EU-Gipfel bekräftigt – Erdogan droht

EU-Gipfel bekräftigt – Erdogan droht
(AFP/Emmanuel Dunand)

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Trotz des massiven Vorgehens der türkischen Führung gegen ihre Kritiker hält die EU am Flüchtlingspakt mit Ankara fest. Die EU-Staats- und Regierungschefs erklärten am Donnerstagabend, eine "vollständige" Umsetzung "aller Aspekte" der Vereinbarung vom März sei wichtig.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan warnte die Europäer erneut davor, die versprochene Visa-Liberalisierung für türkischen Bürger doch nicht einzuführen. In dem Flüchtlingsabkommen vom März hatte die Türkei zugesagt, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Dies führte zu einem drastischen Rückgang der neu ankommenden Flüchtlinge in Griechenland.

Die Europäer hatten im Gegenzug unter anderem einen beschleunigten Fall des Visa-Zwangs für Millionen Türken in Aussicht gestellt – und zwar eigentlich bis zum vergangenen Juni. Da sich Ankara aber weigert, seine weit gefassten Terrorismusgesetze zu ändern, sieht Brüssel die Bedingungen dafür bis heute nicht erfüllt. „Sollten Versprechen gebrochen werden, wird die Türkei ohne Zweifel einen Plan B und einen Plan C haben“, warnte Erdogan nun mit Blick auf die Visa-Liberalisierung: „Wir müssen nicht zu jeder Entscheidung über uns ‚Ja‘ sagen. Die EU hat uns bisher nichts gegeben.“

Kern: keine „Blockadeübung“

Zugesagt wurde Ankara in dem März-Abkommen auch eine Ausweitung der Verhandlungen über den EU-Beitritt. Ende Juni wurde darauf ein weiteres sogenanntes Verhandlungskapitel mit Ankara eröffnet, in denen die EU-Standards für einen EU-Beitritt festgelegt sind. Weitere Kapitel sollten „in beschleunigtem Tempo“ vorbereitet werden. Die EU-Europaminister hatten allerdings am Dienstag angesichts des massiven Vorgehens gegen Regierungskritiker und Medien in der Türkei seit dem Putschversuch im Juli einen Ausweitungsstopp für die Beitrittsgespräche unterstützt.

Nur Österreich trug eine entsprechende Erklärung nicht mit, weil es ein vollständiges Einfrieren der Beitrittsgespräche wollte. Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) forderte beim Gipfel zwar weiter „ein alternatives Konzept zu einem EU-Beitritt der Türkei“, wollte sich dafür aber offenbar nicht mit seinen EU-Kollegen anlegen. Er wolle auf Dauer keine „Blockadeübung“ auf EU-Ebene betreiben und akzeptiere, „wenn wir keine Mehrheit finden“, sagte er vor Gipfelbeginn.

Fußnote mit Ausnahmen

Bei der umstrittenen Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf alle EU-Staaten forderten die Staats- und Regierungschefs sich gegenseitig auf, die „Anstrengungen zu verstärken“ und zu beschleunigen. In einer Fußnote wurden aber Ungarn und die Slowakei ausgenommen, die gegen einen entsprechenden Beschluss der EU-Innenminister vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt haben. Auch Polen wurde ausgenommen, das die beiden Länder unterstützt.

Einig waren sich die EU-Spitzen weitgehend in der Frage der sogenannten Migrationspartnerschaften mit bisher fünf afrikanischen Ländern. Sie umfassen neben wirtschaftlicher Unterstützung und Bildungsprogrammen vielfach auch Hilfe zum Aufbau eines wirksamen Grenzschutzes. Der Gipfel schloss eine Ausweitung auf andere Länder in der Zukunft nicht aus. Die Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, Ska Keller, kritisierte die Partnerschaften als „Migrationsverhinderungsabkommen“. Mit ihnen setzten die Staats- und Regierungschefs „das Leben von Migranten und Flüchtlingen aufs Spiel und machen schmutzige Deals mit Herkunfts- und Transitländern“.