„Game of Thrones“ – Chamber EditionLuxemburger Firma Neon Internet entwickelt KI-Plattform zur Generierung fiktiver Bilder

„Game of Thrones“ – Chamber Edition / Luxemburger Firma Neon Internet entwickelt KI-Plattform zur Generierung fiktiver Bilder
Xavier Bettel auf dem Eisernen Thron: Schafft er es nach den Wahlen am 8. Oktober wieder an Luxemburgs Spitze?   Foto: Neon Internet/LetzAI

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„Manchmal gibt es keine glückliche Wahl, nur eine, die weniger schmerzlich ist“, sagte Jon Snow aus „Game of Thrones“. Ob das auch auf die kommenden Chamber-Wahlen zutrifft, muss letztlich wohl jeder für sich selbst entscheiden. Der Vergleich zwischen der Kultserie und Luxemburgs Politikern rührt her von einer neuen, Bilder generierenden KI-Plattform aus dem Großherzogtum. Das Tageblatt hat sich mit dem Gründer dieser Plattform unterhalten.

Mehr als vier Jahre sind inzwischen seit der Erstausstrahlung der letzten Folge der Erfolgsserie „Game of Thrones“ vergangen. In Vergessenheit geraten ist sie jedoch keinesfalls, und das nicht nur wegen ihres Spin-offs „House of the Dragon“. Sie ist weiterhin präsent in der Online-Meme-Kultur und Teil der Internet-Welt. Die Betreiber des Facebook-Accounts von „letz.ai“ haben sich vor dem Hintergrund der anstehenden Chamber-Wahlen am 8. Oktober ein Späßchen erlaubt (und werben dabei gleichzeitig mit ihrem neuen Produkt). Politiker buhlen mit Blick auf die Wahlen bereits seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten um die Gunst der Wähler. Ein Spiel um die Macht in Luxemburg: Der Vergleich zwischen dem Ringen um Stimmen während des Wahlkampfes und dem Kampf um den Eisernen Thron bietet sich demnach an.

LetzAI teilte am 13. September eine Bilderstrecke, in der einige der Spitzenkandidaten als „Game of Thrones“-Charakter porträtiert werden. Der amtierende Premierminister Xavier Bettel (DP) sitzt nachdenklich auf dem Eisernen Thron, Luc Frieden (CSV) ist bei Kerzenlicht in seine Arbeit vertieft und Paulette Lenert (LSAP) wandert als Khaleesi mit einem Drachenei durch die Wüste. Sven Clement (Piraten) – wie könnte es anders sein – lehnt an die Reling eines Schiffes, Sam Tanson („déi gréng“) trägt ein edles Gewand und ein Diadem, David Wagner („déi Lénk“) steht in einer verschneiten Berglandschaft und Fred Keup (ADR) wird als die beliebte Figur „der Gnom“ (Tyrion Lannister) dargestellt.

Hinter den Bildern steckt die Luxemburger Firma Neon Internet: Ihr unabhängiges Tool, LetzAI, ermöglicht es Nutzern, eigene KI-Modelle zu erzeugen. Persönliche Bilder, Bilder von Freunden oder Personen des öffentlichen Lebens können damit in beliebige reale oder surreale Szenarien versetzt werden, heißt es auf der LetzAI-Webseite.

Ein ergiebiger Spaziergang

LetzAI ist allerdings ein noch sehr junges Produkt: Neon Internet arbeitet erst seit Juli 2023 an der KI-Plattform. Nach ersten sehr erfolgreichen internen Tests habe das Entwicklerteam sich dann dazu entschlossen, seine Arbeit an dem Projekt fortzusetzen – mit dem Ziel, es für die Rentrée 2023 auf den Markt zu bringen, sagt Misch Strotz, Mitgründer und Geschäftsführer von Neon Internet, dem Tageblatt. Das Kerngeschäft von Neon Internet sei das Verstehen digitaler Trends und die Umsetzung von Projekten in diesem Bereich. Es sei in gewissermaßen eine Techfirma, die ihren Schwerpunkt auf Marketing legt.

