Ein Konzert, zwei Blickwinkel: Noel Gallagher in der Rockhal

Ein Konzert, zwei Blickwinkel: Noel Gallagher in der Rockhal

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Chasing Yesterday – Mit Gallaghers Tardis zurück in die 90er

von Jeff Schinker

Was macht ein Gallagher, wenn er nicht mit seinem Bruder streitet? Bei Oasis war das Familiendrama immer schon Bestandteil der Show, so dass man auch nie genau wusste, wie der Auftritt der beiden Streithähne ausfallen würde – wenn er dann überhaupt stattfinden sollte. Seit dem endgültigen Aus von Oasis beschäftigen sich beide Brüder mit Solo-Projekten, allgemein gilt, dass die Talentverteilung – Liam soll der bessere Sänger, Noel der bessere Songwriter gewesen sein – heutzutage nuancierter ist: Noels Solokompositionen sind gar nicht so toll, seine Stimme aber auch nicht so übel.

Für seinen (vom Atelier organisierten) Auftritt mit den High Flying Birds in der Rockhal bot der Sänger eine wohl strukturierte, chronologisch nachvollziehbare und nostalgische Zeitreise in die verschiedenen Etappen des eigenen Lebens, die mit dem neuen Soloalbum begann, über einige Umwege mit „Wonderwall“ kulminierte und mit den Beatles aufhörte.

Mit fast einem Dutzend Mitmusikern werden zu Beginn die oftmals etwas gemächlichen Kompositionen der vielgelobten Soloalben von Noel mit Blasinstrumenten, Keyboards und mächtig verzerrten Gitarren angereichert – Gitarrist Gem Archer wirkt mit seiner Sonnenbrille wie ein Zeitreisender, den man aus den 90ern direkt auf die Bühne mit Doctor Whos Tardis geholt hätte.

Mit „Holy Mountain“ steht das etwas nervige „Ça plane pour moi“-Plagiat ganz zu Beginn der Setlist (neben Lana Del Reys unfreiwilliger „Creep“-Hommage handelt es sich dabei um eines der dreisteren Selbsteingeständnisse in Punkto Ideenlosigkeit zeitgenössischer Popmusik), danach folgen vor allem Tracks vom neuen Album „Who Built the Moon?“ und „Chasing Yesterday“, die Gallagher allesamt mit einem erwartungsgemäß blasierten Stoizismus herunterrattert – als wären die Songs eigentlich zu gut für das Publikum, dem Gallagher mit der fast schon legendären Gallagher-Schnauze nach einer knappen halben Stunde dann auch zuruft, man wäre doch stinkreich hier, da solle man das Geld doch mal vielleicht in T-Shirts und sonstigen Gallagher-Merch investieren. Irgendwie wirken aber auch Gallaghers Provokationen etwas zu geschliffen – sie sind Teil des Geschäfts, haben Marktwert bekommen. Genauso lustlos oder aufgesetzt wirkt das Konzert teilweise auch: Jeder erfüllt seinen Job ganz ordentlich, wirkt aber teilweise abwesend, als erinnere sich dieser Musiker gerade daran, dass er vergessen hat, zuhause die Wäsche aus dem Trockner zu holen, während jener schon an die Afterparty denkt.

Wonderwall

Nach „If I Had A Gun“ und „Dream On“ vom ersten Solo-Album – die beide sehr stark nach Oasis klingen – wird dann mit „Little By Little“ und „The Importance of Being Idle“ die Setlist noch konkreter in das goldene Zeitalter des Britpop geleitet. Als einige Lieder später „Wonderwall“ erklingt, kommt die Frage auf, wie sehr es noch bei einem solchen Song, den man schon in Hunderten von austauschbaren Coverversionen gehört, einen Unterschied macht, dass jetzt der Songschreiber selbst ihn spielt – und so eigentlich versucht, ihn sich wieder anzueignen. Aber „Wonderwall“ (davon abgesehen, dass es kein sehr guter Song ist) ist durch seine endlose Wiederverwertung im Radio und von Hobbymusikern und durch den Eintritt ins unsterbliche Popkanon so entartet geworden, dass man komischerweise auch am Freitagabend nicht wirklich den Eindruck hatte, das Original zu hören. Vielleicht, weil trotzdem nicht Oasis auf der Bühne stehen. Vielleicht aber auch, weil es im Meer von Coverversionen kein „Wonderwall“-Original mehr gibt.

Am Ende steht dann mit dem Beatles-Cover „All You Need is Love“ das definitive Eingeständnis – Oasis hat man immer schon vorgeworfen, sie hätten sich reichlich am Beatles-Kanon bedient. So endet Noëls etwas lieblose Führung durch das eigene Referenzmuseum mit dem Beginn, der Urinspiration.


Ein Abend mit der Rocklegende Noel Gallagher – Ein emotionaler Fan-Bericht

von Luc Belling

„Noel Gallagher kommt nach Esch in die Rockhal.“ Endlich, dachte ich mir. Es wurde höchste Zeit. Nicht, weil ich die Songs seiner neuen CD mag, oder die der vorigen. Nein. Er ist einer der kreativen Köpfe hinter Oasis. Der f¨¨¨g größten Band, die es gibt – oder gab, bei denen beiden Streithähnen weiß man das nie. Dem Leser dieser Zeilen muss jetzt bereits bewusst werden, dass es sich beim folgenden Artikel nicht um eine objektive, den Richtlinien einer seriösen Konzertkritik folgenden, Zusammenfassung des Noel Gallagher-Konzerts handeln wird. Dem sei die nüchternere, neutrale und biedere Rezension des Kollegen Jeff Schinker zu empfehlen.

