Die Zeit der Reformen bricht an

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Der Staatshaushalt 2015 bringt in Frankreich eine große Zahl von Reformen mit sich. Insbesondere – wie in anderen europäischen Ländern zuvor – im Sozialhaushalt.

Für Familien mit mehreren Kindern wird mit dem Jahr 2015 in Frankreich keine gute Zeit anbrechen. Die im Staatshaushalt vorgesehenen Veränderungen schwächen insbesondere den Status der französischen Familie und den der Kinder. Allerdings: Die Veränderungen führen die Luxus-Situation der Familie, die in anderen europäischen Ländern – insbesondere in Deutschland – immer bewundert wurde, möglicherweise nur in einen Zustand der Normalität zurück.

Die Situation der Krankenkasse*
2009 -10,6
2010 -11,6
2011 – 8,6
2012 – 5,8
2013 – 6,8
2014 -7,3**
• – 6,9*

Die Situation der Familienkasse*
2009 -1,8
2010 -2,7
2011 – 2,6
2012 – 2,5
2013 – 3,2
2014 – 2,9**
2015 – 2,3**

Die Situation der Renten*
2009 – 7,2
2010 – 8,9
2011 – 6,0
2012 – 4,8
2013 – 3,1
2014 – 1,6**
2015 – 1,5**

Defizit der Sozialversicherung*
2009 – 23,5
2010 – 28,0
2011 – 20,8
2012 – 17,5
2013 – 15,4
2014 – 15,4**
2015 – 13,4**

• Quelle: L es Echos, * in Milliarden, ** geschätzt

Frankreich will im kommenden Jahr 21 Milliarden Euro im Staatshaushalt einsparen. Die wesentlichen Summen werden aus dem Sozialhaushalt kommen. Der Haushalt der Sozialversicherung mit Krankenversicherung, mit Rentenversicherung und mit der Familienförderung umfasst gut 335 Milliarden Euro. Er wird in diesem Jahr mit einem Minus von 15,4 Milliarden Euro abschließen. Ziel der Sozialministerin Marisol Touraine ist es, das Defizit um gut zwei Milliarden auf 13,2 Milliarden Euro zurückzuschrauben. Die größten Reaktionen gibt es in Frankreich dazu auf die Einsparungen im Familien-Etat, die im kommenden Jahr bei 700 Millionen Euro liegen sollen.

Alle Bereiche sind betroffen

Die Einsparungen in der Familienförderung betreffen alle Bereiche. Die steuerliche Förderung des Ehegatten-Splitting war 2013 bereits zurück gefahren worden. Sie wird für das Steuerjahr 2015 auf pauschaliert 1.500 Euro gesenkt. Familien mit Kindern werden besonders getroffen. So wird der Zuschuss, den Mütter ab der Geburt des zweiten Kindes bekamen, um Kinderzimmer einzurichten, Babykleidung und Windeln zu kaufen, von 923 Euro auf 308 Euro gesenkt. Die Begründung: wesentliche Teile der Ausrüstung seien ja bereits vorhanden.

Schwierigkeiten bereitet in Frankreich immer noch der Mütterurlaub nach der Geburt eines Kindes. Er betrug bisher ein Jahr und konnte danach zweimal verlängert werden. Die Regierung hatte mit einem Gleichstellungsgesetz vorgesehen, dass sich der Mütterurlaub zu einem Elternurlaub entwickeln sollte. Tatsächlich zeigt gerade der Mütterurlaub in welchem Maße Frankreich ein paternalistisches Land ist. Die Väter übertrugen den Urlaub auf ihre Frauen und arbeiteten weiter. Nach den vom Sozialministerium vorgelegten Statistiken wurde der Elternurlaub zu 96 Prozent von Müttern genommen.

