Öl, Gas und anderen Rohstoffen in der Arktis, sowohl an Land als auch auf dem Meeresboden und darunter. Diese Rohstoffe sind der EU geografisch sehr viel näher als beispielsweise das Öl und Gas aus dem Mittleren Osten. Zudem ist die Region nördlich des Polarkreises sehr interessant für Forscher.“

Frage: Eine reine Erfolgsgeschichte?

M.G.: „Was wir nicht vergessen dürfen, sind die Rechte der Ureinwohner dieser Region und die Umwelt im hohen Norden. Deshalb braucht es einen nachhaltigen Umgang mit der Arktis. Das geht am besten, wenn die Anrainer und alle, die dort gerne aktiv sein möchten, möglichst intensiv zusammenarbeiten.“

Frage: Die EU richtet zunehmend ihren Fokus auf den hohen Norden, 2008 legte die EU-Kommission ein Strategiepapier vor. Wie gut vertritt die Staatengemeinschaft ihre Interessen in der Region?

M.G.: „Wir können als EU nicht so tun, als hätten wir dort oben etwas zu sagen. Wir sind kein Anrainer. Zwar gehört Grönland zu Dänemark, es ist aber ausdrücklich nicht in der EU. Es leben zwar Finnen und Schweden nördlich des Polarkreises. Küstengebiete am Polarmeer haben ihre Länder aber nicht. Manche Kollegen im Parlament hatten die Idee, einen Arktis-Vertrag zu schließen, ähnlich dem Antarktisvertrag. Da haben sie natürlich die Rechnung ohne sämtliche Wirte gemacht, die es da oben gibt. Das kann man sich abschminken. Wir müssen im Gegenteil für die Anrainer attraktiv sein als Kooperationspartner.

Öl- und Gasbohrungen, Fischfang, Rohstoffabbau und Schifffahrt wird es in Zukunft auf jeden Fall in der Arktis geben, ob mit oder ohne EU. Wir sollten uns Partner im Norden suchen, mit denen Fischerei oder Bohrungen dort oben mit höchsten Umweltstandards stattfinden.“

Frage: Die EU hatte sich um den Status des ständigen Beobachters im Arktischen Rat beworben. Doch die Bewerbung wurde im Mai 2013 abgelehnt. Wie sehen Sie das?

M.G.: „Ich war enttäuscht. Wir haben uns das aber selbst zuzuschreiben. Die EU-Staaten im Rat haben die Bewerbung unterstützt, aber Kanada wollte nicht. Dahinter haben sich dann die USA und vor allem Russland versteckt. Sie sagten, es gebe noch ungeklärte Fragen. Hauptgrund war das Einfuhrverbot für Robbenprodukte in die EU.“

Frage: Das EU-Einfuhrverbot von Robbenprodukten sehen Sie kritisch?

M.G.: „Aus meiner Sicht haben wir uns mit diesem Verbot außenpolitischen Schaden zugefügt. Das geschah aus opportunistischen innereuropäischen Erwägungen. Ich bin ausdrücklich dagegen, die Robbeneinfuhr zu unterbinden. Nicht weil ich die Robbenbabys nicht auch süß finde, sondern aus ganz pragmatischen Gründen: Die Meeressäuger spielen im Leben der Inuit als Ureinwohner der Arktis eine zentrale Rolle. Robben werden seit Jahrhunderten gejagt, sie sind ein wichtiges Exportprodukt. Da viele Inuit in Armut leben, haben wir auch ihnen mit dem Einfuhrverbot eine wichtige Einnahmequelle genommen.

Dabei stehen Robben nicht einmal auf der Liste der gefährdeten Arten. Im Gegenteil: Sie vermehren sich so, dass sie den Fischern die Fische wegfressen. Unter diesem Aspekt sind sie eigentlich sogar schädlich. Die Kanadier waren eindeutig: Hebt das Einfuhrverbot für Robben auf und ihr bekommt den Beobachterstatus im Arktischen Rat. Ich bin dafür, das EU-Verbot zur Robbeneinfuhr zu kippen.“

Frage: Wie engagiert ist die EU-Kommission bei dem Thema?

M.G.: „Im vergangenen Jahr ist EU-Industriekommissar Antonio Tajani nach Grönland gereist. Er hat dort einen Brief übergeben. Darin stand, dass die EU die Absicht habe, sich auf der Insel wirtschaftlich zu engagieren. Passiert ist seither nichts.“

Frage: Das heißt, Brüssel ist beim Thema Grönland tatenlos?

M.G.: „Die EU vergisst, dass sie nicht allein ist. Zwei Wochen nach Tajanis Besuch sind die Chinesen mit zwei Jumbojet-Ladungen voll Leuten gekommen. Bei so etwas müssen bei uns die Alarmblinkanlagen angehen. Das dürfen wir nicht verschlafen. In Grönland gibt es wichtige Rohstoffe quasi direkt vor der Haustür. Inzwischen hat China auch ein Freihandelsabkommen mit Island. Wir sollten uns einer Sache bewusst sein: Das Öl und Gas aus der Arktis ist geografisch näher an Europa als das vieler anderer Quellen. Dazu liegt im Norden der Anteil dschihadistischer Al-Kaida Kämpfer quasi unter dem Gefrierpunkt. Das muss man heutzutage auch beachten.“