Luxemburgs Verfassung: Nordkoreanische Mehrheit für Reformtext

Luxemburgs Verfassung: Nordkoreanische Mehrheit für Reformtext

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Drei Tage vor Nationalfeiertag, für ältere Semester noch „Groussherzogsgebuertsdag“, stellten vier Berichterstatter ihren Entwurf für eine neue Verfassung vor. Sie vertreten 55 der luxemburgischen Abgeordneten. Der Vorschlag festigt den enormen Machtverlust des Staatsoberhaupts. Die Wähler selbst werden womöglich erst 2020 per Referendum über den Text abstimmen können.

Ein Ausländer, der ohne Kenntnisse des Landes Luxemburgs Verfassung lesen würde, würde auf eine absolutistische Monarchie schließen. Diese Aussage des Noch-CSV-Abgeordneten Paul-Henri Meyers bündelt alle Argumente, die für eine Neufassung des Luxemburger Grundgesetzes sprechen. Denn der aktuelle Verfassungstext beruht noch hauptsächlich auf einem Text von 1868, der die Minister als Untergebene des Großherzogs betrachtet. Die Weigerung des Großherzogs 2008, das Gesetz über Sterbehilfe zu unterzeichnen, hob auf besonders dramatische Art hervor, dass die aktuelle Verfassung nicht mehr den heutigen politischen Gepflogenheiten entspricht.

Dass das Land ein neues Grundgesetz braucht, darüber herrscht im Parlament Einvernehmen, auch wenn sich die CSV in den letzten Monaten einer Abstimmung des fertigen Reformvorschlags verweigerte. Das soll nun das Parlament nach den Oktoberwahlen in erster Lesung tun. Eine Volksbefragung soll laut aktuellem Fahrplan die notwendige zweite Abstimmung ersetzen. Stimmen die Wähler dafür, tritt die Verfassung sechs Monate nach Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Wenn nicht, bleibt es beim aktuellen Uralt-Text. Erfordert ist die sechsmonatige Übergangszeit, um 28 Gesetze abzuändern oder neu zu formulieren, hieß es am Mittwoch.

Doch auch bei einem Nein beim Referendum müsste die Verfassung angepasst werden, sagt Meyers. Das würde dann über den klassischen Weg der Verfassungsrevision durch das Parlament erfolgen.

Keine Revolution

Die definitive Entscheidung über die weitere Vorgehensweise trifft jedoch die neue Kammer. Sie kann die Diskussion neu aufrollen, den Reformvorschlag abändern oder auf das Referendum verzichten. Doch Léon Gloden (CSV) befleißigte sich am Mittwoch zu erklären, seine Partei werde das Referendum in ihrem Wahlprogramm fordern. Die Eintracht unter Parlamentariern demonstrierten Koalitionsparteien und CSV mit einem gemeinsamen Auftritt zur Vorstellung des abschließenden Textvorschlags. Dieser war Ende Mai im Parlamentsausschuss Verfassungsrevision und Institutionen mit großer Mehrheit verabschiedet worden. „déi Lénk“ hatte sich bei der Abstimmung im Ausschuss enthalten, die ADR ist nicht vertreten.

Vier Ko-Berichterstatter – Sam Tanson („déi gréng“), Alex Bodry (LSAP), Simone Beissel (DP) und Léon Gloden (CSV) – stellten jeweils die Kapitel vor, denen sie sich eingehender gewidmet hatten. Flankiert wurde das Quartett von Parlamentspräsident Mars di Bartolomeo (LSAP) und von Paul-Henri Meyers, der 2009 einen ersten Reformentwurf vorgelegt hatte. Mit dem Vorschlag geht eine 14-jährige Arbeit zu Ende. Eine Revolution sei das Ergebnis nicht, sagte Di Bartolomeo. Vielmehr seien bewährte Elemente stark weiterentwickelt worden. Die wichtigsten Änderungen betreffen die Rolle der politischen Institutionen des Staates: Großherzog, Regierung, Parlament, Staatsrat und Justiz.

Ein Referendum wird frühestens 2020 stattfinden. Eine Wiederholung von 2015, als die Volksbefragung zu einer Abrechnung mit der Regierung wurde, befürchteten die Parteisprecher am Mittwoch nicht. Schließlich seien die vier Parteien für den Reformtext, sagten alle unisono.


Die wichtigsten Neuerungen

Das Staatsoberhaupt: Seine repräsentative Rolle wird nicht mehr zu Beginn der Verfassung, sondern erst ab Art. 46 präzisiert. Erstmals wird die Thronfolge verfassungsmäßig statt per jahrhundertealtem Familienpakt geregelt. Erfüllt der Staatschef seine Aufgaben nicht, kann er seines Amtes enthoben werden.

Das Parlament: Die Wähler bekommen ein neues Initiativrecht. Die Abgeordneten müssen sich in öffentlicher Sitzung mit dem Anliegen der Wähler befassen, wenn es von 12.500 Personen unterzeichnet wurde und von 125 Personen vorgetragen wird. Ein Untersuchungsausschuss muss auf Antrag von mindestens einem Drittel der Parlamentarier einberufen werden.

Die Regierung: Die neue Regierung bedarf eines Vertrauensvotums im Parlament. Spricht eine Mehrheit der Abgeordneten der Regierung ihr Misstrauen aus, muss sie zurücktreten, bleibt aber bis zur Neuwahl voll funktionsfähig.

Die Grundrechte: Jeder Bürger hat ein Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ und auf Schutz seiner persönlichen Daten. Als (nicht einklagbare) Staatsziele genannt werden unter anderem das Recht auf Arbeit und soziale Sicherheit, auf würdiges Wohnen. Der Sozialdialog wird gefördert. Tiere werden als nicht humane Lebewesen bezeichnet, um deren Wohlergehen man sich bemühen wird.

Die Sprache: Laut Art. 4 ist Luxemburgisch die Sprache Luxemburgs. Der Gebrauch des Luxemburgischen, Französischen und Deutschen wird gesetzlich geregelt.

Die Justiz: Der nationale Justizrat achtet auf die Unabhängigkeit der Justiz. (Ein Gesetzesvorschlag zur Schaffung eines Justizrats wird derzeit im Parlament erörtert.)

super biker
29. Juni 2018 - 15.44

Als ( nicht einklagbare ) Staatsziele genannt werden unter anderem das recht auf Arbeit und soziale Sicherheit, auf würdiges Wohnen. Der Sozialdialog wird gefördert. Aber vermutlich nur dann wenn die Reichen damit einverstanden sind. Sowieso scheint mir die "freie" Marktwirtschaft im Verfassungsentwurf gegen über dem Sozialstaat "über gewichtet" zu sein

Mick
22. Juni 2018 - 8.14

Sinn emmer skeptesch wann den Här Bodry hannert eppes steeht!

Koneczny
21. Juni 2018 - 21.26

Wat huet NordKorea domad ze dinn ?? oder sëtzen ech op der Léitung?

jang_eli
21. Juni 2018 - 17.40

No engem "gefilltem" halwen Jorhonnert, ass ee sech dann elo eeneg sech net eeneg ze sinn, awer eeneg een Text ze ennerschreiwen, awer kee "vote" ze huelen, an elo op eemol ze entdecken datt och nach Gesetzer an Reglementer missen geännert ginn. Oops daat huet CSV just gescht moien gemierkt. Daat ganzt Gedeesems as onwürdeg, pure Lobbyismus an elektoralt Gespills. Schummes wärt.