In der französischen Nationalversammlung hat am Freitag die Debatte über eine nach den Anschlägen vom November angestrebte Verfassungsänderung begonnen. Premierminister Manuel Valls rief die Abgeordneten angesichts der Terrorbedrohung zur „Einheit“ auf.
Die Franzosen verlangten von ihnen, „alles zu ihrem Schutz“ zu tun. Mit der von Staatschef François Hollande gewollten Verfassungsänderung soll einerseits der bislang lediglich in einem Gesetz geregelte Ausnahmezustand in die Verfassung aufgenommen werden. Damit werde „in Stein gemeißelt“, dass es sich um eine nur in Ausnahmefällen anwendbare Maßnahme handle, sagte Valls.
Streit
Für heftigen Streit hat indes insbesondere der zweite Teil der geplanten Verfassungsreform gesorgt. Die Regierung will die Möglichkeiten ausweiten, Menschen nach einer Terrorismus-Verurteilung die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Bislang war das nur bei Verurteilten mit doppelter Staatsbürgerschaft möglich, die im Laufe ihres Lebens Franzosen wurden.
Künftig soll die Strafmaßnahme auch bei gebürtigen Franzosen mit zwei Pässen anwendbar sein. Das stößt bei vielen Abgeordneten der regierenden Sozialisten auf erbitterten Widerstand, im Streit um die geplante Reform trat Ende Januar die französische Justizministerin Christiane Taubira zurück.
Instanzenweg
Das Votum der Nationalversammlung wird am kommenden Mittwoch erwartet. Dann wird sich der Senat mit der Verfassungsreform befassen. Beide Parlamentskammern müssen einen gleichen Text verabschieden.
Gelingt dies, muss die Verfassungsreform bei einer gemeinsamen Sitzung von Nationalversammlung und Senat mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit beschlossen werden.
Kritik
Amnesty International hat die Verhältnismäßigkeit des Ausnahmezustands in Frankreich infrage gestellt. „Wenn Regierungen außergewöhnliche Maßnahmen unter besonderen Umständen nutzen können, müssen sie das mit Vorsicht tun“, warnte der Europa-Chef der Menschenrechtsorganisation, John Dalhuisen, in einer veröffentlichten Studie (Link). Amnesty hat darin Folgen für Betroffene des seit den Pariser Terroranschlägen vom November geltenden Ausnahmezustands analysiert.
„Die Realität, die wir in Frankreich gesehen haben, ist, dass umfassende Befugnisse für die Exekutive mit nur wenigen Kontrollen der Umsetzung zu einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen geführt haben“, sagte Dalhuisen. Die von französischen Behörden behauptete angemessene Antwort auf die Bedrohung sei „schwer zu erkennen“.
Amnestie berichtet von nächtlichen Durchsuchungen, die Betroffene stigmatisiert und traumatisiert hätten. Einige der 60 Befragten Personen sollen nach Durchsuchungen ihren Job verloren haben. Laut Amnestie gab es seit den Anschlägen mehr als 3000 Hausdurchsuchungen und mehr als 400 Hausarreste.
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