MedienUmstrittene US-Studie schürt Zweifel an Buffs  – Luxemburg verlässt sich weiter auf WHO

Medien / Umstrittene US-Studie schürt Zweifel an Buffs  – Luxemburg verlässt sich weiter auf WHO
Die Multifunktionstücher – auch Buffs genannt – werden derzeit wegen ihrer Bequemlichkeit und Vielseitigkeit auch in der amerikanischen MLB (Major League Baseball) als Schutzmasken eingesetzt. In Luxemburg wurden indessen die Grundschüler mit jeweils zwei Buffs ausgestattet. Foto: AFP

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Im Sommer sorgt eine Studie für Aufregung in den USA: Sogenannte Buffs seien gefährlicher als gar keine Masken, lassen amerikanische Medien verlauten. Die Meldungen schwappen auch nach Europa, wo in der Zwischenzeit viele Behörden ihren Bürgern ebenfalls zum Tragen der Multifunktionstücher geraten haben. Dennoch sollte man sein Halstuch nicht gleich an den Nagel hängen.

Es gibt sie in unterschiedlichen Stoffen und allen erdenklichen Farben, sie tragen Namen wie Geoline Grey, Stormtrooper Black, Slasher Pink oder Matterhorn Multi: Die Multifunktionstücher von Buff sind nicht nur bei Sportlern äußerst beliebt. Zuletzt greifen auch immer mehr Arbeiter, Handwerker und Privatleute zu den schlauchförmigen Tüchern, um das Gesicht vor Kälte, Schmutz und Staub zu schützen.

Multifunktionstücher gibt es inzwischen von vielen Herstellern. Die Bezeichnung Buff aber stammt von einem katalanischen Unternehmen, das kurz nach der Gründung 1991 zum absoluten Marktführer im Segment der nahtlosen Schlauchtücher avancierte und den Artikeln seinen Namen aufdrückte. Der Erfolg der Nackenkleidung hat viele Gründe. Besonders beliebt aber sind die Multifunktionstücher wegen ihrer Bequemlichkeit und – wie der Name es bereits andeutet – ungeheuren Vielseitigkeit.

Ob nun aus Wolle, Polyester, Merino oder warmem Fleece: Das Tuch kann um den Hals getragen werden, als Mütze, Stirnband, Kopftuch oder Sturmhaube. Oder aber als Maske, weshalb den Halstüchern seit wenigen Monaten eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. War der Buff im letzten Winter nur Motorradfahrern, Läufern, Wintersportlern und Wanderern ein Begriff, weiß seit Ausbruch der Pandemie fast jeder, was damit gemeint ist. Schließlich wurden die Halstücher auch von der obersten politischen Instanz als Alternative zu Schutzmasken beworben.

Und auch die Experten sprachen den Buffs eine gewisse Nützlichkeit nicht ab. Ganz nach dem Motto: „Besser als gar nichts“. Demnach sei es besser, ein Halstuch vor Mund und Nase zu tragen als gar keine Barriere, wie verschiedene Wissenschaftler gerne anmerkten. Sehr zum Unmut des katalanischen Unternehmens und anderer Hersteller: Auch wenn Buff zwar Feuerwehr, Polizei, Gastronomie und Industrie mit hochprofessionellen Materialien wie wind- oder feuerfesten Halstüchern beliefert, steht der Namensgeber einer Nutzung als Infektionsschutz skeptisch gegenüber.

