SportpolitikDas Rodtschenkow-Gesetz und die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Basis für den Kampf gegen Doping 

Sportpolitik / Das Rodtschenkow-Gesetz und die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Basis für den Kampf gegen Doping 
Die USA wollen weltweit strafrechtlich gegen Doping vorgehen Illustration: Editpress-Archiv

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Mit dem neuen Rodtschenkow-Gesetz wollen die USA weltweit strafrechtlich gegen Doping vorgehen. Der ehemalige COSL-Präsident Marc Theisen kritisiert die Umsetzung des Gesetzes, hält eine strafrechtliche Grundlage für Dopingvergehen für notwendig. So sieht es auch die ehemalige Triathletin und Juristin Liz May, die sich ein Gesetz gegen Sportbetrug auch in Luxemburg wünschen würde.

Marc Theisen bezeichnet den „Rodchenkov Act“ als „hoch explosiv“. Wohl kein anderer Luxemburger ist im internationalen Sport so zu Hause wie der Anwalt und ehemalige Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Die Sprengkraft liegt vor allem in dem politischen Geplänkel, dem Säbelrasseln zwischen den USA und der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Die amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada um ihren Chef Travis Tygart gehört seit Jahren zu den größten Kritikern der WADA. Mit dem Rodtschenkow-Gesetz wollen sich die USA nun die Möglichkeit geben, konsequenter gegen Doping vorzugehen. Vor allem dann, wenn ihre Sportler oder US-Sponsoren die Leidtragenden sind. Damit verschaffen sich die USA die Mittel, die man seit Jahren von der WADA fordert.

Der Rodchenkov Act

Das Gesetz wurde nach Grigori Rodtschenkow benannt. Der Russe war jahrelang Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors und maßgeblich am russischen Staatsdoping beteiligt. 2015, kurz nachdem das Staatsdoping aufflog, flüchtete Rodtschenkow in die USA und wurde zum Whistleblower. Da er ausführlich über die russischen Dopingpraktiken berichtete und nicht der Erste wäre, der anschließend unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, lebt er seit seiner Aussage im Zeugenschutzprogramm des FBI. Der russische Wissenschaftler ist auch der Protagonist der preisgekrönten Netflix-Doku „Icarus“. Trotz seiner Aussagen sehen viele in Rodtschenkow immer noch eine zwielichtige Person. Dass die USA das Gesetz ausgerechnet nach ihm benannt haben, gehört für Marc Theisen ebenfalls zum politischen Geplänkel.

Der Rodchenkov Act erlaubt es US-Behörden wie zum Beispiel dem FBI, weltweit bei internationalen Sportwettkämpfen, bei denen es zu Dopingvergehen kommt, zu ermitteln. Damit das Gesetz greift, müssen entweder amerikanische Sportler bei den Wettkämpfen antreten, Firmen, die in den USA Geschäfte machen, als Sponsor involviert sein oder aber Fernsehrechte an US-Sender verkauft worden sein. Damit sind quasi sämtliche internationalen Wettkämpfe vom „Grigori-Rodtschenkow-Gesetz“ betroffen. Das Gesetz, das angelehnt ist an das Anti-Mafia-Gesetz, zielt allerdings nicht auf dopende Sportler ab, sondern auf die Hintermänner. Die Strafen gehen bis zu einer Million Dollar und zehn Jahren Haft. Es sind aber nur Wettkämpfe visiert, die dem Welt-Anti-Doping-Code unterliegen. Die großen US-Ligen wie die NBA, NFL, MLB sowie sämtliche College-Meisterschaften fallen nicht unter das Gesetz.

Die USA als Polizei des Weltsports

Theisen erkennt den Willen der USA, Polizei im internationalen Sport zu spielen. Dass sie dazu in der Lage sind und durchaus konsequent vorgehen können, haben sie 2015 im Rahmen ihrer FIFA-Ermittlungen gezeigt. Die Bilder, als ranghohe Fußball-Funktionäre im Zürcher Luxus-Hotel „Baur au Lac“ festgenommen wurden, gingen um die Welt. Nun wollen die USA auch Dopingvergehen weltweit strafrechtlich verfolgen. Theisen hat so seine juristischen Bedenken, was das Gesetz betrifft. „Ich habe mich vor allem über den kurzen Gesetzestext gewundert. Er besteht lediglich aus sieben Sektionen. Ein Gesetz dieser Tragweite sollte schon ausführlicher definiert sein“, so der Anwalt, der deshalb Probleme bei der Umsetzung sieht.

Theisen kann auch die Sorgen der WADA und des Internationalen Olympischen Komitees nachvollziehen, beide Organisationen gelten als große Kritiker des „Rodtchenkov Act“. Sie fürchten unter anderem, dass die Angleichung der internationalen Anti-Doping-Regeln und Standards verloren gehen, was eine der großen Errungenschaften der WADA ist. „Nun stellen Sie sich vor, andere Länder folgen dem Beispiel der USA und erlassen ebenfalls ein Gesetz, das ihnen erlaubt, international gegen Doping vorzugehen. Solche Alleingänge können dem globalen Anti-Doping-Kampf erheblich schaden“, warnt Theisen.