Seitdem das Neon-Internet-Team im April 2022 die Ergebnisse der Bilder generierenden Künstlichen Intelligenz DALL-E 2 der amerikanischen Firma OpenAI gesehen habe, habe die Faszination für die „Synthography“ (ein vorgeschlagener Begriff für die Erzeugung von Bildern, die Fotos ähneln, mithilfe von KI) sie jedoch nicht mehr losgelassen.

Die Medienlandschaft sowie die Art und Weise, wie wir Online-Inhalte konsumieren, habe sich 2022 wegen Pionierfirmen wie Open AI, Midjourney und Stability für immer verändert. Nun wolle auch Luxemburg im Bereich Künstliche Intelligenz mitmischen und sich an dessen Entwicklung und Optimierung beteiligen, geht aus einem rezenten Presseschreiben von Neon Internet hervor. Der ausschlaggebende Impuls für die Arbeit an einer eigenen KI sei Strotz bei einem Spaziergang im Müllerthal gekommen. „Gute Ideen kommen mir immer beim Spazierengehen“, witzelt er.

Er habe sich damals gefragt, ob es nicht an der Zeit wäre, selbst etwas Geld und Ressourcen einzusetzen, das Wissen seiner Mitarbeiter zu bündeln und eine Machbarkeitsstudie („proof of concept“) durchzuführen. Bereits nach drei Tagen konnte sein Team erste überzeugende Ergebnisse vorzeigen. „Der Rest war danach schnell entschieden“, so Strotz. Wie viel Geld inzwischen bereits in das LetzAI-Projekt geflossen ist, wollte der Firmenchef dem Tageblatt aber nicht preisgeben.

Die „Gëlle Fra“ ist in ihre Lektüre vertieft
Die „Gëlle Fra“ ist in ihre Lektüre vertieft  Foto: Neon Internet/LetzAI

Entscheidende Testphase

Am 11. September haben die Entwickler ihre KI-Plattform für ein breiteres Nutzerfeld geöffnet. Dieser derzeit noch Early-Access-Zugang kostet 99 Euro. Ob es eine Gratis-Version geben wird, stehe zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, meint Strotz. Derzeit werden verschiedene Modelle durchgerechnet. Für welches die Firma sich letztlich entscheidet, hänge vom ersten Feedback der Nutzer ab. Fest stehe jedoch, dass die Nutzer, die einen Early-Access-Zugang erworben haben, später finanzielle Vorteile bei der Nutzung des Tools erhalten werden. „Der Early Access ist für uns eine Art Kickstarter, der uns hilft, die ersten Server-Kosten zu decken“, sagt Strotz.

Da sich die Plattform noch im Entwicklungsstadium befindet, sei es allerdings möglich, dass verschiedene Funktionen noch nicht optimal laufen, die Seite lange Ladezeiten aufweist oder AI-Modelle nicht immer wie beabsichtigt funktionieren. Ein genaues Datum für den Abschluss der Early-Access-Phase stehe noch nicht fest. Intern seien allerdings sehr konkrete Phasen definiert worden. Details dazu verrät der CEO allerdings keine.

Man muss klein anfangen, wenn man es mit den Goliaths von Übersee aufnehmen will

Misch Strotz, Mitgründer und Geschäftsführer von Neon Internet

Ein zehnköpfiges Team arbeite professionell an der Entwicklung von Luxemburgs hauseigener KI – allerdings nicht alle Vollzeit und dieselben Leute würden auch gleichzeitig an anderen Projekten arbeiten. Es ließe sich jedoch nicht immer genau sagen, wer gerade woran arbeitet, da das Team aus Menschen bestehe, die in verschiedenen Ländern leben. Neon Internet besitze kein festes Büro und würde komplett dezentral und „remote“ arbeiten. Die Firma verfüge zudem über ein Netz aus mehr als 40 Freelance-Mitarbeitern, das es ihr ermögliche, „so ziemlich alle digitale Projekte umzusetzen“, meint Strotz gegenüber dem Tageblatt. Die gebürtige Luxemburger Leaddesignerin Julie Wieland ist auch kein unbeschriebenes Blatt: So wurde ihre AI-Kunst beispielsweise von der Washington Post aufgegriffen.

