F91-Assistenztrainer Crasson: Eine Genesis nach einer langen Odyssee

F91-Assistenztrainer Crasson: Eine Genesis nach einer langen Odyssee

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Bertrand Crasson kam wie die Jungfrau zum Kinde. Der eigentliche Assistenztrainer von Emilio Ferrera muss nach dessen Abgang heute den F91 Düdelingen im ersten Auswärtsspiel der Europa-League-Gruppenphase gegen Apoel Nikosia anführen. Für den ehemaligen belgischen Nationalspieler stellen die kommenden Wochen eine Genesis nach einer langen Odyssee dar.

Bertrand Crasson gehörte in den 90er-Jahren zu den bekanntesten Gesichtern des belgischen Fußballs. Nationalspieler, WM-Teilnehmer 1998, sechsfacher Meister mit dem RSC Anderlecht. Nach seiner aktiven Karriere wurde er zum Analysten beim Fernsehsender RTBF. „Ich habe rund 500 Spiele gesehen. Das hat mir geholfen, so einiges besser zu verstehen“, sagt der mittlerweile 47-Jährige. 2011 begann das Image des ehemaligen Verteidigers Risse zu bekommen. Ein Video, in dem er und seine Ex-Frau handgreiflich werden, gelangte an die Öffentlichkeit.

Crasson entschied sich, Belgien zu verlassen. Er wollte zur Ruhe kommen. In Thailand fand er ein neues Refugium. Zwischen Palmen, Strand und Tuk-Tuks baute er sich ein neues Leben auf. Fernab der Probleme in der Heimat. „Dort habe ich eigentlich alles gemacht. Ich war Trainer, Leiter einer Jugendakademie und Sportdirektor.“

Bei seinem letzten Verein BEC Tero in Bangkok arbeitete er kurz mit dem ehemaligen schwedischen Spitzentrainer Sven-Göran Eriksson zusammen. Nach sechs Jahren in Thailand strebte er seit vergangenem Jahr eine Rückkehr nach Europa an.

Erst sieben Tage im Amt

Vor zwei Wochen flatterte die Offerte von Düdelingen ins Haus. Crasson nahm an. Es war seine Wiedergeburt, seine Genesis.

Emilio Ferrera scheint allerdings nicht der Auslöser für seine Verpflichtung gewesen zu sein. „Ich habe ihn kennengelernt, als er mein Trainer war (2004/05 beim FC Brussels, Anm. d. Red.). Vielleicht war er der Grund, warum ich genommen wurde. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Düdelingen war für mich eine sehr gute Gelegenheit, nach Europa zurückzukehren“, sagt Crasson.

Nicht einmal sieben Tage war Crasson im Amt, als Ferrera am vergangenen Montag dem Training fernblieb und er die Verantwortung übernehmen musste. Einen Tag später saß er als hauptamtlicher Coach im Flugzeug in Richtung Zypern. Zunächst einmal ist der Belgier als Übergangslösung vorgesehen. „Im Leben und im Fußball kann es schnell gehen. Wir werden sehen, was nach der Partie gegen Nikosia passiert“, sagt der Belgier mit Hoffnung und Ambitionen.

„Nicht mehr das kleine Vögelchen, das von der großen Katze gejagt wird“

Emilio Ferrera hatte genau 13 Wochen Zeit, um aus 29 neuen Spielern und einem 36er-Kader eine schlagkräftige Truppe für die Europa-League-Gruppenphase zu formen. Crasson hatte nicht mal einen Bruchteil dieser Zeit zur Verfügung. „Ich will keine Revolution starten. Die Spieler sollen sich befreien von den Gedanken an außersportliche Dinge. Sie sollen sich wohlfühlen.“

Crasson kennt sich aus mit dem internationalen Geschäft. Als Spieler bestritt er die Champions League und den UEFA-Pokal (heute: Europa League). „Diese Wettbewerbe sind nicht mit Meisterschaften zu vergleichen. Die Schiedsrichter lassen oft mehr durchgehen, obwohl die Duelle härter sind. Die Spieler dürfen sich nicht von den Emotionen leiten lassen. Düdelingen ist nicht mehr das kleine Vögelchen, das von der großen Katze gejagt wird. Die Gegner unterschätzen uns nicht. Aber wir sind nicht der Favorit und das kann uns in die Karten spielen“, sagt Crasson.

Andere Philosophie

Der gelernte Verteidiger hat von Ferrera eine Mannschaft übernommen, die sich in der Qualifikation durch viel Ballbesitz und einen sehr offensiven Spielstil auszeichnete. Crasson will im Moment keine großen Veränderungen vornehmen, hat aber eine andere Philosophie als sein Vorgänger. „Ich bin der Meinung, dass man nur mit einem guten Torwart und starken Verteidigern Titel holen kann. Aber die Spieler müssen dabei Spaß haben und Freiheiten genießen. Es macht keinen Sinn, sie zu sehr in ein System einzuschließen und ihnen zu viele Informationen in die Hand zu geben“, so die klare Meinung des 47-Jährigen.

Obwohl Crasson fast keine Erfahrung als Trainer auf diesem Niveau hat, nimmt er seine Mission gelassen. „Ich verspüre überhaupt keinen Druck. Aus belgischer Sicht würde ich sagen: Druck hat man, wenn man Trainer des KRC Genk ist und 2:6 gegen Red Bull Salzburg verliert.“

Bertrand Crasson rechnet heute mit einem „erfahrenen Gegner, der über einige sehr gefährliche Spieler verfügt“. Besonders der jordanische Flügelspieler Musa Al-Taamari hat es ihm getan. „Er ruft derzeit ein unglaubliches Niveau ab. Al-Taamari wird nicht lange bei diesem Klub bleiben. Neben ihm verfügt Apoel mit Mihajlovic und Bezjak über sehr schlaue Spieler. Auf uns wartet eine Reifeprüfung.“