GeldpolitikEZB ebnet trotz des Ukraine-Kriegs den Weg für eine Zinswende – der Zeitpunkt bleibt offen

Geldpolitik / EZB ebnet trotz des Ukraine-Kriegs den Weg für eine Zinswende – der Zeitpunkt bleibt offen
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank: EZB will Anleihenzukäufe im Sommer auslaufen lassen Foto: AFP/Daniel Roland

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Angesichts rasant steigender Preise bereitet die EZB zwei Wochen nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine den Boden für eine Zinswende.

Europas Zentralbank will ihre milliardenschweren Anleihenkäufe schneller zurückfahren und im Sommer ganz auslaufen lassen, wenn es der Inflationsausblick erlauben sollte. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine Zinserhöhung auf dem Fuß folgen muss. Die EZB verschaffte sich in dieser Frage mehr Spielraum und erklärte, die Wende stehe erst „einige Zeit nach dem Ende“ der Käufe an. Das könnte „eine Woche oder auch Monate“ bedeuten, erläuterte EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag den Beschluss, dem eine lebhafte Diskussion vorausgegangen sei.

Die EZB lässt sich damit die Möglichkeit einer Abkehr von der Nullzinspolitik offen, während die US-Notenbank bereits kurz vor der Zinswende steht und eine Reihe weiterer Schritte folgen lassen dürfte. Jenseits des Atlantiks ist die Inflation mit 7,9 Prozent auf den höchsten Stand seit 40 Jahren geklettert.

Die EZB hob angesichts hochschießender Energiepreise ihre Inflationsprognose kräftig an. Ihre Volkswirte erwarten für das laufende Jahr jetzt eine Teuerungsrate in der Währungsunion von 5,1 Prozent. Noch im Dezember hatten sie 3,2 Prozent veranschlagt. 2023 soll die Teuerungsrate auf 2,1 (bisher 1,8) Prozent sinken und 2024 dann auf 1,9 (bisher: 1,8) Prozent nachgeben.

„Der Russland-Ukraine-Krieg wird durch höhere Energie- und Rohstoffpreise, die Unterbrechung des internationalen Handels und ein schwächeres Vertrauen erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit und die Inflation haben“, sagte Lagarde nach der Zinssitzung. Das Ausmaß dieser negativen Effekte werde davon abhängen, „wie sich der Konflikt entwickelt“. Die russische Invasion in der Ukraine bezeichnete der Rat als „Wendepunkt für Europa“. Die EZB werde alles tun, um Preis- und Finanzstabilität zu sichern.

„Maximale Agilität und Flexibilität“

Lagarde räumte ein, dass bei der Sitzung des EZB-Rats verschiedene Ansichten geäußert worden seien, bevor ein Konsens gefunden wurde. Einige Währungshüter hätten ursprünglich nichts ändern wollen, andere ohne Bedingungen Änderungen vornehmen wollen. Letztlich habe sich der Rat auf ein Paket geeinigt, dass der EZB „maximale Agilität und Flexibilität“ in Zeiten der Unsicherheit verleihe. Insidern zufolge hat nur eine handvoll Mitglieder auf der Sitzung dafür argumentiert, die Anleihenkäufe nicht mit einem voraussichtlichen Enddatum zu versehen. Eine klare Mehrheit habe sich dagegen für ein solches Enddatum ausgesprochen. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab.

Die Anleihenzukäufe im Rahmen des Pandemie-Notprogramms PEPP werden zum Ende des Monats wie geplant gestoppt. Das Bondprogramm APP wird zudem schneller zurückgefahren als bislang geplant. Es soll im April ein monatliches Volumen an Zukäufen von 40 Milliarden Euro haben, im Mai dann auf 30 Milliarden und im Juni auf 20 Milliarden Euro eingedampft werden. Ursprünglich sollte diese Summe erst ab Oktober erreicht werden. Ob im dritten Quartal tatsächlich Schluss mit den Käufen sein wird, ist jedoch noch nicht ausgemachte Sache. Die verfügbaren Daten müssen laut EZB die Erwartung stützen, dass sich die mittelfristigen Inflationsaussichten auch nach Ende der Käufe nicht eintrüben.

Der EZB-Rat verschaffte sich zudem mit Blick auf eine Zinswende mehr Spielraum, die erst „einige Zeit nach dem Ende“ der Käufe kommen solle. Bislang hatte er signalisiert, dass sie „kurz“ nach dem Aus für die Bondkäufe vollzogen werde. „Das klingt jedenfalls nicht nach einer Zinsanhebung noch im laufenden Jahr sondern ist wohl eher Bestandteil des Jahres 2023“, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank.

Zugleich strich der EZB-Rat auch eine Passage aus dem Text, die die Möglichkeit niedrigerer Zinsen vorsah. Den Schlüsselzins beließen die Währungshüter auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Zugleich müssen Banken Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten. Dieser sogenannte Einlagesatz liegt weiterhin bei minus 0,5 Prozent. Die EZB-Rat hält die Tür zugleich für eine Erhöhung offen. Er steht bereit, „alle seine Instrumente“ bei Bedarf anzupassen. Damit will er sicherstellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei dem Zielwert von 2,0 Prozent stabilisiert. Zuletzt war die Teuerung mit 5,8 Prozent aber weit darüber hinausgeschossen.