Mehr noch: Im Mai dieses Jahres hat Buff in einer öffentlichen Mitteilung regelrecht vor dem Gebrauch von Multifunktionstüchern im Kampf gegen Covid-19 gewarnt. „Buff bietet eine Vielzahl an Produkten an, die für verschiedene Einsatzbereiche hergestellt wurden“, hieß es in einem Statement. „Obwohl unsere multifunktionalen Kopfbedeckungen die gesamte Vorderseite des Gesichts bedecken, ist es wissenschaftlich nicht erwiesen, dass sie die Ansteckung oder Übertragung des Virus auf andere Personen verhindern.“

Schlusslicht unter 14 Masken

Buffs seien nicht dazu bestimmt, als wirksame Schutzmaßnahme gegen Covid-19 verwendet zu werden. Ein Argument, das im August zusätzlich von einer Studie der renommierten Duke University befeuert wurde. Forscher der naturwissenschaftlichen Fakultät im US-Bundesstaat North Carolina hatten sich 14 unterschiedliche Maskentypen näher angeschaut, um deren Wirksamkeit gegen eine Ansteckung durch das Coronavirus zu prüfen. Mit dem Resultat, dass der sogenannte Buff unter 14 verschiedenen Alternativen auf dem letzten Platz landete.

Mehr noch: Im Test sollte sich herausstellen, dass der Buff-Träger beim Sprechen mehr Infektionströpfchen verbreitete als alle anderen. Der Grund: Die Stofffasern des leichten Fleece-Materials scheinen größere Tröpfchen in kleinere Partikel zu teilen, die sich dann leichter in der Luft verteilen. „Wir waren extrem überrascht, dass im Test mehr Partikel bei einem Buff-Träger gefunden wurden als bei einer Person ohne Mundschutz“, betonte Martin Fischer, einer der Studien-Verfasser, nach dem Experiment gegenüber dem amerikanischen Nachrichtensender CNN.

Auch andere namhafte US-Medien griffen den Befund auf, um in großen Lettern vor der Nutzung der Halstücher zu warnen. Die Halstücher nämlich erfreuen sich in den USA auch im Handwerk und in der Industrie großer Beliebtheit. Trotz sämtlicher Kontroversen über Masken in den USA schienen insbesondere US-Amerikaner im Kampf gegen Covid-19 auf sogenannte „Buffs“ zu setzen, weshalb die Verunsicherung nach Veröffentlichung der Studie besonders tief saß.

Luxemburg folgt den Empfehlungen der WHO

In Luxemburg kommen die Halstücher indessen vor allem im Unterrichtswesen zum Einsatz: So wurden etwa sämtliche Grundschüler zur „Corona-Rentrée“ im Mai 2020 mit zwei solcher Multifunktionstücher ausgestattet, um sich und ihre Mitschüler im Unterricht vor einer Ansteckung zu schützen. Die Entscheidung des Bildungsministeriums, Buffs statt Masken zu verteilen, war auf mehrere Gründe zurückzuführen: So sind OP-Masken etwa nur in einer Größe erhältlich und würden Kindern nicht eng genug anliegen, um Schutz bieten zu können.

Außerdem handelt es sich bei den OP-Masken um kaum strapazierfähige Einwegmasken, die nicht gewaschen werden dürfen. Vor diesem Hintergrund ist der „Buff“ nicht nur die nachhaltigste Alternative, sondern auch eine praktische. Schließlich müssen Grundschüler den ganzen Tag mit der Maske auskommen und sie immer wieder anziehen und wieder ablegen.

Luxemburg orientiert sich bei der Ausarbeitung von Schutzmaßnahmen in der Regel an den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation WHO. Das sei in diesem Fall nicht anders, wie eine Sprecherin des Bildungsministeriums gegenüber dem Tageblatt bestätigt. „Bis dato hat die WHO noch keine Aussagen getätigt, dass ein Buff keine angemessene Schutzmaßnahme mehr sei“, sagt die Sprecherin und verspricht: „Sollte das irgendwann der Fall sein, werden wir natürlich angemessen reagieren!“

Die Frage eines angemessenen Mund- und Nasenschutzes sei im April mit den Vertretern des Gesundheitsamtes gründlichst erörtert worden. Drei Versammlungen hätten sich rein nur mit diesem Thema befasst. „Dabei wurden auch chirurgische Masken, selbstgenähte Masken oder sogar Gesichtsschilde ins Auge gefasst. Der ,Buff‘ wurde damals als beste Lösung für Kinder und junge Jugendliche zurückbehalten“, so die Sprecherin weiter.