Ich halte eine gesetzliche Grundlage im Kampf gegen Doping für absolut notwendig

Marc Theisen, Anwalt und Sportfunktionär

Marc Theisen
Marc Theisen Archivbild: Editpress/Didier Sylvestre

Trotzdem kann er dem Vorstoß der Amerikaner durchaus Positives abgewinnen. „Ich halte eine gesetzliche Grundlage im Kampf gegen Doping für absolut notwendig. Der privat organisierte Sport tut sich schwer in der Dopingbekämpfung, gerade dann, wenn es um die Hintermänner geht.“ Der WADA würden die nötigen Befugnisse fehlen, wenn es um organisiertes Doping mit großen Strukturen oder gar um Staatsdoping, wie im Fall Russland, ginge. Da könnte eine strafrechtliche Grundlage Abhilfe schaffen. „Nun geht es darum, die USA nicht einfach zu verteufeln, sondern ihren Vorstoß zu nutzen. Hier sind das IOC und die WADA gefordert.“ Man müsse auf internationaler Ebene versuchen, eine möglichst einheitliche strafrechtliche Grundlage im Kampf gegen Doping zu schaffen. Für Theisen wäre ein möglicher Weg die Unesco-Konvention „Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport“, die von 189 Ländern, darunter auch Luxemburg, ratifiziert wurde.

Es ist Betrug und gehört bestraft

Liz May, Juristin und ehemalige Olympionikin

Die ehemalige luxemburgische Triathletin Liz May, die heute als Juristin-Linguistin am Europäischen Gerichtshof arbeitet, findet den Ansatz, Doping strafrechtlich zu verfolgen, ebenfalls richtig. „Es ist Betrug und gehört bestraft“, so May, die sich vor allem mit den Rechten der Athleten im Kampf gegen Doping beschäftigt und sich für ihre Master-Arbeit mit dieser Problematik beschäftigte. „Wenn es strafrechtlich belangt werden kann, bedeutet das auch, dass Doping klar nachgewiesen werden muss. Das ist im Sportrecht nicht immer der Fall.“

Ein Gesetz für Luxemburg

Liz May
Liz May Archivbild: Jerry Gerard

May weist auf die zahlreichen Fälle von Sportlern hin, denen zwar eine verbotene Substanz im Körper nachgewiesen werden konnte, wo aber nicht eindeutig geklärt wurde, wie die Substanz in den Körper gelangte und ob eine betrügerische Absicht bestand. Hier ist es die Pflicht des Sportlers, zu zeigen, dass die Substanz ohne Absicht, zum Beispiel über verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel, in seinen Körper gelangt ist. Die Unschuldsvermutung gibt es im Sportrecht nicht und da sieht May einen großen Vorteil einer gesetzlichen Grundlage. „Das wäre ein großer Schritt nach vorne und würde die Rechte der sauberen Athleten stärken“, sagt May.

Momentan haben nur wenige Länder ein Anti-Doping-Gesetz. Dass diese Gesetze teilweise unterschiedlich sind, ist für May nicht das große Problem. „Drogenbesitz und sogar Mord werden auch je nach Land unterschiedlich bestraft. Wichtig ist, dass der Tatbestand in allen Ländern der gleiche ist.“ Dieser wird im Falle von Dopingvergehen durch den Welt-Anti-Doping-Code definiert. Die ehemalige Olympionikin würde ein Anti-Doping-Gesetz auch für Luxemburg sinnvoll finden. „Dass wir nur ein kleines Land sind und vielleicht nicht so viele Sportler haben, ist kein Argument. Hier passieren auch nicht so viele Morde wie in anderen Ländern, trotzdem gibt es ein Gesetz, das Mörder bestraft.“

Lesen Sie hier unseren Tageblatt-Leitartikel zu dem Thema.

de Schéifermisch
9. Dezember 2020 - 15.44

Schlimm, dass es so weit kommen musste, dass Sportler-Amateure wie hauptsächlich Profis- wegen Doping strafrechtlich verfolgt werden müssen. Der Sport ist das Spiegelbild unserer verlogenen Gesellschaft in der alle Mittel recht sind um Erfolg zu haben. wo mit Haken und Ösen gekämpft wird um zum selbigen zu gelangen und wo das wichtigste Gebot das 11te ist: " Lass dich nicht erwischen ". Lance Armstrong und Donald Trump sind wohl die bekanntesten Betrüger, wohl wissend, dass das Mogeln ein weltweites Phänomen ist. Das Streben nach Geld und Macht kennt keine Grenzen. Beide verderben bekanntlich den Charakter. Mit Moral allein kann man sich nichts kaufen. Mir jedenfalls ist der Letzte einer Tour de France , der mit lauteren Mitteln unterwegs war, lieber als der viel umjubelte Sieger, der mit verbotenen Substanz aufs Podium fuhr. Wobei jeder vernünftige Mensch weiss, wie die meisten Siege im Sport zustande kommen. Die ganze Heuchlerei ist einfach widerlich.

J.C.Kemp
9. Dezember 2020 - 15.38

Wie wäre es, wenn die USA mal weltweit gegen Kriegsverbrechen, auch gegen die eigenen, vorgingen?

B.G.
8. Dezember 2020 - 21.33

Ohne Doping kein Berufssport ! Derjenige der nicht einverstanden ist soll‘s sagen !