Wandelnde Zielscheiben

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Polizei, Bahnbeamte, Lehrer und sogar Mitglieder der Notdienste werden zunehmend zu Freiwild. Die wachsenden Anpöbelungen und Aggressionen beunruhigen nun auch die Politik.

In Luxemburg wurden seit dem 1. Januar 2012 bereits 20 Beleidigungen und 26 Rebellionen gegen Polizeibeamte registriert – so viel wie das ganze letzte Jahr. Im vergangenen Jahr zählte man 38 Fälle von Rebellion gegen Ordnungskräfte, bei denen insgesamt 43 Polizisten verletzt wurden. Im Jahre 2010 wurden sogar 57 Rebellionen und 66 verletzte Beamte gezählt. Bei der Bahn wurden 2011 zwei Dutzend Aggressionen gegen Zugbegleiter registriert.

Regelmäßig werden Polizeibeamte und andere Amtspersonen, wie Fußballschiedsrichter, Busfahrer, Feuerwehrmänner, Zugschaffner, Mitglieder des Rettungsdienstes, „Pëcherten“, Lehrer verletzt, obwohl sie nur helfen wollen, so Fernand Kartheiser (ADR) am Dienstag im Parlament. Schon lange fordern die Betroffenen eine politische Reaktion.

Mehr Rechte für Beamte?

Im Raum steht zum Beispiel die Frage, ob die Polizeibeamten mehr Rechte bekommen sollten. Die ADR fordert zum Beispiel, dass Polizisten das Recht bekommen müssten, auf Verdacht hin Leibesvisitationen von Bürgern durchführen zu können. Auch die Räumung öffentlicher Plätze ohne spezielle Verfügung müsse genehmigt werden. Die anderen Parteien sind jedoch der Ansicht, dass solche Regelungen rechtsfreie Zonen schaffen würden.

Einigkeit herrscht in Luxemburg über den Beamtenmangel bei der Polizei. Die Präsenz auf dem Terrain sei wichtig, um abschreckend zu wirken, betonen immer mehr Politiker. Dasselbe fordern die Gewerkschaften für die Züge.

Abhilfe könne nur eine sofortige Bestrafung von Gewalttätern schaffen, erklärte kürzlich die Polizeigewerkschaft (SNPGL). Die Inhaftierungen sollen jedoch kurz sein und lediglich „pädagogischen“ Wert haben.

Deseskalation ist wichtig

Vor der Repression kommt jedoch die Prävention. „Deseskalation“ heißt das Stichwort. Durch spezielle Aus- und Weiterbildungskurse sollen die potentiellen Opfer den richtigen Umgang mit gewaltbereiten Personen erlernen.

Bei der Vorbeugung der Gewalt gegen sogenannte Autoritätsspersonen spielen laut laut Psychologen und Soziologen auch die Erziehung und das familiäre Umfeld eine maßgebliche Rolle. Angeprangert werden unter anderem das Kino und Computer-Spiele, wo häufig Gewalt verherrlicht wird.

Gewaltbereitschaft steigt

Verschiedene Studien im Ausland belegen, dass generell die Gewaltbereitschaft steigt. Die Wirtschaftskrise produziert des Weiteren immer mehr „Unzufriedene“ und „Neider“, die oft die Gewalt als einzige Ausdrucksweise für ihre Misere haben. Ein Beweis sei, dass nicht nur in Luxemburg die Zahl der Gewalttaten gegen Respektspersonen steigen. Die Täter würden aber lediglich Aufmerksamkeit suchen, sagen Experten.

Die Schuld ausschließlich Ausländern in die Schuhe zu schieben ist zu einfach. Die Statistik zeigt, dass die Pöbler und Angreifer aus sämtlichen soziologischen Schichten kommen und nicht nur bestimmte Bevölkerungsschichten oder Gruppen betroffen sind. Verantwortlich für diese Übergriffe, die besonders am Wochenende und nachts zu verzeichnen sind, sind Innenminister Jean-Marie Halsdorf zufolge zu mehr als 65 Prozent Luxemburger und zu 20 Prozent in Luxemburg ansässige Portugiesen. Oft sei bei den Angriffen Alkohol im Spiel.

Mehr Kameras?

Eine andere vorbeugende Maßnahme ist die Kameraüberwachung. Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler (CSV) möchte die Videoüberwachung im öffentlichen Transport respektiv an verschiedenen Bahnhöfen erweitern. Die Video-Überwachung öffentlicher Plätze ist aber unter anderem wegen Datenschutzgründen immer noch umstritten.

Nachdem 2005 eine Welle der Gewalt den öffentlichen Transport erschütterte, reagierte das Parlament, indem es ein Gesetz annahm, das mehr Sicherheit in Bussen und Zügen garantieren sollte. Schaffner und Busfahrer nehmen seitdem an Konfliktvermeidungskursen teil. Auf manchen Zug- und Buslinien werden Sicherheitsmannschaften eingesetzt, die jedoch keine Polizeibefugnisse haben. Die Polizei ist derweil dabei, einen Aktionsplan gegen Angriffe auf Beamte auszuarbeiten.