PolizeiDeutliche Zunahme von Cybercrimes: „Ist das Geld erst mal weg, ist es schwer, es wieder aufzutreiben“

Polizei / Deutliche Zunahme von Cybercrimes: „Ist das Geld erst mal weg, ist es schwer, es wieder aufzutreiben“
Auch wenn die Betrüger es im Netz vor allem auf ältere Personen abgesehen haben, sind auch jüngere Menschen nicht vor Betrugsmaschen gefeit Foto: Shutterstock

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Allzu gute Nachrichten hatten die Luxemburger Ordnungskräfte bei der Präsentation der Kriminalstatistiken im Verlauf der Woche nicht: Zwischen Februar 2022 und Februar 2023 hat die Zahl der Straftaten deutlich zugenommen. Kopfzerbrechen bereiten den Ermittlern unter anderem neue Betrugsmaschen im Netz oder über Telefon, die im vergangenen Jahr um mehr als 100 Prozent zugenommen haben.

Den Verantwortlichen dürfte durchaus bewusst sein, dass die jüngste Entwicklung nicht unbedingt zu einer Stärkung des Sicherheitsbefinden in der Bevölkerung beiträgt. Wohl auch deshalb wurden Polizeiminister Henri Kox („déi gréng“) und der Direktor der Verwaltungspolizei, Pascal Peters, im Verlauf der Präsentation nicht müde, die Entwicklungen der vergangenen Monate zu relativieren und das Zahlenmaterial näher zu beleuchten.

Luxemburg sei immer noch ein Rechtsstaat und ein sicheres Land, meinte etwa Minister Kox, der nach der Pandemie auch einen gewissen Nachhol-Effekt bei Verbrechern feststellte. Direktor Peters ging indessen auf die treibenden Faktoren hinter dem Anstieg der Fallzahlen ein. Zum einen sei es mit der digitalen Dienststelle eCommissariat inzwischen einfacher geworden, ein mutmaßliches Verbrechen zu melden. Zum anderen habe die Zahl der Eigentumsdelikte deutlich zugenommen.

Bei fast der Hälfte dieser Eigentumsdelikte (45 Prozent) handelt es sich um Ladendiebstähle, Taschendiebstähle und Benzinklau – einfache Diebstähle demnach, bei denen oft zwar Unternehmen finanziell, seltener aber Individuen körperlich zu Schaden kommen. Weitaus belastender sind für Opfer jene Delikte, die auf Nummer zwei der unrühmlichen Hitparade folgen: Betrug und Schwindel, mit etwas mehr als 30 Prozent der Eigentumsdelikte. Taten, die neben einem finanziellen Schaden meist auch psychologische Wunden hinterlassen.

So droht den Opfern nicht selten ein Verlust des Vertrauens, insbesondere wenn der Betrug von Freunden oder Angehörigen begangen wurde. Eine weitere Folge ist oft ein Gefühl von Scham und Demütigung. Betroffene können sich schuldig oder dumm fühlen, weil sie dem Betrug zum Opfer gefallen sind. Sie können sich auch Sorgen machen, was andere über sie denken werden, wenn sie von dem Betrug erfahren. Daneben drohen erhöhte Angst oder Paranoia vor einem weiteren Betrug, was wiederum das Misstrauen gegenüber Fremden, aber auch Bekannten verstärkt.

Doppelt so viele Betrugsfälle

4.689 Betrugsfälle wurden 2022 von der Polizei registriert – 2.390 mehr als noch im Vorjahr. Eine Steigerung von sage und schreibe 103 Prozent. In den meisten Fällen handelt es sich um Telefonmaschen und Betrügereien im Netz – also sogenannte Cybercrimes. Aber nicht nur: Ein kleiner Prozentsatz betrifft auch Vergehen gegenüber Behörden, wie etwa Steuerhinterziehung. Diesen Tätern kommen die Ermittler in der Regel schnell auf die Spur. In den meisten Fällen aber sind der Polizei die Hände gebunden.

Denn: „Wenn etwas passiert, sind wir in Luxemburg schnell an unseren Grenzen“, unterstreicht Polizeidirektor Pascal Peters. Motivation und Mittel der Polizei im Großherzogtum sind damit nicht gemeint, sondern vielmehr, dass die meisten Täter in der Anonymität des Netzes agieren und geschützt im fernen Ausland sitzen. Oft handelt es sich dabei noch um Länder, die kaum bis gar nicht mit europäischen Strafverfolgungsbehörden kooperieren.

Deshalb weiß auch Chefermittler Marc Wagner: „Ist das Geld erst mal weg, wird es schwer, es wieder aufzutreiben.“ Die Wahrscheinlichkeit auf eine Rückerstattung des Schadens, insbesondere bei Cybercrimes, sei extrem niedrig. Deshalb sei es wichtig, verstärkt auf Prävention zu setzen und die potenziellen Opfer – meist ältere Menschen – auf Gefahren aus dem Netz zu sensibilisieren, so Wagner. „Damit es gar nicht erst so weit kommt.“

Dass die Polizei ihrer Verantwortung nachkommt, sei klar. Allerdings sei man auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern angewiesen, wie Peters meint. Etwa mit der Online-Sicherheitsplattform BeeSecure oder ähnlichen Diensten. Aber auch Familienmitglieder dürften sich dieser Verantwortung nicht entziehen und mitunter wiederholt auf ihre Angehörigen einwirken, um sie auf die neuesten Betrugsmaschen aufmerksam zu machen.

