ItalienRom beantragt Auslieferung von in Frankreich festgenommenen ehemaligen Terroristen der „Roten Brigaden“

Italien / Rom beantragt Auslieferung von in Frankreich festgenommenen ehemaligen Terroristen der „Roten Brigaden“
Am 16. März 1978 wurde der damalige italienische Ministerpräsident Aldo Moro von den Roten Brigaden entführt. Im schwarzen Wagen saß Aldo Moro, im  weißen Wagen waren Sicherheitsbeamte. Vier Leibwächter Moros wurden damals getötet, ein fünfter verletzt. Foto: AFP

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Eine Nachricht, die niemand mehr erwartet hätte: Am Mittwochmorgen verhaftete die französische Polizei sieben italienische Terroristen, die in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Mordanschläge in Italien verübt hatten. Die Ex-Mitglieder der „Brigate Rosse“ (Rote Brigaden) hatten sich unter dem damaligen Staatspräsidenten François Mitterrand in Frankreich versteckt und blieben bis vor kurzem unerkannt.

Mord verjährt nicht. So dachten auch die Ermittler der italienischen Kriminalpolizei, der hiesigen und französischen Geheimdienste und Anti-Terror-Spezialisten. In akribischer und jahrelang andauernder Recherche hatten sie die Identitäten und Aufenthaltsorte von zehn gesuchten Links-Terroristen in Frankreich ausfindig gemacht. In den frühen Morgenstunden des Mittwochs erfolgte der Zugriff. Sieben in Italien rechtskräftig verurteilte Attentäter und Mörder konnten verhaftet werden. Drei Täter wurden in ihren Wohnungen nicht angetroffen und befinden sich derzeit weiter auf der Flucht. Nach ihnen fahnden die Dienste und dürften wohl erfolgreich sein: Zwar mochte es vor 30, 40 Jahren den Linksextremen noch leicht gelungen sei, in Frankreich unterzutauchen, doch für die allesamt nun im gesetzten Rentenalter befindlichen Personen ist ein Leben auf ewiger Flucht doch sehr beschwerlich.

Zu den Festgenommenen zählt Giorgio Pietrostefani, früher Exponent von „Lotta Continua“ (Der Kampf geht weiter). Pietrostefano wurde in Abwesenheit zu 14 Jahren, zwei Monaten und elf Tagen Gefängnis für den Mord am Polizeikommissar Luigi Calabresi verurteilt.

Ferner wurden die früheren Mitglieder der Roten Brigaden (BR) Roberta Cappelli, Marina Petrella und Sergio Tornaghi festgesetzt. Ihnen wird die Teilnahme an bewaffneten Bandenüberfällen vorgeworfen, denen der Direktor des Poliklinikums Mailand, Luigi Marangoni, und des Carabinieri-Maresciallos, Francesco Di Mataldo, zum Opfer fielen. Ferner wurde auch das Mitglied des „Proletarisch bewaffneten Kerns“ (NAP), Narciso Manenti, wegen des Mordes am Carabiniere Giuseppe Gurrieri verhaftet. Ihnen allen droht bei Auslieferung an Italien eine lebenslange Haftstrafe.

Auch die beiden Ex-BR-Terroristen Giovanni Alimonti und Enzo Calvitti sind den französischen Sicherheitsbeamten in die Fänge gefallen. Beide sind zu langjährigen Haftstrafen wegen diverser Terroranschläge verurteilt worden. Alimonti zusätzlich noch wegen versuchten Mordes am römischen Digos-Chef Nicola Simone im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung des italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro.

Asyl für „reumütigen italienischen Terroristen“

Gesucht werden noch Luigi Bergamin (Bewaffnete Proletarier, wegen Mordes gesucht), der Ex-Brigadist Maurizio Di Marzio wegen versuchter Polizistenentführung sowie Raffaele Ventura, Altmitglied der Formation kommunistischer Kämpfer.

Mit gewissem Stolz hatte das Präsidialbüro im Élysée-Palast die Verhaftung der lang gesuchten Terroristen verkündet. Derzeit verhandeln die zuständigen Ministerien beider Länder über Modalitäten und Zeitpunkt der Auslieferung der Gefangenen. Frankreich beendet mit diesen Schritten endgültig die seit 1985 geltende Mitterrand-Doktrin. Der sozialistische Präsident hatte seinerzeit allen „reumütigen italienischen Terroristen“ Asyl in Frankreich angeboten, weil ihnen seiner Ansicht nach in Italien keine fairen Prozesse bevorstünden. Etwa 140 Mitglieder anarchistischer Gruppen waren auf das Angebot eingegangen, etliche von ihnen leben bis heute in Frankreich, darunter die nun zehn namentlich bekannt gewordenen.

Ähnliche Verfahren wie Mitterrand hatte auch die ostdeutsche Führung unter Erich Honecker angeboten – in der DDR konnten daraufhin etliche Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) untertauchen. Einigen von ihnen wurde nach der deutschen Wiedervereinigung der Prozess gemacht.