„Wir sind nicht Burka“

„Wir sind nicht Burka“
(Jens Kalaene)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stößt mit einem Zehn-PunkteKatalog für eine deutsche Leitkultur auf Kritik.

„Wir sind eine offene Gesellschaft. Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka“, schrieb de Maizière in einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“. Widerspruch kam von Linken und Grünen, aber auch aus den eigenen Reihen. „Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark“, erklärte de Maizière. In seinem ersten Punkt geht es um „soziale Gewohnheiten“: „Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.“

Teil der Leitkultur sei zudem der Leistungsgedanke, erklärte de Maizière: „Wir fordern Leistung. Leistung und Qualität bringen Wohlstand.“ Das Erbe der deutschen Geschichte „mit all ihren Höhen und Tiefen“ gehöre ebenfalls dazu. Dies schließe ein besonderes Verhältnis zum Existenzrecht Israels mit ein. Zur Rolle der Religion schrieb der Innenminister, sie müsse „Kitt und nicht Keil der Gesellschaft“ sein.

„Aufgeklärte Patrioten“

„Unser Staat ist weltanschaulich neutral, aber den Kirchen und Religionsgemeinschaften freundlich zugewandt. Kirchliche Feiertage prägen den Rhythmus unserer Jahre. Kirchtürme prägen unsere Landschaft.“ Grundlage für den religiösen Frieden im Land sei aber der „unbedingte Vorrang des Rechts über alle religiösen Regeln“. Zum Patriotismus schrieb de Maizière: „Wir sind aufgeklärte Patrioten. Ein aufgeklärter Patriot liebt sein Land und hasst nicht andere. Auch wir Deutschen können es sein.“

Es habe in der Vergangenheit zwar „Probleme“ mit dem deutschen Patriotismus gegeben. Doch das sei vorbei. De Maizière definierte auch, was er unter „wir“ versteht: „Wir – das sind zunächst einmal die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Nicht jeder, der sich für eine gewisse Zeit in unserem Land aufhält, wird Teil unseres Landes.“ Stärke und innere Sicherheit der eigenen Kultur führten aber auch „zu Toleranz gegenüber anderen“. Leitkultur solle vermittelt, aber „vor allem vorgelebt werden“.

Viel Kritik

Auf Distanz ging der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. „Wir leben in einer freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaft, in der jeder nach seiner Façon selig werden kann, solange er anderen nicht schadet“, sagte er der „Huffington Post Deutschland“. Zwar gebe es Gepflogenheiten und ungeschriebene Regeln, diese änderten sich aber im Laufe der Zeit, auch durch Migration, was ein „eher statischer Leitkultur-Begriff“ nicht berücksichtige.

„Eine Liste zu erstellen, ab wann man deutsch ist, ist typisch für deutsche konservative Politiker und hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun“, erklärte in Berlin Linken-Fraktionsvize Jan Korte. Zum Glück schütze in Deutschland das Grundgesetz davor, dass der Innenminister vorschreibe, „wie die Kultur auszusehen hat“. „Meine Leitkultur ist europäisch“ schrieb Grünen-Chef Cem Özdemir auf Twitter.

Kritik übte auch FDP-Chef Christian Lindner. „Ich finde, unsere Leitkultur sollte das Grundgesetz sein. Das ist offen für alle“, sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio. Die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli warf de Maizière „gefährliche Stimmungmache gegen Muslime“ vor. „Ich dachte, wir sind weiter“, schrieb sie auf Twitter.