EU-ParlamentAuf der Suche nach dem richtigen Umgang mit China

EU-Parlament / Auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit China
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (r.) begrüßt den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Dienstag im EP Foto: Frederick Florin/AFP

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Die EU ringt um den richtigen Kurs in der Chinapolitik. Brüssel will sich an Washington anlehnen, Paris fordert mehr „strategische Autonomie“. Eine Debatte im Europaparlament bringt noch keine Klärung.

Die EU-Kommission will die Daumenschrauben gegenüber China anziehen und europäische Investitionen in die chinesische Wirtschaft künftig strenger kontrollieren. Dies sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag in einer Aussprache im Europaparlament in Straßburg. Zugleich warnte sie die Führung in Peking vor einer militärischen Intervention in Taiwan.

Die EU wolle weiter mit China zusammenarbeiten, erklärte von der Leyen. Eine „unilaterale Änderung des Status quo“ in Taiwan, „insbesondere durch Gewaltanwendung“, werde jedoch auf entschiedenen Widerstand stoßen. Die Kommissionschefin warb zudem für ihre Strategie der Risikobegrenzung („De-Risking“). Dazu gehöre auch, Auslandsinvestitionen in kritische Technologien in China zu überwachen. Wann ein entsprechender Gesetzentwurf kommt, sagte sie bei ihrer Rede in Straßburg nicht. Klar wurde jedoch, dass von der Leyen an ihrem harten Kurs festhält – und dabei auch künftig eng mit den USA zusammenarbeiten will. Bereits Anfang März hatte sie ihre Strategie bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden in Washington abgesprochen.

Dieses Vorgehen wird jedoch nicht von allen EU-Politikern gebilligt. So plädierte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nach einem Staatsbesuch in Peking für mehr „strategische Autonomie“ und eine unabhängige China-Politik. Die EU dürfe sich nicht in Konflikte hineinziehen lassen, die sie nicht angingen, sagte Macron mit Blick auf Taiwan.

Wer hat recht? Und wer setzt sich durch? Das ist die große Frage, die die EU-Politiker in Brüssel umtreibt. Ratspräsident Charles Michel, der die EU-Gipfel organisiert, stellte sich hinter Macron. Der Franzose sei mit seiner Haltung nicht allein, sagte der Belgier. Auch Josep Borrell, Europas Chefdiplomat, zeigt Verständnis. Die EU brauche eine gewisse Autonomie, sagte er in Straßburg.

„Wir müssen einen neuen kalten Krieg zwischen dem Westen und dem fernen Osten vermeiden“, forderte Borrell. Außerdem dürfe man die Debatte nicht auf die USA und China verkürzen. Wenn sich die EU aus China zurückziehen und an die USA anlehnen sollte, würden sofort andere Länder in die Bresche springen, so der Spanier. „Wenn wir ein Vakuum schaffen, wird es von anderen übernommen.“

Thema für EU-Gipfel

Tatsächlich orientieren sich bereits jetzt viele Länder stärker an China als an Europa, wie der Staatsbesuch des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva in Peking gezeigt hat. Lula forderte die EU auf, ihren Kurs in der Ukraine-Politik zu überdenken und mehr für eine Friedenslösung zu tun. Borrell nannte auch das Beispiel der ASEAN-Gruppe in Südostasien: „Wir sind da weggedrängt worden.“

Wie die EU verloren gegangenes Terrain zurückerobern und China einhegen könnte, ließ Borrell jedoch offen. Eine gewisse Ratlosigkeit prägte auch die Aussprache der Europaabgeordneten. Die Mehrheit stellte sich hinter von der Leyen und ihren harten, transatlantischen Kurs. Der Chef der größten Parlamentsfraktion, Manfred Weber (EVP), lobte ihre „klaren Kernbotschaften“. In der Taiwan-Frage gehe es um die europäischen Werte, so Weber. Mit seinen Äußerungen habe Macron „die Einheit Europas massiv beschädigt“ und Zweifel an der Bündnistreue in den USA geweckt. Der Streit müsse beim nächsten EU-Gipfel im Juni auf den Tisch kommen. Ähnlich äußerten sich die Grünen. Nur von der Leyen spreche für die EU, sagte der grüne Außenpolitiker Reinhard Bütikofer.

Es gab jedoch auch andere Stimmen. Der Chef der liberalen Renew-Fraktion, Stéphane Séjourné, stellte sich hinter Macron. Die Strategie der USA in der Taiwan-Frage sei besorgniserregend, so der Franzose. Die französische Linken-Politikerin Manon Aubry warf der EU vor, die Abhängigkeit von China durch ihre Handelspolitik erst geschaffen zu haben. Europa dürfe sich nicht an die USA anpassen, sonst werde es international nicht mehr ernst genommen.