Revolution

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Auf der Suche nach einem Zukunftsmodell.

Luxemburg sucht nach seiner Zukunft. Die dritte industrielle Revolution (DIR) könnte eine solche sein. Vor zwei Wochen gab Wirtschaftsminister Etienne Schneider den Regierungsauftrag an den renommierten Wirtschaftswissenschaftler, Zukunftsforscher und geistigen Vater der DIR, Jeremy Rifkin, bekannt, eine mögliche Entwicklungsstrategie für das Land auszuarbeiten.

Lucien Montebrusco

Die zweite industrielle Revolution, die auf der Verfeuerung von Erdöl basiert, befindet sich in ihrer Endphase, so Rifkins Kernthese: Jede industrielle Revolution zeichne sich durch die Art der Energiegewinnung und der Kommunikations- und Transportwege in der Gesellschaft aus. Unser aktuelles Wirtschafts- und Gesellschaftssystem fußt auf der Nutzung fossiler Brennstoffe und sei somit zum Untergang verdammt.

Mit der dritten industriellen Revolution würde sich Luxemburg von der bisherigen zentralgesteuerten Energiegewinnung und -verteilung befreien. Wohn- und Gewerbegebäude würden zu Mikrokraftwerken, die von ihnen produzierte Energie in ein dichtes Stromnetz eingespeist. Intelligente Stromzähler hielten fest, wer wie viel von der auf dem eigenen Dach produzierten Energie für Eigenbedarf nutzt und wie viel er der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Eine weitere Säule des Rifkin-Modells: Der Großteil des Fuhrparks würde auf Elektrofahrzeuge umgestellt.

Einzelne Bestandteile dieses innovativen Konzepts sind oder könnten in Bälde Luxemburger Wirklichkeit werden. Luxemburg ist eines der digital bestvernetzten Gebiete der EU; der Staat ist eifrig dabei, das Netz an Elektrozapfsäulen auszubauen. Ein kleines Territorium wie Luxemburg würde sich zudem für die Umsetzung eines derartigen Projekts ausgezeichnet eignen.

Der Weg in die dritte industrielle Revolution würde der Wirtschaft einen kräftigen Schub geben. Allein der Bauindustrie würde die Umrüstung tausender Gebäude einen bisher kaum gekannten Boom bescheren. Die Modernisierung des Stromnetzes würde neue Arbeitsplätze generieren, schreibt Rifkin in seinem 2010 erschienenen Buch „Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter“.

Als Hirngespinste sind Rifkins Visionen und Vorschläge nicht einfach abzutun. Deutschlands resoluter Schwenk in Richtung umweltschonende Energieproduktion, die auf EU-Ebene angepeilte 20-20-20-Strategie, bis zum Jahr 2020 20 Prozent der Stromerzeugung aus alternativen Energiequellen zu erzeugen und den Ausstoß von Treibhausgasen um 20 Prozent zu reduzieren, wurden maßgeblich von Rifkins Überlegungen beeinflusst. DIR-Strategien entwickelte Rifkins Team u.a. bereits für das Fürstentum Monaco, die niederländische Provinz Utrecht und die Stadt Rom. Luxemburg outete sich also keinesfalls als Exot, als es sich an den Wirtschaftsexperten und Zukunftsforscher richtete.

Schaden kann es nicht, sich einen Blick von außen zu gönnen. Natürlich bliebe zu klären, wie sich Rifkins Konzept auf unser Sozialsystem auswirken würde, wie das Schulsystem auf die neuen Bedingungen reagieren müsste, die Arbeitswelt, nicht nur im Finanzbereich, sondern auch in der Industrie und im Handwerk, angepasst werden könnte. Doch den Ansatz gleich vernichtend zu kritisieren, zeugt nicht von Weitsicht. Das Land sucht nach einem neuen globalen Konzept für seine Zukunft. Ideen sind willkommen, Denkverbote unzulässig, Diskussionen ohne Tabus erfordert.

Eines wird man der aktuellen Regierung nicht vorwerfen können: Nur den Blick auf die nächste Legislaturgrenze gerichtet zu haben. Auch wenn es vorerst bei Studien bleibt.