Zeit spielt keine Rolle

Denn: „Die Betrüger schlafen nicht“, so Chefermittler Wagner. Die Polizei werde ständig mit neuen Maschen konfrontiert, die mitunter sehr ausgeklügelt seien. Viele Täter seien skrupellos und psychologisch geschult. Es sei ihnen ein Leichtes, Schwachstellen auszunutzen und Menschen dazu zu bringen, unbewusst wichtige Informationen zu verraten, die im Gegenzug dazu genutzt werden, die Opfer auszunehmen. Zeit spiele bei manchen Betrugsmaschen keine Rolle. Die Täter würden ihre Opfer oft über Monate hinweg bearbeiten, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen.

Kopfzerbrechen bereiten den Behörden aktuell drei Methoden: Phishing, Investitionsbetrug und die sogenannten Schockanrufe. „Deshalb ist es nicht nur wichtig, dass wir eine kollektive Anstrengung auf die Beine stellen. Wir müssen auch immer wieder auf die Gefahren aufmerksam machen und über neueste Maschen aufklären“, so die Ordnungskräfte. „Dafür brauchen wir die Hilfe von Freunden und Verwandten gefährdeter Menschen.“ 

Bei fremden Kontaktaufnahmen rät Chefermittler Wagner stets zur Vorsicht. Bei finanziellen Forderungen sind Menschen von Natur aus skeptisch. Wenn es allerdings um Rückerstattungen, Geschenke oder Geldgewinn geht, lässt die Wachsamkeit rasch nach. Wer Betrügern dennoch auf den Leim geht, sollte sofort die Bank informieren und die Polizei verständigen. Damit es nicht so weit kommt, gilt laut Wagner eine Faustregel: „Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, sollte man seine Finger davonlassen!“

Phishing

Beim Phishing verwenden Betrüger gefälschte E-Mails, Textnachrichten oder Websites, um an vertrauliche Informationen wie Passwörter, Kreditkarten oder Bankdaten zu gelangen. Die Betrüger geben sich oft als vertrauenswürdige Unternehmen, Behörden oder Organisationen aus und fordern die Empfänger auf, persönliche Informationen einzugeben. Der Schaden ist mitunter enorm: Die Justiz ermittelt aktuell in einem Fall mit über 200 Geschädigten, die um mehr als 1 Million Euro gebracht wurden. Neuerdings versuchen es die Betrüger sogar per Telefon. Etwa indem sie sich als Mitarbeiter bekannter Unternehmen ausgeben und ihre Opfer auf gefälschten Webseiten unter dem Vorwand vorgegaukelter Rückerstattungen prellen. Bei solch spontanen oder unaufgeforderten Kontaktaufnahmen sollte man stets vorsichtig sein und nichts anklicken, so Wagner. Auch sollte man niemals Passwörter oder PIN-Nummern herausrücken. Es gilt: Weder antworten noch angebotene Kontakte nutzen. Diese soll man sich selbst heraussuchen und bei Bank oder Unternehmen persönlich nachfragen.

Investitionsbetrug

Über Dating-Apps oder die sozialen Netzwerke erschleichen sich die Täter das Vertrauen ihrer Opfer. Die geschulten Betrüger sind geduldig, lassen ihren Charme spielen und gaukeln den Opfern Zuneigung, gar Liebe vor, um ihnen dann „lukrative“ Angebote zu unterbreiten – mit vermeintlich hohen Renditen, die nie ausgezahlt werden. Andere täuschen finanzielle Schwierigkeiten vor und bringen das verliebte Opfer dazu, Geld für Miete, Anreise (die nie erfolgt) oder Anschaffungen im Haushalt zu überweisen. Ähnlich gehen Täter auch beim Kauf von Autos oder anderen Gütern vor. Das Opfer ersteht das Objekt im Netz, doch der Täter stellt immer wieder neue Forderungen: eine Anzahlung, Geld für die Versicherung, Lieferkosten oder Zollgebühren. Das ersteigerte Gut aber bekommen die Opfer nie zu Gesicht. Dafür rät die Polizei bei jeglichen Geldinvestitionen, immer eigene Recherchen oder Überprüfungen vorzunehmen, statt blind dem „Partner“ zu vertrauen. „Einem Unbekannten auf der Straße würden Sie doch auch nicht einfach so Geld aushändigen“, so Chefermittler Wagner.

Schockanrufe

Ziel der Schockanrufe ist es, Opfer so unter Druck zu setzen, dass sie unüberlegt und ohne zu zögern, Geld rausrücken. So geben sich Betrüger etwa als Polizisten aus und behaupten, dass das Opfer eine Straftat begangen hat. Dieses soll dann Geld zahlen, um das Problem zu lösen. Täter geben sich oft auch als Verwandte oder Freunde des Opfers aus und behaupten, dass Angehörige – meist Kinder oder Enkel – in einer Notlage stecken und dringend finanzielle Hilfe benötigen. Sie fordern das Opfer auf, schnell Geld zu senden, um eine Notsituation zu beheben, etwa eine medizinische Behandlung oder eine Kaution für eine angebliche Festnahme. Gefährdet sind insbesondere ältere Personen. „Seriöse Behörden würden niemals solche Anrufe tätigen oder Geldzahlungen am Telefon verlangen“, sagt Chefermittler Marc Wagner. Stattdessen soll man sofort auflegen, beziehungsweise nicht auf SMS antworten.