Welterbestätte Palmyra wieder frei

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Sie hat einige der berühmtesten Monumente der Welt dem Erdboden gleichgemacht. Nun ist die Terrormiliz IS aus Palmyra vertrieben. Was passiert jetzt mit dem Weltkulturerbe?

Ganz verbergen kann die Reporterin des staatlich finanzierten Fernsehsenders Al-Ichbarija ihren Stolz nicht. Mit zuckenden Mundwinkeln erklärt sie, dies seien die ersten TV-Aufnahmen aus Palmyra nach der Vertreibung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus der syrischen Oasenstadt. Hinter ihr leuchten die antiken Säulen der Weltkulturerbestätte in der Mittagssonne.

Doch der Sender zeigt am Sonntag nur einen kleinen Teil des großen Areals, in dem der IS in den vergangenen zehn Monaten wütete und eine Reihe großer Kulturschätze sprengte. Nun sind die Dschihadisten weg aus der Stadt – geflohen, vertrieben, getötet. Die Rückeroberung des Kulturjuwels Palmyra ist eine weitere Etappe auf dem Weg zum Sieg über das IS-«Kalifat» – sie stärkt zugleich das Regime von Präsident Baschar al-Assad in dem Bürgerkriegsland.

Moralischer Sieg

Der Sieg bedeute «eine vernichtende Niederlage der Terrororganisation Daesh (IS) und wird die Moral ihrer Söldner zusammenbrechen lassen», verkündet die syrische Armeeführung, vor Selbstvertrauen strotzend. Nur die «mutige Armee» von Assad könne mit ihren Verbündeten den Terror entwurzeln.

Nur zehn Monate vorher: Eine ausgelaugte, fast schon verzweifelte Armee wird von entfesselt kämpfenden Dschihadisten in Palmyra überrannt und hat Mühe, ihr Kernland Latakia und die Hauptstadt Damaskus zu verteidigen. Aus Palmyra, der einst blühenden Handelsstadt, folgen Bilder, die Archäologen weltweit Alpträume bereiteten: Die Sprengung der Monumente, darunter der rund 2000 Jahre alte Baal-Tempel, der Baal-Schamin-Tempel oder der Triumphbogen.

Bühne für Massenexekutionen

Für Dschihadisten symbolisieren die Überreste der Tempel die Ungläubigkeit im Altertum, da dort mehrere Götter verehrt wurden. Als Bühne für eine Massenexekution war dem IS das Römische Theater gut genug. Ein im Juli aufgetauchtes Propagandavideo zeigte dort die Erschießung angeblicher syrischer Soldaten durch Kinder.

Heute – vor allem durch die massive Luftunterstützung Russlands seit Herbst – ist Assad wieder auf dem Vormarsch. Mit jedem Sieg in Syrien verbessert sich dabei auch seine Verhandlungsposition gegenüber der Opposition bei den Syrien-Gesprächen in Genf. Palmyra, erklärt die Armeeführung weiter, sei die Basis für Operationen vor allem gegen die vom IS kontrollierten Städte Dair as-Saur und Al-Rakka – Letztere gilt – neben Mossul im Irak – als inoffizielle Hauptstadt des IS.

IS unter Druck

Während sich der IS in Europa zu Anschlägen in Paris und Brüssel bekennt, gerät er in seinem «Kalifat» immer stärker unter Druck: Die irakische Armee hat den Beginn seiner Großoffensive auf Mossul verkündet, die Kurden in Syrien bedrängen den IS und Al-Rakka vom Norden aus. Auch bei der Großstadt Aleppo ist das Regime gegen die Extremisten auf dem Vormarsch.

Aus Palmyra haben sich die Dschihadisten nun zurückgezogen. Was bleibt, sind Trümmer großartiger Monumente. Wie es nun mit der Unesco-Stätte weitergeht, könnte zum Streitpunkt werden. Mamun Abdul-Karim ahnt das bereits: «Die bekannte internationale Sichtweise ist gegen den Wiederaufbau von Monumenten», sagte der Leiter der syrischen Museums- und Altertumsbehörde der staatlichen Nachrichtenagentur Sana.

Ein starkes Symbol

Doch genau das – die Rekonstruktion der Ruinen – strebt Syriens Regierung an. Schließlich komme Palmyra eine «symbolische Rolle» im Kampf gegen den Terrorismus zu. Neue und antike Felsblöcke sollen die Zerstörungswut des IS ungeschehen machen. Zumindest äußerlich. Ein Wiederaufbau der bedeutenden Bauwerke dürfte Jahre dauern.

Der Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin, Markus Hilgert, mahnt zu Fingerspitzengefühl. Zwar spiele der Wille der Syrer eine ganz entscheidende Rolle für die Zukunft des archäologischen Areals. Man dürfe es mit der Rekonstruktion aber auch nicht übertreiben. «Denn es geht immer auch um die Frage, inwiefern die Voraussetzungen für eine Welterbestätte dann noch vorhanden sind.»

Zunächst einmal müsste aber das ganze Ausmaß der Schäden dokumentiert werden. Eine Drohne könnte für 3D-Aufnahmen des Geländes eingesetzt werden, sagt Hilgert. Erst danach könne es um den Wiederaufbau gehen. Und schlussendlich auch darum, Palmyra wieder attraktiv für Touristen zu machen. Wenn der Krieg irgendwann einmal vorbei ist.

Mehr Hintergrundinformationen in der Dienstagsausgabe des Tageblatt.