Die Geschichte neu erfinden

Die Geschichte neu erfinden
(Tageblatt/Jean-Claude Ernst)

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Das Institut für Zeitgeschichte an der Universität Luxemburg heißt nun offiziell "Luxembourg Center for Contemporary and Digital History" und stellte sich am Montag vor. Viersprachig, und mit neuen, in der Geschichtsforschung nicht unbedingt üblichen Blickwinkeln.

Bereits vor mehr als einem Jahr hat der Regierungsrat die Einrichtung eines Instituts für Zeitgeschichte genehmigt, so wie es auch in seinem Regierungsprogramm stand. Jetzt nimmt das „Luxembourg Center for Contemporary and Digital History“ mit dem schönen Kürzel C2DH seine Arbeit auf. Mit rund 70 Forschern will Direktor Andreas Fickers daraus eines der modernsten Forschungslabors in der Welt machen.

Angebot komplett

Im Rahmengesetz über die Universität sind drei sogenannte interdisziplinäre Zentren vorgesehen. Es existierten bereits: das „Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust“, sowie das „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“. Das „Luxembourg Center for Contemporary and Digital History“ komplettiert demnach nun die Angebotspalette der Luxemburger Uni.

Uni-Rektor Rainer Klump begrüßte die Gäste bei der Vorstellung des Instituts am Montag auf Deutsch, Direktor Andreas Fickers beschrieb die Missionen des digitalen Forschungslabors auf Englisch, Professor Benoît Majerus, Mitglied des Management-Teams, setzte den Rahmen in französischer Sprache und der Verantwortliche für die Recherchen in der zeitgenössischen luxemburgischen Geschichte, Professor Denis Scuto, erklärte „op Lëtzeburgesch“. „Genauso multinational und mit vier Sprachen soll unser Labor funktionieren“, erklärt Andreas Fickers.

„Eines der modernsten Labors der Welt“

Der belgische Professor, der seit drei Jahren an der Uni Luxemburg lehrt und im Sommer zum Leiter des Instituts für zeitgenössische Geschichte benannt wurde, hat Großes vor. „Eines der modernsten Labors der Welt“ will er in Belval einrichten und Luxemburg damit technisch und wissenschaftlich „auf die internationale Weltkarte setzen“. Deshalb wollen die Forscher auch nicht allein und im stillen Kämmerlein arbeiten, sondern sich, mit ihrem wissenschaftlichen Hintergrundwissen, an den öffentlichen Diskussionen über die Aufarbeitung der Zeitgeschichte beteiligen.

„Eine kritische und zugleich offene Diskussion über die Luxemburger Zeitgeschichte“ wünscht sich Denis Scuto. Mit seinem Team sei er offen für alle Fragen und alle Akteure der Zeitgeschichte. „Über diesen Weg kann die Uni Luxemburg ihre Einbindung in das nationale Zeitgeschehen dokumentieren“, meint Rektor Rainer Klump.
„Wir beanspruchen kein Monopol des Wissens. Wir suchen vielmehr die Zusammenarbeit und den Dialog mit der Zivilgesellschaft. Aber wir wollen diese organisieren“, bestätigt auch Andreas Fickers.

Dreidimensionales, digitales Gesamtbild

Diese Organisation geht weit über das Verfassen rein wissenschaftlicher Abhandlungen hinaus. Sie wird auf der einen Seite Bild- und Tondokumente in die Abhandlungen einbauen und auf der anderen Seite die örtlichen und räumlichen Erkenntnisse dreidimensional erfassen. So soll gewissermaßen ein Gesamtbild der Vergangenheit entstehen.

Eine beachtliche Vorarbeit entfällt bei der Entstehung dieses Projektes auf das „Centre virtuel de la connaissance sur l’Europe“. Fast 20 Jahre lang hat dieses in seinem Standort im Schloss von Sanem das Wissen über Europa erfasst und digital verarbeitet. Vorarbeit hat aber auch Benoît Majerus geleistet, der seit drei Jahren mit seinen Studenten Tag für Tag die Schlachten und Kämpfe aus dem Ersten Weltkrieg „twittert“. Seine diesbezügliche Arbeit wurde im Sommer mit dem Europäischen Karlspreis ausgezeichnet.

Bis zu 70 Forscher

Noch ist das Team um den Direktor relativ bescheiden. Doch schon in wenigen Monaten soll es bis auf 70 Forscher aufgestockt werden. Allein 13 Doktoranden werden an der Methodologie der digitalen Aufbereitung der historischen Kenntnisse arbeiten und diese weiterentwickeln.

Wichtig ist auch der interdisziplinäre Aspekt. Neben den Historikern werden künftig auch Philosophen, Geographen, Erzieher und Geisteswissenschaftler in die Nachforschungen eingebunden. Die Forscher suchen auch den Dialog mit der Zivilgesellschaft. So soll das „Comité de la mémoire“, das sich aus Vertretern der Zwangsrekrutierten, der Resistenzler und der jüdischen Gemeinschaft zusammensetzt, punktuell dem Zentrum zuarbeiten.

Alle Details zum Thema finden Sie in der Tageblatt-Ausgabe vom 25. Oktober (Print und E-paper).