Die Pariser Regierung kürzt nun den Elternurlaub der Mutter und erhöht den Teil, den die Väter nehmen sollen. Eine Übertragung soll nicht mehr möglich sein. Da die Regierung gleichzeitig davon ausgeht, dass die Väter auf den Urlaub, der mit 500 Euro pro Monat honoriert wird, verzichten werden, sollen so weitere Einsparungen erzielt werden. Gleichzeitig argumentiert das Sozialministerium, dass so die Frauen dem Arbeitsmarkt nach der Geburt früher zur Verfügung stehen werden. Eine Argumentation, die durch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit widerlegt wird. Das statistische Institut INSEE rechnet bis Ende des Jahres mit einem Plus von 44.000 neuen Arbeitslosen und im Jahre 2015 mit einem Plus von über 60.000 neuen Arbeitslosen.

Bisher weniger Arbeitsplätze als angekündigt

Die Regierung hatte weiterhin ein Programm zur Schaffung von 275.000 neuen Plätzen für Kinderkrippen und Kindergärten aufgelegt. Das Programm, hinkt dem Zeitplan weit hinterher, führen Kritiker an. In der französischen Presse, im bürgerlichen Spektrum, wird dieses Sparprogramm scharf kritisiert. Frankreich gibt freiwillig das auf, wofür es in Deutschland noch bewundert würde, heißt es: Seine Familienpolitik. Mit der neuen Familienpolitik der Sozialisten, kritisiert der konservative Politiker Bruno le Maire, selbst Vater von vier Kindern, bräche die positive Bevölkerungsentwicklung Frankreichs auf Dauer ein. Es gäbe keine Anreize mehr Kinder zu bekommen. Die Fruchtbarkeitsrate in Frankreich lag im Jahre 2012 bei 2,01 Kindern pro Familie. Frankreich lag zusammen mit Irland an der Spitze in der Europäischen Union.

Mit 700 Millionen ist die Einsparung in der Familienpolitik gering. Starke Einsparungen soll es in der Sozialversicherung geben. Sie sollen sich auf 3,2 Milliarden Euro belaufen. Damit dürfen die Ausgaben der Sozialversicherung aber immer noch um 2,1 Prozent steigen, stärker als die Inflationsrate. Hospitäler sollen 520 Millionen einsparen, mehr ambulante Operationen zu Einsparungen von 370 Millionen führen. Insgesamt 1,15 Milliarden sollen durch eine sorgfältiger geplante Pflege weniger ausgegeben werden und der stärkere Einsatz von Generika im Medikamentenbereich soll noch einmal eine Milliarde einsparen.

Insgesamt aber geht die Sozialministerin Frankreichs davon aus, dass das Defizit im Gesamtbereich der Sozialversicherung mit 13 Milliarden bestehen bleibt.

Im Sozialbereich soll die Hälfte der Einsparungen herkommen

Von den Einsparungen in Höhe von 21 Milliarden Euro soll der Sozialbereich insgesamt zehn Milliarden tragen. Die bisher bekannten Maßnahmen machen davon nicht einmal ein Drittel aus. Bei den Rentnern wird allerdings deutlich, welche Systematik die französische Regierung anwendet. Die allgemeine Sozialsteuer (Contribution sociale généralisé) kennt zwei Beitragssätze. Den Normalsatz von 6,6 Prozent und den ermäßigten Satz von 3,8 Prozent.

Durch eine Veränderung der Steuersätze wird ein neuer Steuersatz in die Steuertabelle eingeführt. Der lässt nun 460.000 Rentner aus dem ermäßigten Satz in den Normalsatz aufsteigen, belastet sie damit höher. Andererseits fallen nun 700.000 Rentner in den ermäßigten Steuersatz. Mit anderen Worten: Wie bei der Berechnung der Einkommensteuer erfolgt durch eine Belastung der Mittelschicht die Entlastung der geringen Einkommen. Ein System, das die Sozialisten bei den Kommunal- und Senatswahlen mit Stimmenverlusten bezahlt haben.