Die Tücher seien einfacher in der Handhabung, könnten je nach Situation ohne Weiteres runtergezogen und um den Hals getragen werden. „Es gibt auch keine chirurgischen Masken in Kindergröße“, wiederholt die Mitarbeiterin des Bildungsministeriums die Beweggründe. „Und selbstgenähte Stoffmasken müssen oft hinter dem Kopf geknotet werden. Das ist unpraktisch.“

Aufregung umsonst

Trotz der Studie aus den USA müssen nun aber keine Alarmglocken geläutet werden: Wie sich jüngst herausstellte, hatten große Medienhäuser wie die Washington Post, Forbes oder eben CNN einfach zu schnell geschossen. „Wir waren uns der möglichen Tragweite der Resultate bewusst“, so Martin Fischer jüngst in einem Interview mit dem Onlineportal Science News. „Deshalb haben wir unsere Worte mit Bedacht gewählt und uns äußerst vorsichtig ausgedrückt, was nun die Buff-Befunde angeht. Dennoch wurden unsere Aussagen aufgebauscht“, so der Wissenschaftler.

Rückendeckung erhält der Professor aus Durham, North Carolina, von Monica Gandhi. Die Forscherin widmet sich an der renommierten University of California in San Francisco in der Hauptsache Infektionskrankheiten wie Covid-19. „Die Schlagzeile, dass Multifunktionstücher gefährlicher sind als gar keine Maske, ist absolut falsch“, so die Wissenschaftlerin gegenüber Science News. Mehr noch: Meldungen wie diese könnten dazu führen, dass Menschen ganz auf Mund- und Nasenschutz verzichten und ihre Mitmenschen dadurch in Gefahr bringen.

Schüler müssen ihre Buffs jetzt nicht an den Nagel hängen: Die US-Studie wurde von vielen Medien falsch interpretiert. Die Aufregung sei nicht angebracht, so die Urheber der Studie an der Duke University in North Carolina. 
Schüler müssen ihre Buffs jetzt nicht an den Nagel hängen: Die US-Studie wurde von vielen Medien falsch interpretiert. Die Aufregung sei nicht angebracht, so die Urheber der Studie an der Duke University in North Carolina.  Foto: Editpress/Julien Garroy

Allein der Fokus der Studie sei ein ganz anderer gewesen, meint auch Fischer. Nicht die Wirksamkeit verschiedener Masken habe man analysieren wollen, sondern die Wirksamkeit verschiedener Tests. Der Urheber der Studie habe nämlich Masken für Studenten an der Duke University erwerben wollen. Weil er sich aber sicher sein wollte, dass er die richtige Wahl trifft, habe er einen Test entwickelt, mit dem die Wirksamkeit recht einfach und schnell ermittelt werden kann. „Das war der eigentliche Inhalt der Studie. Nicht die Masken selbst“, so Fischer.

„Es reicht auch nicht, für jeden Typ nur einen Träger in einer einzigen Ausführung der Maske zu testen“, ergänzt Charles Hayes, ein Umweltingenieur aus Philadelphia. Für eine aussagekräftige Studie müssten mindestens zehn verschiedene Träger ausgewählt werden, die mindestens sechs bis zehn verschiedene Ausführungen des gleichen Maskentyps testeten. „Masken sitzen bei jedem Träger anders an Mund und Nase“, erklärt Hayes. Außerdem sei nur ein Typ getestet worden, von einem einzigen Hersteller. Dabei gebe es so viele verschiedene Buffs von verschiedenen Herstellern in den unterschiedlichsten Größen und Materialien.

Der eigentliche Namensgeber aus Spanien hat sich der Situation übrigens angepasst. Anstatt sich juristisch absichern zu müssen, indem man immer wieder vor der Nutzung der Produkte warnt, hat Buff inzwischen eine Filter-Maske auf den Markt gebracht, die tatsächlich den medizinischen Anforderungen entspricht.