Luxemburgs hauseigene KI

Doch was unterscheidet LetzAI von diesen ausländischen Produkten?

„Wir sind aktuell die einzige Plattform und KI dieser Art in Luxemburg, wenn ich mich nicht irre, auch in der Großregion. Unser System kann heute schon Bilder generieren, die bei anderen Plattformen wie zum Beispiel Midjourney undenkbar wären“, erklärt Strotz. Diese ausländischen Pioniersysteme seien nicht in der Lage, „richtig persönliche Bilder“ zu erstellen, sie würden kein akkurates digitales Abbild von uns selbst zeichnen, geht aus dem Presseschreiben hervor. Das versuche die Luxemburger Plattform nun zu ändern.

Ziel von LetzAI sei es allerdings nicht, mit Midjourney zu konkurrieren. „Wir bewegen uns aktuell in einer anderen, lokaleren Nische und haben auch eine ganz andere Vision“, so der CEO. Wo genau die Reise hingehen soll, will Strotz noch nicht verraten. Einen kleinen Hinweis gibt er aber trotzdem: So soll es nicht nur bei der Bildgenerierung bleiben und die Ambitionen seines Teams würden sich auch nicht nur auf Luxemburg beschränken. Doch: „Man muss klein anfangen, wenn man es mit den Goliaths von Übersee aufnehmen will“, so Strotz.

Gefahren der KI

Neue Technologie bringt leider nicht nur Vorteile mit sich, sondern birgt auch so einige Gefahren. Deshalb wollte das Tageblatt von Strotz wissen, was seine Firma dagegen unternimmt, damit seine Plattform nicht für falsche Propagandazwecke oder zur Diffamierung genutzt wird. Man stelle sich beispielsweise ein KI-generiertes Bild vor, auf dem Xavier Bettel (DP) mit erhobenem Haupt in ein brennendes Haus stürmt, um hilflose Welpen zu retten – oder wo der Premierminister beim Stehlen an der Tankstelle erwischt wird.

„Um Fake Bilder zu generieren, brauche ich keine KI, das kann ich auch mit Photoshop oder mit einer Schere, ein bisschen Kleber und einem Blatt Papier“, entgegnet Strotz. Dennoch nehme seine Firma das Thema sehr ernst. Sämtliche von LetzAI erstellten Bilder werden mit einem Wasserzeichen versehen und ein spezieller Algorithmus markiere beispielsweise Bilder, die Inhalte für Erwachsene enthalten können. Er verweist zudem auf die „strengen Benutzerregeln“ beim Erstellen von Inhalten, worunter auch „Fakes“ und „falsche Verkörperungen“ fallen.

Bisher habe es auch seit der Inbetriebnahme der Plattform keine Probleme dieser Art gegeben. In der Theorie seien diese Befürchtungen oft groß, würden sich dann in der Praxis aber letztlich nicht bewahrheiten, meint Strotz. Die Angst vor dem Missbrauch der KI werde sicherlich nicht die einzige spannende Frage sein, mit der Neon Internet in Zukunft konfrontiert sein wird, glaubt Strotz. Doch sein Team wolle sich der Herausforderung stellen und den Diskurs aktiv mitgestalten.

Weitere Projekte

Die KI-Plattform LetzAI ist nicht das einzige Projekt von Neon Internet. Die Firma betreibt eine Marketing-Plattform mit dem Namen Neontools, auf der sie unter anderem ein auf KI basierendes Tool (Post Automator) anbietet, das automatisch nach dem Hochladen eines Bildes einen dazu passenden Social-Media-Beitrag generiert.
Gemeinsam mit anderen Partneragenturen habe das Unternehmen laut eigenen Angaben das erste KI-generierte Musikvideo für das niederländische Label Spinnin’ Records produziert. Zudem habe es die erste SMS der Welt für Vodafone als NFT versteigert. Ein NFT, also ein „Non-Fungible Token“, ist ein kryptografisches Token, das im Vergleich zum „Fungible Token“, wie zum Beispiel Bitcoin, nicht austauschbar ist – es ist also ein Unikat und kann nicht repliziert werden, quasi wie eine Besitzurkunde für ein digitales Objekt.


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