Hier handelt es sich vielmehr um einen Emotionsrapport. Geht es im Grunde bei Konzerten nicht genau um das? Um Emotionen? Ums Fan-Sein? In diesem meinem Fall um Jugenderinnerungen, die die meisten Konzertgäste sicherlich am Freitag mit mir teilten. Das Publikum war auch erfrischend „alt“. Alt im Sinne von: es waren keine kreischenden Teenies, die einem Pop-Klon, wie sie zu Hunderten in Mainstream-Manufakturen aufs Maß produziert werden, zuschreien. Nein, es waren Menschen, auch wenn es erschreckend wenige waren – das hauptstädtische Atelier hätte fast schon gereicht – die einen ihrer großen Musikidole huldigen wollten. Auch wenn die beste Zeit von Noel, und seinem Bruder Liam, längst vorbei ist. Aber wer so nah an musikalischer Perfektion dran war, wie die beiden mit „(What’s the story) Morning Glory“, denen muss man einfach eine Chance geben. Wie geschrieben: es handelt sich bei Noel um eine lebende Legende!

Ganz schlicht in ein schwarzes T-Shirt gekleidet betrat Gallagher die Bühne und ohne jegliche Regung in seinen Gesichtszügen oder einer Form von Gruß begann er mit seinen ersten Songs. Alles liebliche Lieder mit wohlklingenden Rhythmen. Sehr nett und brav und eigentlich ganz ok. Sätze, die ich nie gedacht hätte zu schreiben. Nicht über ein Konzert von Noel Gallagher. Nicht bei dem Mann, der für die Champagne Supernova-Ode mitverantwortlich ist.

Seine Songs plätscherten vor sich hin und Gallagher unterstrich dabei seinen Ruf als wortkarger, muffiger Lustlos-Proll/Rock-Superstar, der in einer beängstigenden, stoischen Emotionslosigkeit seine Stücke runterträllerte – ein Gefühl von Playback schlich sich bei mir ein, da alles so rund, so harmonisch, so langweilig klang. Das lag vor allem an Gallaghers Entourage mit gefühlt 20 Bandmitgliedern; Backgroundsänger, Gitarristen, Keyboarder, Bläser, die ganze Kapelle kam mit nach Luxemburg.

Nach knapp 30 Minuten hatte Gallagher sein Pflicht- und Promoprogramm runtergespielt und er erbarmte sich dann doch das Publikum zu begrüßen, um dann in seinem genuschelten cockney-ähnlichen Slang Luxemburger als reiche Snobs zu verhöhnen. Vielleicht war Gallagher enttäuscht über das überschaubare Interesse an seiner Person. Vielleicht war er überrascht über das amorphe Publikum, das meist über ein rhythmisches Nicken nicht hinauskam. Vielleicht ist es auch einfach nur seine schroffe Art.

Aber der Hauptschuldige war zweifelsohne nicht das Publikum, sondern Gallagher mit seinem Lustlosauftritt. Der zweite Teil des Konzerts wurde leicht besser, er taute für seine Verhältnisse ein wenig auf und gab dem Publikum schließlich das, auf das die meisten sehnlichst warteten. Hin und wieder streute er einen alten Oasis-Song ein – und schon kochte die Rockhal. Mir persönlich ging es nicht anders und trotzdem erwischte ich mich bei einer hin und hergerissenen, emotionalen Zwittrigkeit; neben dem Feel Good-Ambiente wurde mir nämlich bewusst, dass sich alles nicht ganz real anfühlte. Auch wenn Gallagher selbst sang: Es war eben nicht Oasis, es war nicht der Gallagher in Höchstform, der neben seinem Bruder spielte. Es gab eine Barriere und es überkam mich das Gefühl auf einer Party (auf Luxemburgisch : e Bal) zu sein, auf der eine Coverband à la Providers performt. Alles grundsolide und trotzdem meilenweit vom Original entfernt.

Und so ging das Konzert auch recht rapide seinem Endpunkt entgegen, wo meine Hypothese schlussendlich vollends bestätigt wurde, als Gallagher das Konzert mit dem Beatles-Song „All we need is love“ beendete. Ein routinierter Kulturjournalist verweist bei der Songauswahl Gallaghers sicherlich auf den anachronistischen Werdegang des Konzerts; beginnend mit Gallaghers neuen Solosongs, hin zu Oasis-Klassikern, um schlussendlich bei seinen ultimativen Idolen, den Beatles, zu landen. Ich bleibe dagegen bei meiner Coverband-Theorie!

Ein Fazit zu ziehen ist demnach schwierig: viel Wehmut und Nostalgie lag in der Luft, bei einem Konzert von einem der Größten seiner Zeit. Vielleicht war das ja auch das Entscheidende des Abends. Gar nicht das Niveau des Konzerts, sondern vielmehr Gallagher erlebt zu haben. Und genau aus diesem Grund werde ich auch das Konzert von Liam im Herbst dieses Jahres auch nicht verpassen.