Drei Chirurgen zum Image-Lifting

Drei Chirurgen zum Image-Lifting
(Alain Rischard/editpress)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das nennt man wohl eine PR-Kampagne: Nach all den negativen Schlagzeilen seit der Eröffnung des Freeports im September letzten Jahres soll nun etwas Glamour das Bild in der Öffentlichkeit verbessern.

Man lädt die Presse ein, um ihr eine der schönen, der romantischen, der guten Seiten des Kunstmarktes zu präsentieren: Die Restaurierung von Kunst. Eine Kunstform an sich und eine Dienstleistung, die der Freeport in Zukunft auch anbieten möchte. Wohl bemerkt in Zukunft, denn die Werkstätten sind noch leer, keine Kunst, noch nicht einmal das Material für die Restaurierungsarbeiten …

Etwas gruselig ist ein Besuch des Luxemburger Freeports schon. Alleine die Sicherheitsvorkehrungen, die man über sich ergehen lassen muss, um das Gebäude überhaupt betreten zu dürfen; sie sprengen jegliche Erfahrungen von Flughäfen oder Massenveranstaltungen. Dann die meterdicken Wände, die Lichter, die überall blinken, Aufzüge, die acht Tonnen transportieren können und an Transportmittel aus Science-Fiction-Filmen erinnern, und dann noch der Security-Chef, der uns nicht von der Seite weicht und auf jeden kritischen Blick erwidert: „Don’t worry, we take care of you.“

Diebstahl, Geldwäsche

Der Freeport, gerade einmal ein paar Monate ist er alt, ein gutes halbes Jahr, das der Öffentlichkeit wie im Zeitraffer die negativen Seiten des Kunstmarktes vor Augen geführt hat: Diebstahl, Hehlerei, Geldwäsche, Betrug. Erst Yves Bouvier, dann Olivier Thomas. Erst der erste, dann der zweite Präsident des Verwaltungsrates bekamen ärger mit der Justiz. Dabei ging es um alles andere als Lappalien. Im Falle von Olivier Thomas gar um angeblich gestohlene Bilder von Pablo Picasso. Nationale, aber auch internationale Medien berichteten von den Skandalen um den jungen Freeport.

Der Ruf, eine „steuerfreie Luxusoase für die Kunstschätze von Superreichen“ zu sein, wie das deutsche Kulturmagazin Titel Thesen, Temperamente den Freeport charakterisierte, verbreitete sich, er haftet dem Freeport an, degradiert ihn zu einem vielleicht legalen, jedoch intransparenten und vor allem moralisch verwerflichen Business.

Da ist es ein cleverer Schachzug, drei Kunstliebhaber einzuladen, drei Experten aus dem Bereich der Restaurierung von Meisterwerken der Kunst, deren Augen leuchten – und zwar nicht vor Dollarnoten –, sobald sie von einem echten Modigliani, einem echten Caravaggio sprechen. Dass diese Herren in Zukunft auch mit dem Freeport zusammenarbeiten werden, ist sicher eine gute Sache, doch sollte man sie nicht benutzen. Schließlich restaurieren sie Kunst und kein Image.

Der Chirurg der Kunst

Seit bereits 30 Jahren besitzt Roland Frere eine Werkstatt, um hochwertige Kunstwerke zu restaurieren. Seine Kundschaft ist international, deutsche Banker, spanische Juristen, Menschen mit viel Geld, die sich dazu entschieden haben, in Kunst zu investieren.

„Der Kauf von Kunst ist ein Kauf mit Risiken, ebenso wie der Kauf von Aktien“, erklärt Roland Frere, deshalb sei es wichtig, dass Menschen, die sich für die Kunst als Geldanlage entschieden haben, gut betreut seien.

Es passiert schnell, dass ein Kunstwerk einen Umzug nicht unbeschadet überlebt, dann wird Roland Frere gerufen. Er vergleicht seine Arbeit und die seiner Mitarbeiter mit der eines Chirurgen. „Wir machen auf, schauen rein und versuchen natürlich so viel wie möglich von dem Originalmaterial zu retten.“ Das, was nicht zu retten ist, wird ersetzt. Restauriert. Dabei befolgen Frere und seine Mitarbeiter klaren Regeln, Frere spricht sogar von einem Deontologiekodex. Das Wichtigste: Jeder Restaurierungsschritt muss reversibel sein.

Echt oder Fake?

„Ich bin kein Restaurator, ich bin Wissenschaftler“, sagt Maurizio Seracini und begrüßt uns mit einem kräftigen Händedruck. Ingenieurwissenschaften hatte er studiert, damals in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Und zwar mit dem Ziel, die exakte Wissenschaft und die Welt der Kunst, den Kunstmarkt miteinander zu verbinden.

Durch die genaue Analyse des Materials – er vergleicht sich gerne mit einem Biochemiker, der sich nur auf die kleinsten Teilchen seiner Substanzen verlässt – möchte Seracini ergründen und auch Jahrhunderte nach der Entstehung eines Kunstwerkes nachvollziehen können, wie es entstanden ist. „Nur durch diese Arbeit, die kein Kunsthistoriker zu leisten vermag, lässt sich die Authentizität eines Kunstwerkes feststellen“, so Seracini. Kein Wunder, dass er heute für die größten Museen der Welt – vom Met in New York über das Prado in Madrid zur National Gallery in London – arbeitet. Seine Expertise ist gefragt.

Der Wert eines Kunstwerkes steigert sich schließlich mit den Fakten, die seine Echtheit begründen. „Sie können sich gar nicht vorstellen , wie viele Fakes auf dem Kunstmarkt angeboten werden oder sogar in unseren renommiertesten Museen hängen.“ Auf die Bitte nach einem konkreten Beispiel antwortet Seracini nur verschmitzt: „Don’t get me in trouble the first day I work here ….“ Nur so viel: „The higher prizes go, the more fakes are …“

Ein Staffellauf

Alessandro Nicola erzählt gerne von seinem Großvater, der 1947 nach dem Zweiten Weltkrieg davon träumte, eine Werkstatt zu eröffnen, um all die im Krieg beschädigten, hochwertigen Kunstwerke zu restaurieren.

Heute ist es sein Enkel, der das Unternehmen führt. Und zwar mit großem Erfolg. 40 Mitarbeiter hat Alessandro Nicola mittlerweile.

„Wir sind eine Art Krankenhaus, mit verschiedenen Stationen, auf denen die Fachleute arbeiten“, erklärt Nicola. „Unsere Arbeit gleicht einem Staffellauf.“ Die Arbeit des einen ist ohne die Arbeit des anderen nichts.

Lesen Sie auch:

Freeport-Präsident wieder frei

Ware oder Wahres

Findel-Freeport Investor angeklagt